Gestern fand eine endgültige Spaltung unter den Führern der Protestaktion gegen den Beschluss des Steuergesetzbuches in Kiew statt. Die erste Gruppe besteht auf einem Veto gegen das Dokument und die zweite fordert daneben noch das Kabinett zu entlassen und die Werchowna Rada aufzulösen. Die Anhänger der politischen Forderungen sind bislang nicht sehr zahlreich und genießen nicht die Unterstützung eines großen Teils der Demonstrierenden.
Auf den hauptstädtischen Platz der Unabhängigkeit kamen gestern erneut Unternehmer, die gegen den Beschluss des Steuergesetzbuches protestieren. Milizschätzungen nach nahmen an der Aktion mehr als zweitausend Menschen teil – die Demonstrierenden selbst bekräftigen, dass sie mehr als zehntausend versammelt haben. Hauptereignis des gestrigen Tages wurde übrigens die endgültige Spaltung zwischen den Organisatoren der Protestaktionen in der Hauptstadt.
Einer von ihnen, Alexander Daniljuk, der sich „Generalkoordinator des Streiks“ nennt, hielt sein dem “Kommersant-Ukraine” am Vortag gemachtes Versprechen ein und versammelte einen neuen Koordinierungsrat, in den ein kleiner Teil der Unternehmer einging (siehe gestriger “Kommersant-Ukraine”). Ihre Hauptforderung ist nicht nur ein Veto von Präsident Wiktor Janukowitsch gegen das Gesetzbuch, sondern auch die Auflösung der Werchowna Rada und sogar ein Rücktritt des Ministerkabinetts. Gestern kam Daniljuk am Tage auf den Maidan, um diese Forderungen zu verkünden, jedoch versuchten ein Teil der Demonstrierenden und ebenfalls die Wache des Zeltlagers ihn nicht auf die Tribüne zu lassen. Dabei entsponn sich ein Handgemenge, welches man recht schnell einstellen konnte.
„Ich rufe euch auf, zur Werchowna Rada zu gehen, wo gerade ein Treffen von oppositionellen Parlamentsabgeordneten mit in der Ukraine eingetroffenen Mitgliedern der Venedig-Kommission stattfindet“, sagte Alexander Daniljukm, als es ihm dennoch gelang auf die Tribüne zu klettern.
„Wir brauchen keine Politik!“, war als Antwort zu vernehmen. „Veto! Veto!“, skandierten die Unternehmer.
Interessenten, um zur Werchowna Rada zu gehen, fanden sich nicht mehr als einhundert. Unter den Übrigen auf dem Maidan genoss die Ex-Leiterin des Rates für Unternehmerfragen beim Kabinett, Oxana Prodan, große Unterstützung, die vorher des Versuchs Gespräche mit dem Ersten Vizepremier Andrej Kljujew ohne entsprechende Vollmachten beschuldigt wurde (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine” vom 25. November). Sie verkündete von der Tribüne, dass die Demonstranten sich dafür versammelt haben, um „wirtschaftliche Rechte zu verteidigen und nicht um Politik zu machen“.
„Unsere Forderungen bleiben die alten – ein Veto gegen das Steuergesetzbuch ohne irgendwelche Kompromisse“, verkündete Prodan unter Applaus und Trötenlärm.
Im Verlaufe des gesamten Tages forderten die Unternehmer, die auf dem Platz der Unabhängigkeit auftraten, nur ein Veto gegen das Steuergesetzbuch, dabei keine politischen Fragen berührend. Die Spaltung zwischen den Führern gefiel ihnen dabei übrigens offensichtlich nicht.
„Soll man uns jemanden geben, dem man ohne Vorbehalt zuhören kann, denn sonst ist hier nur Unordnung. Wir frieren hier nicht dafür, um zuzusehen, wie sie sich beharken“, erzählte dem Reporter des “Kommersant-Ukraine” eine Frau im mittleren Alter.
Der Konflikt zwischen den Koordinatoren der Aktion setzte sich fort. Näher gegen Abend kletterte Alexander Daniljuk erneut auf die Tribüne. Er verkündete, dass das Zeltlager, welches von den Teilnehmern der Aktion auf dem Maidan errichtet wurde, „von politischen Gangstern und Abenteurern übernommen wurde“, die den Unternehmern den Sieg nehmen wollen.
„Uns wurde nicht nur die ökonomische, sondern auch die politische Freiheit genommen!“, rief Alexander Daniljuk aus. Diese Worte wurden mit „Schande!“-Ausrufen von der Menge begrüßt. Nach einigen Minuten wurde ihm das Mikrofon komplett abgeschalten und aus den Lautsprechern spielte die inoffizielle Hymne Kiews „Der Kiewer Walzer“. Daniljuk und seinen wenigen Anhängern blieb nichts anderes übrig, als ihre Thesen über ein Megafon zu wiederholen, dabei an der Stelle der gerade errichteten Eislaufbahn stehend.
Eine neutrale Position in Bezug auf die Spaltung nahmen Vertreter der „Koalition der Teilnehmer der orangen Revolution“ ein, dessen Leiter, Sergej Melnitschenko, Kommandant des Zeltlagers bleibt.
„Wir sind hierher nicht mit unseren Forderungen gekommen, sondern dafür, um die Unternehmer zu unterstützen. Ja, uns gefallen die derzeitige Regierung, die derzeitige Rada und das derzeitige Kabinett nicht, jedoch wenn wir deren Rücktritt fordern, dann könnte der Präsident prinzipiell werden und das Steuergesetzbuch in Kraft lassen. Lasst uns nicht vergessen, wofür wir hierher gekommen sind. Die Forderungen der Unternehmer sind uns wichtiger“, sagte Melnitschenko nervös dem “Kommersant-Ukraine”, unter dichtem Regen stehend, der kurz vor Ende der Veranstaltung einsetzte.
Aufgrund des schlechten Wetters wurde die Versammlung um 17.00 Uhr und nicht um 22. Uhr beendet, wie an den vorgehenden Tagen. Die nächste Protestaktion findet am Donnerstag statt.
Artjom Skoropadskij
Quelle: Kommersant-Ukraine
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