Präsident und Premierministerin führten gestern den Wahlkampf auf ein neues Niveau


Der Wahlkampf zwischen Präsident Wiktor Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko erhitzte sich aufs Höchste. Gestern beschuldigte die Premierin das Staatsoberhaupt der Tötung von Ukrainern, die Grippe erkrankt sind. Und Juschtschenko nannte Julia Timoschenko “obdachlos” und erklärte, dass sie nicht fähig ist “sogar ihre eigene Zukunft” zu sichern und daher nicht an die Führung des Landes gelassen werden kann. Bemerkenswert ist, dass Wiktor Juschtschenko diese Skandalerklärung machte, noch bevor er von den Anschuldigungen Timoschenkos erfuhr.

Die Konfrontation zwischen Präsident und Regierungschefin, die sich seit Beginn des Wahlkampfes verschärft hat, erreichte gestern ein neues Niveau. Dieses Mal wurden die unterschiedlichen Positionen Wiktor Juschtschenkos und Julia Timoschenko in der Frage der Finanzierungsmaßnahmen im Kampf mit der Grippeepidemie zum Anlass.

Wie bekannt ist, hob der Präsident am Dienstag die Geltung der Anordnung des Ministerkabinetts zur Bereitstellung von Staatsgarantien für Kredite von 500 Mio. $ und 1,3 Mrd. Hrywnja (ca. 1,08 Mrd. €), die für den Kauf von medizinischer Ausrüstung bestimmt waren, auf. Außerdem ignorierte Wiktor Juschtschenko längere Zeit die beständigen Aufrufe der Premierin das Gesetz zur Bereitstellung von 1 Mrd. Hrywnja (ca. 83 Mio. €) zur Finanzierung der laufenden Antigrippemaßnahmen.

Ihren Auftritt im Verlaufe des offenen Teils der Regierungssitzung widmete Julia Timoschenko einer Kritik des Präsidenten, diesen der Sabotage der Mediziner und der künstlichen Anspannung der Situation auf ein Niveau beschuldigend, das es ihm erlaubt den Notstand auszurufen.

“Ich möchte fragen, wo der Anstand des Präsidenten ist?”, erregte sich Timoschenko. “Der Präsident betreibt Tätigkeiten, die gegen die Ukraine gerichtet sind. Wenn er dieses Gesetz nicht unterzeichnet, dann wird das bedeuten, dass er erneut zu den Zeiten zurückkehren möchte, wo sich die Epidemie mit sehr hohem Tempo ausbreitete und vor diesem Hintergrund möchte er die Präsidentschaftswahlen stoppen”

Den offene Teil der Sitzung beendend, erklärte die Premierministerin, dass die Verordnungen Wiktor Juschtschenkos zum unmittelbaren Anlass für den Tod von vielen Bürgern der Ukraine werden.

“Und ich möchte sagen, dass für jeden Menschen, der heute krank ist oder stirbt, der Präsident die persönliche Verantwortung trägt. Er wird heute ebenfalls für das Leben eines jeden Neugeborenen verantwortlich sein, dem heute keine Wiederbelebungsausrüstungen (für deren Kauf die Kredite bestimmt waren) zur Verfügung stehen”.

Zu der Zeit, wo Timoschenko auf der Regierungssitzung auftrat, befand sich Wiktor Juschtschenko in der Redaktion der “Komsomolskaja Prawda”, wo er auf die Fragen ihrer Leser antwortete. Im Verlaufe dessen kritisierte der Präsident, wie auch vorher, die Premierin für ihre ineffektive Tätigkeit, die Manipulation der Haushaltswerte und die unbefriedigende Vorbereitung auf die saisonale Grippeepidemie. Nachdem zwei Stunden, die für direkte Fragen per Telefon reserviert waren, abliefen, stimmte Juschtschenko zu, auf Fragen von Journalisten zu antworten. Bleibt anzumerken, dass das Staatsoberhaupt in diesem Moment nicht informiert über die Beschuldigungen war, die von der Premierministerin an sein Adresse vorgebracht wurden. Während ihres Auftritts befand sich das Staatsoberhaupt bereits in der Redaktion der “Komsomolskaja Prawda” und im Verlaufe der Telefonfragen haben weder die Pressesprecherin noch Mitarbeiter des Präsidialamtes ihm Ausdrucke mit dem Text der Erklärung der Regierungschefin vorgelegt. Und übrigens auch ohne zusätzliche Reizmittel war Wiktor Juschtschenko darauf eingestellt, Julia Timoschenko äußerst hart zu kritisieren.

