Ukrainische Banken kämpfen mit (fiktiven) Bankrotten
Die Zahlungsfähigkeitskrise führte dazu, dass die Unternehmen öfter von der Insolvenzprozedur Gebrauch machen, um der Tilgung der Verbindlichkeiten aus dem Weg zu gehen oder um von den Banken vorteilhaftere Bedingungen für die Restrukturierung der Kredite zu erhalten. Im Unterschied zu den vergangenen Jahren sind im Jahr 2009 mehrere große Unternehmen den Weg der Insolvenz gegangen und als problematischster erwies sich der Bereich des Einzelhandels, der sich über Kreditmittel entwickelt hatte. Aber die Banken beabsichtigen nicht die Schulden zu vergessen und ziehen Gerichte für die Verhinderung fiktiver Bankrotte und den Abzug von Aktiva hinzu.
Der Pleite machende Einzelhandel
Seit dem Anfang der Krise sind die Banken mit einem Ausfallanstieg bei Krediten konfrontiert, deren Volumen sich, den Angaben der Zentralbank nach, zum 1. Oktober auf 7,1% des Kreditportfolios oder 54,8 Mrd. Hrywnja (zur Zeit ca. 4,5 Mrd. €) beläuft. Alternative Berechnungen geben weitaus höhere Werte: die Ratingagentur Fitch schätzte das Niveau der Problemkredite auf 34% und die Banker selbst auf 40%. Dabei konstatieren Juristen eine Erhöhung der Insolvenzfälle von Unternehmen, die sich der Zahlung der Schulden entziehen wollen. Die Staatliche Abteilung für Insolvenzfragen berechnete, dass zum 1. Oktober 14.395 das Insolvenzverfahren durchlaufen haben. Allein im September wurden 663 Insolvenzverfahren abgeschlossen: 558 von ihnen wurden mit der Liquidierung des Unternehmens beendet und nur 15 Unternehmen wurden erneut zahlungsfähig und tilgten alle Schulden. 726 neue Insolvenzprozesse wurden im September eröffnet.
Im laufenden Jahr sind unter den Unternehmen, bei denen Insolvenzverfahren eingeleitet wurden, große öffentliche Unternehmen. Mehr als in anderen beobachten Juristen Liquidationen im Bereich des Einzelhandels. Eine der größten Sachen wurde der Bankrott der Charkower OOO (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) MKS, die das Netz zum Verkauf von Computer- und Bürotechnik MKS besaß. Das Unternehmen wandte sich an das Wirtschaftsgericht der Oblast Charkow, welches am 28. Mai die Bankrottprozedur der OOO begann. Das Gericht half dem Unternehmen eine Stundung des Kredites über 16,8 Mio. Hrywnja (z.Z. 12 Mio. €) an die WTB Bank zu erreichen. Die Gründer von MKS entschieden sich ein neues Unternehmen zur die Überführung aller Aktiva zu gründen, doch die Forderungen der Bank wurden trotzdem befriedigt; im Oktober bezahlte MKS die Schulden für die Handelszentren “Moskwa” und “Kosmos” in Charkow.
Das Auftauchen von Problemen im Einzelhandel war erwartbar. “Die Unternehmen des Einzelhandels unterscheiden sich darin, dass sie bis zum Einsetzen der Krise eine sehr agressive Expansionspolitik durchgeführt haben, die ohne Kredite nicht durchführbar wäre. Den Ergebnissen des Jahres 2008 nach betrug ihr Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital 300%, wo es in anderen Branchen der Wirtschaft bei unter 80% lag”, erzählte Andre Bespjatow, Direktor der Analyseabteilung der Investmentfirma Dragon Capital. “Seit Anfang der Krise hat sich sich die Konsumentennachfrage bedeutend verringert, da ein großer Anteil der Kredite der Einzelhändler in ausländischer Währung war, hat der Dollarkurs sich bedeutend auf ihre Arbeit ausgewirkt. Daher wurde die Insolvenz/der Bankrott für viele Handelsketten und Einzelhandelsunternehmen zu einer der Varianten der Umstrukturierung der Verbindlichkeiten”.
