Der Leiter des IWF Büros in der Ukraine im Interview


Heute beendet die jährliche Mission des Internationalen Währungsfonds (IWF) ihre Arbeit in Kiew. Ihrem Ergebnis nach beabsichtigt der IWF seine Makroprognosen der Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft 2008 abzusenken. Über die Verstärkung der Inflationsrisiken im Land, die Notwendigkeit des Übergangs zu einem freien Wechselkurs und der Schließung des Büros des IWF in der Ukraine sprach der Leiter der Mission des IWF Robert Ford mit dem Korrespondenten des “Kommersant-Ukraine“ Jurij Pantschenko.

“Änderten sich im Laufe der Mission die Empfehlungen des Fonds für die ukrainische Regierung?”

“Sich haben sich geändert. Im Vergleich zu unseren letzten Konsultationen, welche vor einem Jahr durchgeführt wurden, hat sich die ökonomische Situation in der Welt zum schlechteren gewendet. Es tauchten neue Risiken sowohl für die Weltwirtschaft, als auch für die Wirtschaft konkreter Staaten auf. Für die Ukraine ist es das Problem der hohen Inflation, dieses muss gelöst werden.”

“Es wurde erwartet, dass den Ergebnissen ihrer Mission nach eine Entscheidung über die weitere Existenz des IWF Büros in der Ukraine gefällt wird. Belässt der Fonds seine ständige Vertretung in Kiew?”

“Der Fonds verringert momentan die Anzahl seiner Büros, dabei bedeutende Budgetkürzungen einplanend. In diesem Zusammenhang wurde die Formel vorgeschlagen, nach der ständige Vertretungen in Ländern arbeiten werden, welche Finanzierungsprogramme vom Fonds besitzen und in Ländern, deren Wirtschaft systembildend ist. Soweit die Ukraine in keine der beiden Kategorien fällt, dann wäre der Fall, wenn eine Vertretung des IWF in der Ukraine bleibt, eine Ausnahme von den Regeln.”

“Für einen Ausweg aus den finanziellen Schwierigkeiten optimiert der IWF den Personalbestand oder verkauft er das Tafelsilber?”

“Die Anzahl der Mitarbeiter des Fonds verringert sich bereits. Es ist geplant eine neue Formel der Beibehaltung der Effektivität des Fonds zu entwickeln.”

“Revidiert der IWF seine Prognosen der Entwicklung der ukrainischen Wirtschaft nach den Ergebnissen des Besuchs?”

“Ja, wir arbeiten gerade an einer Präzisierung der Prognosen. Sie werden im ‘World Economic Outlook’ im nächsten Monat veröffentlicht. Wir erwarten, dass die Tempi des wirtschaftlichen Wachstums niedriger ausfallen, als im letzten Jahr und die Inflation wird aufs Neue hoch sein. Wir sehen gleichfalls eine Grundlage für die Verschlechterung der Prognose der Zahlungsbilanz.”

“Das heißt die Prognosen werden nur schlechter”

“Ja, und zwar damit erklären sich auch die künftigen Änderungen, insbesondere die Prognosen der Wirtschaftsentwicklung, der Wachstumstempi welche sich verringern. Dies ist hervorgerufen von der Abbremsung des Wachstums der Weltwirtschaft, insbesondere in den USA und Europa. Die Nachfrage nach den Industrieprodukten der Ukraine wird nicht mehr so schnell wachsen. Außerdem können alsbald in der Ukraine die Folgen der weltweiten Finanzturbulenzen spürbar werden. Der Zugang zu Krediten wird noch schwieriger.”

“Wie hat sich die weltweite Liquiditätskrise auf die Ukraine ausgewirkt?”

“Es ist nicht möglich zu sagen, dass sie sich sehr stark ausgewirkt hat, aber es ist auch nicht möglich zu sagen, dass sie keine Auswirkungen zeigte. Wir haben uns das Spreadwachstum angesehen und an ihnen ist sichtbar, wie stark diese Werte, sogar im Vergleich mit anderen Ländern, sich in den letzten sechs, sieben Monaten vergrößert haben. Dies bedeutet, dass die langfristige Finanzierung schwieriger wird, als früher. Bislang waren diese Folgen sehr begrenzt, da die ukrainischen Banken nur sehr wenig in Finanzinstrumente, wie in den USA, investiert waren. Andererseits, fühlen sich die Märkte für ukrainische Produkte, und dies sind auch Nahrungsmittel, bislang nicht schlecht.”