Der Präsident versprach das Gesetz zu blockieren, welches die Bereitstellung von 1 Mrd. Hrywnja (ca. 83 Mio. €) für die Bekämpfung der Grippe vorsieht, dies damit erklärend, dass die Erweiterung des Ausgabenteils des Haushaltes unvermeidlich eine Hrywnjaemission nach sich zieht. “Ich gehe bei diesem Gesetz genauso vor, wie bei dem Gesetz zur Euro-2012”, erklärte er. Die Journalisten erinnerten das Staatsoberhaupt daran, dass er vor kurzem das Gesetz zur Erhöhung der Sozialstandards unterzeichnet hat, was eine noch größere Disbalance für den Staatshaushalt mit sich bringt (Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“ vom 2. November). Hier begann Wiktor Juschtschenko nervös zu werden und begann von einem Thema zum anderen zu springen und sagte am Ende, dass die Premierin für den Kauf der Medikamente die Mittel hätte verwenden sollen, die ihr Wahlkampfstab für den Wahlkampf aufwendet.

“Der Maidan (der Kongress von BJuT (Block Julia Timoschenko) auf dem Platz der Unabhängigkeit am 24. Oktober) und die Werbeagitation, die heute an jeder Werbesäule hängen – sowohl in der Stadt, als auch im Wald – kamen teurer, als die Ausgaben für die Bekämpfung der Epidemie”, erregte er sich. “Und überhaupt, woher sind die hunderte Millionen Hrywnja für diese Reklame der Premierin, die keine Wohnung, nicht ein Stückchen Land und kein Auto hat?”

Es schien, dass der Präsident sich selbst anstachelt. Im Resultat ging er zu direkten Beleidigungen an Julia Timoschenko über.

“Obdachlose! Wie kann man mit 50 Jahren wie ein Obdachloser sein? Die Premierin, die mit 50 Jahren weder Haus noch Hof hat. Und dieser Mensch möchte sagen, was man der Nation als Antwort auf die Frage nach der Einrichtung der Zukunft gibt? Schaff dir erst einmal eine eigene Zukunft!”, ging Wiktor Juschtschenko zum “du” über.

Die Anschuldigungen des Präsidenten begründen sich darauf, dass in der Deklaration zu den Einkünften von Julia Timoschenko auf ihren Namen wirklich weder mobiles noch immobiles Eigentum ausgeschrieben wurde. Doch gerechtigkeitshalber muss man sagen, dass ihr Ehemann, Alexander Timoschenko, eine Wohnung, ein Auto und anderes Eigentum, sowie Einnahmen von 3 Mio. Hrywnja (ca. 120.000 €) deklarierte, woran Wiktor Juschtschenko nicht erinnerte. Sich beruhigend, gab das Staatsoberhaupt zu, dass er zu emotional auftrat und Timoschenko nicht beleidigen wollte. “Entschuldigen sie, aber ich möchte nicht, dass Sie dies veröffentlichen”, wandte er sich an die Journalisten. Die Nachrichtenagenturen erfüllten seine Bitte, doch die Information geheim zu halten gelangt trotzdem nicht. Bald nach Beendigung der Veranstaltung tauchten Zitate aus dem Auftritt des Präsidenten bei der “Ukrajinska Prawda” auf, von wo aus sie sich bei anderen Internetausgaben verbreiteten.

Sergej Sidorenko

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 951

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