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Tituschki

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Es gibt viele Phänomene im ukrainischen Alltag, die man einem Ausländer nur schwer erklären kann. Eine Bekannte hat mir eine Geschichte über ihren französischen Gast erzählt, der über viele Sachverhalte verwundert war und diese erläutert haben wollte. Das war oft nicht einfach oder gar unmöglich, so hat sich meine Bekannte für alle Fälle einen Standardspruch ausgedacht: „Das ist unsere Tradition“. Nachdem der Franzose zum dritten Mal so eine Antwort bekommen hatte, meinte er mit einem verdüsterten Gesicht: „Wissen Sie, Ihre Traditionen sind einfacher Korruption sehr ähnlich“

Seit einigen Tagen überlege ich, wie ich Ausländern erklären soll, wer genau „Tituschki“ sind. Manchmal wird in unseren Zeitungen folgender Ausdruck verwendet: „sportlich aussehende junge Männer“; diese Bezeichnung hält keiner Kritik stand – nicht alle Sportler sind „Tituschki“ und nicht alle „Tituschki“ sind Sportler. Naja, und die Geschichte von einem Jungen namens Wadym Tituschko aus dem Ort Bila Zerkwa, der durch die Verprügelung von Journalisten bei einer Demonstration im Mai 2013 „berühmt“ geworden ist, wird man den Europäern oder den Amerikanern doch nicht erzählen. Eigentlich hat es „Tituschki“ auch schon früher gegeben, selbst bevor dieser Ausdruck entstanden ist. Ich kann mich noch gut an das Jahr 2004 in Mukatschewe erinnern (damals war der besagte Wadym Tituschko noch in der Schule), als die örtliche Wahlkommission von einer großen Gruppe sportlich gekleideter jungen Männer umzingelt wurde, um das Resultat der Präsidentenwahlen zu beeinflussen. Die Journalisten hatten Angst vor ihnen, der Oberst der Miliz schüttelte ihnen dagegen die Hände. Schon damals wollten sie uns verprügeln – die Menschen in der Uniform gemeinsam mit den „Adidas“ tragenden Jungs, was ihnen damals nicht gelang.

Und jetzt ist es wieder soweit. Hunderte, Tausende von sportlich gekleideten, finsteren jungen Männern tauchen auf den Straßen unserer Städte auf. Meistens in der Nacht – ihre Zeit ist die der Horrorfilme „From dusk till dawn“. Die Nacht auf den 21. Januar war unruhig – wobei es derzeit in Kyjiw (Kiew) keine ruhigen Nächte gibt. Diejenigen, die nicht am Majdan standen, konnten im Minutentakt im Netz die Informationen über die Aufstellungen dieser „Tituschki“, die bald in Zentrum, bald außerhalb Autos mit ukrainischen Symbolen zerschlagen, verfolgen. Die Miliz hat natürlich nicht einmal auf die Anzeigen der Betroffenen reagiert.

Ich als Journalist bin es nicht gewohnt, unverifizierte Information zu publizieren. Alle wissen davon, alle verstehen diese Zusammenhänge zwischen den Kriminellen und den sogenannten Rechtsverteidigern, aber es gibt keine Beweise dafür. Aber nach dem Video aus Dnipropetrowsk, wo man eindeutig sieht, wie gerade die Miliz den „Tituschki“ den Befehl erteilt, auf friedliche Demonstranten mit Schlagstöcken loszugehen, gibt es keine Zweifel mehr.

Also, am 21. Januar agierten diese „Tituschki“ in Kyjiw. Ein Paar Kilometer von meinem Zuhause, im Stadtteil Podil (Podol), waren es einige Hundert. Ich rutschte nervös vorm Computer hin und her, während ich auf einen Freund wartete, um gemeinsam mit ihm zum Majdan zu fahren. Und dann, plötzlich, ging es los. Gewöhnliche Einwohner von Kyjiw begannen, sich zu zehnt, zu hundert in ihren Autos zusammenzuschließen, um sich gegen die Banditen zu verteidigen. Irgendwer hat das witzigerweise als „Tituschki“-Safari bezeichnet. Man begann, sie zu umzingeln und zu fangen – wie die Fische im Netz. Manche schafften es, zu flüchten. Mein Kumpel und ich sahen eine solche Gruppe im Stadtteil Podil – sie schauten ziemlich erschrocken aus der Tür eines illegalen Spielelokals heraus. Aus der Nähe habe ich sie erst später einmal gesehen – da standen sie – wie schlechte Schauspieler – auf der Bühne des Majdans murmelten eine Entschuldigung. Ich schaute sie an und traute meinen Augen nicht. Die schrecklichen „Tituschki“, mit denen die lokale Presse der Bevölkerung Angst gemacht hatte, waren gar nicht so beängstigend. Ja, sie hatten irgendwelche Hämmer oder andere Waffen, und als Horde hatten sie wirklich beängstigend gewirkt. Aber einzeln wirkten sie…. hm, wie soll ich das beschreiben – irgendwie erbärmlich. Die Hälfte – offenbar noch nicht einmal 20 Jahre alt (auf den ersten Blick wirkten sie wie Ausreißer aus dem Kinderheim). Die Restlichen – klein gewachsen, hinkend, mit Beeinträchtigungen am Gesicht….

Ein Paar Stunden war ich schockiert und konnte mir keinen Reim darauf machen — bis mir klar wurde, dass es sich bei denen um lauter Kleinkriminelle handelte. Gewöhnliche Klientel der ukrainischen Miliz, die bei einem Diebstahl oder bei einer kleinen Schlägerei erwischt oder einfach ohne Grund aufgegriffen und festgesetzt worden war. Man hatte sie aus ihren Gefängniszellen direkt auf die Straßen losgelassen. Um die Menschen einzuschüchtern, wurden sie in großen Gruppen zusammengetan. Nur hatte sich aus irgendeinem Grund ganz einfach niemand von ihnen einschüchtern lassen…

Während ich überlegte, wie ich den Europäern den Begriff „Tituschki“ erklären solle, hatten diese es schon selber verstanden. Inzwischen ist der ukrainische Ausdruck „Tituschki“ zu einem juristischen Terminus der EU geworden. In der Resolution des europäischen Parlaments werden bezüglich der Ukraine „Tituschki“ erwähnt – als Kleinkriminelle, die von der Regierung kontrolliert werden.

10. Februar 2014 // Oleh Kryschtopa, Schriftsteller und Reporter

Quelle: Facebook-Eintrag

Übersetzung: Julia Korsch

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