Pjotr Poroschenko - Bild: Max Lewin
Am Mittwoch ist der offizielle Kurs um 60 Kopeken auf 12,94 Hrywnja/Dollar gestiegen. Teilweise infolge der neuen Restriktionen der Nationalbank der Ukraine (NBU) auf dem Devisenmarkt, teilweise aufgrund der Intervention durch Poroschenko.
Gestern haben sich der Präsident, der Ministerpräsident, der Finanzminister sowie die Leitung der NBU mit führenden Bankern und Unternehmern getroffen. Besprochen wurden die ökonomische Lage der Ukraine und vor allem der Hrywnjakurs.
Die NBU-Chefin Walerija Gontarewa hatte sich bereits im Vorfeld mit den Bankern hinsichtlich des Hrywnjakurses geeinigt. Anscheinend ist ihr Einfluss nun nicht mehr ausreichend, um den Fall der Landeswährung einzudämmen.
Gründe für den Fall
Seit Beginn des Jahres stürzte die Hrywnja von acht auf 14 Hrywnja/Dollar, d. h. um 75 Prozent. Ein derartiger Abfall ist zwar vorteilhaft für den Export, bedroht aber das Bankensystem und die einfachen Bürger. Infolge des Währungsabfalls leiden nicht nur die „glücklichen“ Fremdwährungskreditnehmer. Teurer werden dadurch auch Benzin, Reisen, Strom, Kleidung und Nahrungsmittel. Zunächst steigen die Preise von Importwaren, anschließend die der inländischen Produktion.
Durch den Majdan, die Annexion der Krim sowie den Krieg im Osten sahen sich die Ukrainer gezwungen, ihre Ausgaben zu senken, Geld abzuheben und in Dollar oder Euro umzutauschen. Der Rückgang der Einlagen seit Beginn des Jahres beträgt 104 Milliarden Hrywnja bzw. 30 Prozent, der größte Teil in Dollar. Analog haben sich die Unternehmer verhalten. Sie haben weniger ausgegeben und ihre Erlöse schneller aus dem Land gebracht.
Zerstörungen in der Industrieregion trafen ebenfalls den Kurs. Insbesondere die Eisenbahnstrecken und Stromleitungen litten, weshalb Fabriken ihre Arbeit einstellten und die Gruben im Donbass überfluteten. Die Stahlproduktion brach um 35 Prozent ein, die Exporte gingen um etwa 500 Millionen Dollar zurück, bemerkt der Analytiker der ukrainischen Alfa Bank Artjom Iljin in einem Blogeintrag bei Liga.
Der Fall der Weltmarktpreise für Eisenerz um 30 Prozent (auf 89 Dollar von 135 Dollar) seit Jahresbeginn war ebenfalls problematisch. Von Januar bis Juli 2014 gingen die ukrainischen Erzexporte um etwa 500 Millionen Dollar zurück, kommentiert der Analyst von Eavex Capital Iwan Dswinka gegenüber der Zeitung Kapital.
Bislang ist unklar, wie die Erlöse der Landwirte ausfallen werden. Die Erlöse aus der Landwirtschaft betrugen bis zu 25 Prozent der Devisen, bestätigte der Pressedienst des Landwirtschaftsministeriums. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Landwirte bis zu 17 Milliarden Dollar. Allerdings sind in diesem Jahr die Getreidepreise infolge der guten Ernte gesunken. Zudem befinden sich in der Zone der „Anti-Terroroperation“ landwirtschaftliche Betriebe.
Der Warenumsatz mit Russland ist aus den offensichtlichen Gründen merklich gesunken. Im Jahresmittel kann der Export nach Russland um insgesamt 35 Prozent sinken, sagte die NBU-Chefin Walerija Gonatreva auf dem YES-Forum. Besonders stark ist der Maschinenbau betroffen, 62 Prozent des Exports gingen im letzten Jahr nach Russland.
Die Mittel des IWF sowie anderer internationaler Organisationen erlauben, dieses Minus zu kompensieren, treiben die Ukraine aber weiter in die Schulden. Noch kommen wir dank der ausländischen Hilfe über die Runden, und ohne diese schaffen wir es nicht aus dem wirtschaftlichen Tief.
Wie der Kursverfall gestoppt werden soll
Noch im August hatte die NBU-Chefin Walerija Gontarewa von einem Rednerpult der Werchowna Rada die Abgeordneten davon zu überzeugen versucht, dass ein gleichgewichtiger Kurs bei 11,5-11,9 Hrywnja/Dollar liege und es keinen Grund für einen Anstieg des Kurses auf 13,5 Hrywnja/Dollar gebe. „Greifen die Marktmechanismen nicht, wird die Nationalbank diesem weitgehende administrative Restriktionen auferlegen“, sagte Gontarewa.
Die NBU begann, sich regelmäßig mit 40 Vertretern der größten Banken zu treffen, um die Maßnahmen zu koordinieren. Ende August hat sich die Nationalbank mit diesen auf einen Kurs im Bereich von 12,5 Hrywnja/Dollar verständigt. Parallel führte die NBU eine Reihe von Restriktionen auf dem Devisenmarkt ein – der Pflichtverkauf von Fremdwährungserlösen wurde für Exportunternehmen von 50 Prozent auf 100 Prozent erhöht, die Ausgabe von Fremdwährung mit Geldkarten wurde verboten, ein bindender Umrechnungskurs für Währungstransfers eingeführt sowie das Verfahren für Devisenankäufe auf dem Interbankenmarkt verlangsamt.