Eine nicht einfache Wahl
Die offizielle Insolvenzprozedur erlaubt es den Unternehmen ein Moratorium über die Befriedigung der Forderungen der Kreditgeber zu verhängen und ebenfalls eine Bestätigung eines finanziellen Gesundungsplanes und die Erhöhung der Fristen für die Restrukturierung der Schulden zu erreichen. Diesen Weg wählten die OOO “Rusch” und die OOO “Omega”, die 149 Geschäfte unter der Marke “Ewa”, “Warus” und “Warus-Express” managen. Diese Unternehmen waren unter den ersten Einzelhändlern, die sich selbst für Bankrott erklärten; das Wirtschaftsgericht der Oblast Dnepropetrowsk eröffnete am 12. März das Verfahren und verordnete eine Sanierung mit einer Frist von einem Jahr. Den Angaben der Staatlichen Kommission für Wertpapiere und Wertpapiermärkte, beliefen sich die Schulden der beiden Unternehmen gegenüber Banken und Anleiheinhabern am Ende des Jahres 2008 auf 273,3 Mio. Hrywnja (z.Z. ca. 22,7 Mio. €). Bei den Unternehmen “Omega” und “Rusch” weigerte man sich über die weiteren Pläne zu reden, wie auch einige andere Marktteilnehmer. Entweder wurden die Telefone nicht abgehoben – wie bei Expert Capital, die “O`Key Ukraina” besitzen,- oder es fehlte an der bevollmächtigten Person, wie bei MKS, oder man kommentierte die Situation einfach nicht, wie es der Teilhaber von “Domotechniki”, Sergej Sakrewskij, tat.
Ein Informant des “Kommersant-Ukraine“ bei der SAO (Geschlossene Aktiengesellschaft) “Jewrotek”, die im März die Unternehmensrechte an der OOO “Handelsgesellschaft ‘Intermarket’” erhalten hatte, verkündete, dass der Eigentümer von “Intermarket” mit der Liquidierung begonnen hatte. Die Schulden der Kette betrugen 1,7 Mrd. Hrywnja (z.Z. ca. 142 Mio. €), von diesen waren 880 Mio. Hrywnja (73,3 Mio. €) gegenüber Banken. Verhandlungen über eine Umstrukturierung werden mit der WTB Bank, der PromInvestBank, der PUMB, der UkrSozBank und der UkrEximBank geführt.
Für die Mehrzahl der Bankrotte von Einzelhandelsketten ist charakteristisch, dass es den Banken gelingt Kredite einzutreiben, die gegen eine liquide Sicherheit vergeben wurden. Auf eine Erstattung der Mittel der Einzelhändler können aber die Lieferanten nicht hoffen. Die Kette “O`Key Ukraina” zahlte oder einigte sich auf die Umstrukturierung der Schulden gegenüber Banken über eine Summe von 400 Mio. Hrywnja (ca. 33,3 Mio. €), wo ein großer Teil durch die UkrSibBank und die Bank “Finansy ta Kredit” vergeben wurde. Bei der Bank “Finansy ta Kredit” bestätigte man, dass die Schulden von “O`Key Ukraina” über den Verkauf der Sicherheiten getilgt wurden, die von der Handelskette “Auchan” aufgekauft wurden. Doch die Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten über 130 Mio. Hrywnja (ca. 10,8 Mio. €) wurden nicht bezahlt.
Der Abgang von Spielern aus dem Markt, welche die Krise nicht aushielten, erlaubte es den Konkurrenten ihren Anteil auszubauen. Die Elektroniksupermarktkette “Domotechnika”, die ihren Partnern 477 Mio. Hrywnja (ca. 39,75 Mio. €) schuldete, begann am 5. Mai beim Wirtschaftsgericht von Kiew mit dem Insolvenzverfahren. Von diesen Verbindlichkeiten gingen 371 Mio. Hrywnja (ca. 30,92 Mio. €) auf Kredite, darunter von der Industrialbank, der UkrSibBank, der VAB Bank, der UkrSozBank und der Express-Bank. Bereits im Juni hörte “Domotechnika” auf zu existieren, die Mietrechte an den Geschäften abgebend.
Die Eigentümer der Kette stimmen einer Insolvenz der Aktiva zu, sogar ungeachtet dessen, dass dies wahrscheinlich ihre zukünftigen Geschäfte stören wird. “Wir haben einige Insolvenzverfahren geführt und in der Regel stoppen die hohen Rufrisiken die Unternehmen nicht. Nach einer Sanierung sinkt das Vertrauen von Seiten der Partner und Kunden sehr stark”, sagt der Jurist einer der Unternehmen. “Doch es hat sich bewährt, soweit die Schulden einiger Bankrotte mehrere hundert Millionen Dollar betragen ist es für sie leichter neue Kunden zu finden, als die Kredite zurückzuzahlen”. Zu einem Argument wird auch, bei einer Insolvenz die Zinsen für die Kredite nicht angerechnet werden. In der Praxis treffen die Banken sowohl auf fiktive Bankrotte, als auch auf Bankrottführungen.
