Auf der Seite des Präsidenten der Russischen Föderation, Dmitrij Medwedjew, wurde gestern ein Brief an Präsident Wiktor Juschtschenko veröffentlicht. Medwedjew beschuldigte seinen ukrainischen Kollegen in scharfer Form einer unfreundlichen Politik in Bezug auf Russland. Experten sind überzeugt davon, dass der russische Führer versucht, den Verlauf des Wahlkampfes in der Ukraine zu beeinflussen. Die nächste Verschärfung der ukrainisch-russischen Beziehungen könnte die Umfragewerte sowohl der prorussisch, als auch der antirussisch eingestellten Politiker erhöhen.
Gestern morgen veröffentlichte der Pressedienst von Dmitrij Medwedjew den Text eines Briefes, der am Vortag an den Präsidenten der Ukraine, Wiktor Juschtschenko, gesandt wurde. Und im Blog von Medwedjew wurde eine Videoaufzeichnung platziert, in der er den Zustand der ukrainisch-russischen Beziehungen kommentierte. Der Brief und die Videoansprache des russischen Führers sind in einem hinreichend harten Tonfall verfasst. Der Hauptgedanke des Präsidenten der Russischen Föderation besteht darin, dass die Tätigkeit von Wiktor Juschtschenko die strategische Partnerschaft zwischen Kiew und Moskau zerstört hat: „Dass, was wir heute in der Zeit Ihrer Präsidentschaft beobachten, kann man nicht anders auffassen, als eine Abkehr von den Prinzipien der Freundschaft und Partnerschaft in Russland“, erklärte Medwedjew.
Bleibt anzumerken, dass im Brief des russischen Präsidenten unverdeckte Versuche der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine enthalten sind. Insbesondere verkündete Dmitrij Medwedjew die Notwendigkeit der Abstimmung der Handlungen Kiews im Bereich der euroatlantischen Integration mit Moskau: „Die politische Führung der Ukraine, dabei die Meinung der Bürger ihres Landes ignorierend und ohne von der bekannten Position Russlands zu reden, setzt hartnäckig den Kurs des NATO Beitritts fort“.
Nach der Aufzählung der Gründe für die Verschlechterung in den bilateralen Beziehungen erklärte Medwedjew, dass die Situation sich erst nach einem Führungswechsel in der Ukraine ändert. Dies berücksichtigend, verkündete er seine Entscheidung die Anreise des neuen Botschafters der Russischen Föderation nach Kiew aufzuschieben. Dabei nannte er keine Frist für die Zeit im Verlaufe derer die russische Botschaft ohne Leiter arbeiten wird. Vorher hatten dem „Kommersant-Ukraine“ Informanten im Kreml prognostiziert, dass die Ernennung Michail Surabows, zu dem Kiew bereits seine Zustimmung gegeben hatte, im Jahre 2010 stattfindet – nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine (Ausgabe des „Kommersant-Ukraine“ vom 6. August).
Bislang ist nicht klar, in welcher Form Wiktor Juschtschenko Dmitrij Medwedjew antworten wird und ob diese Antwort veröffentlicht wird. Die Pressesprecherin des Präsidenten, Irina Wannikowa, versprach gestern, dass die Leiterin des Präsidialamtes, Wera Uljantschenko, mit einer Antworterklärung auftreten wird, doch bis zum späten Abend wurde diese nicht veröffentlicht. Der kommissarische Außenminister, Wladimir Chandogij, drückte gestern seine Enttäuschung in Verbindung mit der Entscheidung Dmitrij Medwedjews zur Aufschiebung der Ernennung des Botschafters in der Ukraine aus. „Es gibt Dinge, die man besser persönlich mit dem Leiter der diplomatischen Mission regelt“, erläuterte ihm der „Kommersant-Ukraine“. Chandogij merkte ebenfalls an, dass er den Inhalt der Ansprüche des Kremls an die Organisation des Besuches von Patriarch Kyrill in der Ukraine nicht begreift.
Andere vom „Kommersant-Ukraine“ befragte Diplomaten drückten ebenfalls ihre Verwunderung über die Erklärung des Präsidenten der Russischen Föderation zu den Problemen, die angeblich den Besuch von Patriarch Kyrill begleiteten, aus. „Was hat die Ukraine in diesem Zusammenhang schlechtes getan? Wir sind ihnen sehr entgegengekommen, indem wir seinem Besuch in so kurzer Zeit zustimmten – der Patriarch war kaum gewählt, da befand er sich schon in der Ukraine. Hier hat er aktiv in jedem seiner Auftritte die Politik des Kremls vertreten. Und wie sich Präsident Juschtschenko vor ihm verneigt hat …. Und sogar das war für Russland wenig!“, erregte sich im Gespräch mit dem „Kommersant-Ukraine“ der Außenminister von 1994-1998, Gennadij Udowenko.