Durch die Restriktionen und Absprachen mit den Bankern wurde der Verkaufskurs auf 12,9 Hrywnja/Dollar fixiert, allerdings verschwand die Währung in den Wechselstuben. Dollar konnte man lediglich auf dem Schwarzmarkt zu 14 Hrywnja/Dollar kaufen.
Letzte Woche zog der Dollar wieder an, obwohl die NBU die ersten Devisenauktionen startete. Gleichzeitig hat die Regulierungsbehörde einige Zugeständnisse zugelassen: Sie senkte den Pflichtverkauf von Fremdwährungserlösen für Exporteure auf 75 Prozent und erlaubte natürlichen Personen Devisentransfers in Fremdwährung.
Parallel restringierte die NBU den Dollarverkauf auf höchstens 3.000 Hrywnja (wenngleich Kontrollen schwierig sind und keine Sanktionen für den Verkauf höherer Summen in verschiedenen Banken existieren). Ebenso hat die NBU Vorauszahlungen für Importe, Zahlungen nach alten Importverträgen (mehr als 180 Tage), den Abfluss von Fremdwährung aus außerbörslichen Wertpapier-Verkäufen (außer staatlichen), Auszahlung von Dividenden (außer börsengehandelte Wertpapiere) verboten sowie weitere Restriktionen eingeführt.
Hierauf und nach dem Treffen des Präsidenten Petro Poroschenko mit Bankern und Beamten legte die Hrywnja erneut zu.
Was man sich erhofft
Der Executive Director des Analysezentrums CASE-Ukraine Dmitrij Bojartschuk rechnet damit, dass die sich widersprechenden Maßnahmen der NBU das Misstrauen der Unternehmer in die Regierung verstärken. „Gestern musste man 100 Prozent der Devisenerlöse verkaufen, heute 75 Prozent. Wer weiß, vielleicht werden es morgen wieder 100 Prozent sein. Die Unternehmer brauchen Stabilität“, sagte Bojartschuk.
Jede administrative Maßnahme helfe in gewisser Weise und verschlimmere gleichzeitig die Situation, sagt Jelena Belan, Chefvolkswirtin der Investmentgesellschaft Dragon Capital. So trifft das Verbot für Vorauszahlung für Importgeschäfte die Kleinunternehmer, die lediglich einen eingeschränkten Zugang zu Bankgarantien, die ihnen ein Weglassen der Vorauszahlungen erlauben, haben. Für Großunternehmen steigen die Kosten für derartige Dienstleistungen. Auf der anderen Seite wurden Möglichkeiten des Kapitalabflusses abgeschafft. Beispielsweise für die Fälle, in denen eine Vorauszahlung im Rahmen eines Importvertrages getätigt, der Vertrag aber gebrochen wurde und keine Lieferung stattfand.
Einen floatenden Wechselkurs kann die NBU ebenfalls nicht zulassen. Jewgenija Tschemeris, Vorsitzende der Bank Credit Agricole, hat im Rahmen eines Treffens mit Journalisten einen offiziellen Kurs im Bereich von 14 Hrywnja/Dollar als kritisch für ihr Institut bezeichnet. Bei einem höheren Kurs würden sämtliche Vorschriften der Bank aus den Fugen geraten. Und der Leiter der Privatbank Alexander Dubilet sagte, ein weiterer Anstieg des Hrywnjakurses im Vergleich zum Dollar könne in einer galoppierenden Inflation münden.
Früher oder später werden der offizielle und reale Kurs der Hrywnja zum Dollar konvergieren. Der offizielle Kurs wird von Poroschenko zumindest einen Monat vor den Parlamentswahlen auf niedrigem Niveau gehalten (ohne Zweifel beeinflusst er die NBU). Die Umfragewerte seiner Partei werden auch vom Kurs der Nationalwährung abhängen.
„Anscheinend geht die Nationalbank von einer Verbesserung der Situation im Osten aus. Diese Möglichkeit besteht. Möglicherweise werden die Eigentümer der Metallurgie und Energy Holdings sich mit DNR-LNR einigen. Sollten die Eisenbahnstrecken wieder hergestellt werden, werden zumindest zwei der größten Hüttenbergwerke um Mariupol wieder produzieren und exportieren. Möglich ist auch, dass weitere Fabriken in der Zone der „Anti-Terroroperation“ ihre Arbeit wieder aufnehmen“, sagt Belan.
Nach den Wahlen werden die politischen Manipulationen im Zusammenhang mit dem Wechselkurs abnehmen.
Es besteht die Hoffnung, dass das neue Parlament unmittelbar die nötigen Reformen angeht.
Möglicherweise erhöhen die ausländischen Geldgeber im nächsten Jahr auch die Finanzmittel für die Ukraine.
All dies könnte die ukrainische Wirtschaft wiederbeleben. Bis dahin bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als die Prognosen erneut herunterzuschrauben. Das Finanzministerium rechnet am Ende des Jahres mit einer Inflation in Höhe von 19 Prozent, einem Abfall des BIP um 6,5 Prozent. „Diese Prognosen sind bereits nicht mehr realistisch“, sagte gestern Jelena Tscherbakowa, Direktorin der Abteilung für Geldpolitik der NBU, bei einem Treffen mit Journalisten.
24. September 2014 // Andrej Janizkij
Quelle: Lewyj Bereg
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