“Was ruft die hohe Inflation in der Ukraine hervor?”

“Die Hauptgründe für die Inflation kann man auf zwei reduzieren. Erstens, die Erhöhung der Preise für Nahrungsmittel und Erdgas. Diese Quelle hat zeitlichen Charakter. Wir erwarten, dass die Preise für Nahrungsmittel sich bereits in 2008 stabilisieren und der Übergang zu Weltmarktpreisen für Gas am Ende auch diese Quelle des Preiswachstums auslöscht. Eine andere Quelle der Inflation liegt im sehr aktiven Binnenkonsum, welcher in letzter Zeit schneller und schneller wächst.”

“Beschleunigten die Auszahlungen der Sparkasseneinlagen aus UdSSR-Zeiten das Preiswachstum erheblich?”

“Man kann bislang nicht bestätigen, dass dies eine Ausweitung der Regierungsausgaben provozierte und entsprechend die Inflation beschleunigte. Wenn diese Kompensationen in wesentlich kürzerer Zeit ausgezahlt worden wären, dann wäre der Einfluss wesentlich spürbarer.”

“Wir bewerten Sie die antiinflationären Maßnahmen des Ministerialkabinetts?”

“Im Ganzen unterstützen wir den Plan der Regierung, insbesondere bei der Verlangsamung der Binnennachfrage und beim Übergang zu einem flexibleren Wechselkurs der Hrywnja. Doch wir können dem Vorschlag für administrative Maßnahmen bei der Eindämmung des Preiswachstums, soweit wir davon ausgehen, dass Probleme dieser Art so nicht gelöst werden.”

“Bedroht die Entnahme von Geldmitteln aus dem Umlauf die ökonomische Entwicklung des Landes?”

“Eine gute Frage. In der Tat, mit der Reduzierung der umlaufenden Geldmenge, verringern wir die Inflation, doch gemeinsam mit ihr verringert sich auch das Tempo des wirtschaftlichen Wachstums. Doch auch in der vorliegenden Etappe sind diese Schritte unumgänglich – dieses stürmische ökonomische Wachstum basierte auf dem Wachstum der Nachfrage. Und daher muss man das Wirtschaftswachstum auf dem wirtschaftlich vertretbaren Niveau halten, also etwas niedriger als gerade. “

“Wieweit könnte sich das Wachstum des BIP infolge der Verringerung der Geldmenge verlangsamen?”

“Es ist schwer genaue Zahlen zu nennen, soweit uns die genaue Höhe der Geldmenge unbekannt ist, welche aus dem Umlauf genommen wird. Das Einzige, worüber man momentan reden kann ist, dass solange der Fixkurs der Hrywnja (gegenüber dem Dollar) gehalten wird, wird es der Zentralbank nicht gelingen, die Inflation spürbar zu beeinflussen.”

“Welche Folgen wird die Aufwertung der Hrywnja (gegenüber dem Dollar) haben?”

“Ehrlich gesagt, unsere Empfehlungen führen von der Sache her nicht zu einer Aufwertung der Hrywnja. Wir reden von einem flexibleren Wechselkurs – davon, der Hrywnja die Möglichkeit zu geben, sowohl auf- als auch abzuwerten.”

“Wird es in nächster Zeit eine Verringerung des Investitionszuflusses in die Ukraine infolge der Finanzkrise geben”

“Die Investitionen sind sehr aktiv und bislang sind keine deutlichen Signale zu sehen. dass sich die Situation in die schlechtere Richtung verändert. Obgleich, man anerkennen muss, dass dafür, das die Situation weiter günstig bleibt, die Ukraine unbedingt bald Strukturreformen bei der Verbesserung des Unternehmensklimas durchführen muss.”

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1025

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