Derweil vermuten Informanten des „Kommersant-Ukraine“ in Diplomatenkreisen, dass die These zu den Problemen im Verlauf des Besuchs des Patriarchen eine der Hauptthese im Brief und der Videobotschaft des russischen Präsidenten war. Diese Mutmaßung bestätigen die Worte des russischen Führers über die Notwendigkeit die Auswechslung der Führung der Ukraine mit Politikern, die Russland gegenüber loyal sind. „Derzeit hängt die Führung Russlands dem Gedanken nach, dass der Wechsel des Regimes zu einer Lösung aller Probleme führt. Das ist eine unrichtige Meinung, die auf dem Unverständnis der Gründe und Auslöser des jetzigen Konflikts gründet. Russland versteht einfach nicht, dass die Prozesse nach dem Zerfall der UdSSR viel zu weit fortgeschritten sind“, erklärte dem „Kommersant-Ukraine“ der Leiter der internationalen Programme des Rasumkowzentrums, Walerij Tschalyj.
Als erster der führenden ukrainischen Politiker reagierte Wiktor Janukowitsch, der Vorsitzende der Partei der Regionen, auf den offenen Brief Dmitrij Medwedjews. „Leider gibt es unter der derzeitigen Führung praktisch keine Hoffnung auf eine Normalisierung und Verbesserung der Beziehungen zu Russland. Daher ist das erste, was wir tun, wenn wir an die Macht kommen, normale, gutnachbarschaftliche, gleichberechtigte Beziehungen von gegenseitigem Vorteil mit unserem strategischen Partner Russland wieder herzustellen“, erklärte er, faktisch mit den Ansprüchen des Kremls übereinstimmend.
Als eine andere erwies sich die Reaktion des Blockes Julia Timoschenko. Timoschenko selbst hielt sich gestern mit Kommentaren zurück. Doch ihre Mitstreiter sprachen sich am Morgen unterstützend in Bezug auf die Anschuldigungen an die Adresse des Präsidenten aus, die von Dmitrij Medwedjew ausgesprochen wurden. „Das Wiktor Juschtschenko unverdeckt und demonstrativ eine antirussische Politik durchführte, wird wahrscheinlich kaum jemand bezweifeln oder dies zurückweisen“, erklärte „Interfax“ der Parlamentsabgeordnete, Walerij Pissarenko. Übrigens, rief in der zweiten Tageshälfte der Pressedienst des Blockes Julia Timoschenko diesen Kommentar zurück, es damit erklärend, dass der Abgeordnete „sich unzureichend mit der Situation bekannt gemacht hat“.
Der Vorsitzende der „Front Smin“, Arsenij Jazenjuk, hielt sich bei der Kommentierung der Erklärungen des Führers der Russischen Föderation mit Kritik und Unterstützung zurück. „Ich würde gern betonen, dass es Probleme sowohl von ukrainischer, als auch von russischer Seite gibt“, sagte er. „Dies haben unsere russischen Partner unverzüglich ausgenutzt. Auf diese Weise ist die chronische Krankheit heute in eine außerordentlich scharfe Form übergegangen“.
Politiker und Experten sind sich einig, dass die Informationskampagne, die Moskau durchführt, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine beeinflusst. „Das könnte sowohl von denen genutzt werden, welche die prorussische Stimmung der Wählerschaft in der Ostukraine ausnutzen – das ist vor allem Janukowitsch, wie auch von den Kandidaten, die auf die antirussisch gestimmte Wählerschaft im Westen orientiert sind“, betonte Tschalyj. „Indirekt bemüht sich Russland die Präsidentschaftswahlkampagne zu beeinflussen, doch könnte zu einem gegenteiligen Effekt führen: es ist nicht ausgeschlossen, dass dies Präsident Juschtschenko Stimmen von Seiten nationalistisch eingestellter Wähler bringt“, unterstützte ihn der Direktor des Zentrums für angewandte politische Forschungen „Penta“, Wladimir Fesenko.
Sergej Sidorenko
Quelle: Kommersant-Ukraine
Der Text der Videoansprache findet sich hier.
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Frank in Politik • Re: Die Anzeichen verdichten sich, dass Putin bald gewinnt
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Frank in Vermischtes • Re: Interview: «Ja, ich schäme mich» – junge Ukrainer im Ausland werden die Frage nicht los: Soll ich zurückkehren, kämpfen und vielleicht sterben? Oder bleiben und leben?
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„Apropos in der Ukraine gäbe es keine oder kaum Nazis. Was soll man dazu sagen“