Der Druck steigt
Es kommt übrigens auch vor, dass die Banken mit ihren Handlungen die Kunden unabsichtlich provozieren die Schulden nicht zurückzuzahlen, beispielsweise indem sie die Umschuldung verweigern. “Einige Banken treten mit den Kreditnehmern nicht in Kontakt. Oder sie stellen Bedingungen: der Kunde soll jetzt irgendeine Summe tilgen und nur danach wird die Bank über eine Umschuldung sprechen. Auch wenn dieses Versprechen nicht immer erfüllt wird”, betont die Senior-Juristin von “Lawrinowitsch und Partnern”, Irina Muraschko. Die Banken üben auch im Verlauf der Restrukturierung Druck auf die Kreditnehmer aus. “Manchmal lässt die Bank dem Kreditnehmer auch keinen Ausweg. Sie erklärt ihre Bereitschaft Verhandlungen mit dem Kreditnehmer über die Restrukturierung der Schulden zu führen, doch davor sichert sie sich eine vorteilhafte Position, sich mit einem Antrag bei Gericht oder sogar einem Gerichtsentscheid absichernd”, sagt Jelena Woloschina, Leiterin der IFC Vertretung in der Ukraine. “Die Banken machen viele Fehler, denn die Erhöhung der Zinssätze führt zu großen Ausfällen. Für viele Investoren hat alles schnell und traurig geendet”, gibt Walentin Powaljajew, Aufsichtsratsvorsitzender der Bank “Kiewskaja Rus”, zu.
Inna Petrowa, Leiterin der juristischen Verwaltung der BM Bank, nach, gibt es bei allen Banken Schuldner, die über die Bankrotterklärung sich der Rückzahlung der Kredite entziehen wollen. “Unter den Schuldnern überwiegen Geschäftspartner mit ungesicherten Krediten, der Mehrzahl der Insolvenzen geht eine Übertragung der Aktiva an dritte Personen voraus”, erzählt Petrowa. Es hilft auch nicht die Veröffentlichung von Informationen über die Problemkreditnehmer. “Eine Reihe großer industrieller Unternehmen fasst das Insolvenzverfahren als Form der Schuldentledigung auf”, erklärte man beim Pressedienst der “Nadra” Bank. “Die Verbindlichkeiten großer Unternehmen, deren Insolvenz man mit einem bestimmten Wahrscheinlichkeitsanteil zu den fiktiven zählen kann, beträgt 1,285 Mrd. Hrynwja (ca. 107 Mio. €)”.
Um ihre Mittel zurückzuholen, reichen Banker Klagen zur Aberkennung der Geltung von Verträgen über die Übereignung der Aktiva ein und wenden sich an die Rechtsschutzorgane mit Anzeigen, die eine Liste der Strataten enthalten, welche die Funktionsträger in den potentiell bankrotten Unternehmen vollzogen haben. “Für die Verteidigung der Interessen der Kreditgeber sieht der §218 des Strafgesetzbuches eine Verantwortung für einen fiktiven Bankrott vor, darunter Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren mit dem Entzug des Rechts auf die Ausübung bestimmter Funktionen oder bestimmter Tätigkeiten von bis zu drei Jahren”, unterstreicht der Direktor für Rechtsfragen und der Arbeit mit problematischen Aktiva der Alfa-Bank, Sergej Polowko. Juristen raten dazu, die weitere Tätigkeit der bankrottierenden Unternehmen zu verfolgen. “Es kommt vor, dass die Banken vom Bankrott erst hinterher erfahren und nichts ändern können”, erzählt Irina Muraschko. “Falls der Schuldner bereit bankrott erklärt wurde, kann man sich an die Berufungs- und die Kassationsinstanz wenden. Die Hauptsache ist es, eine Beweisbasis darüber zu sammeln, dass der bankrotte Schuldner trotzdem eine unternehmerische Tätigkeit ausübt”.
Jelena Gubar, Weronika Gawriljuk
Quelle: Kommersant-Ukraine