Schiefergas bei Slowjansk - Gefahr für Gasprom?


Die wahren Gründe für den bewaffneten Konflikt in Slowjansk (rus. Slawjansk) unterscheiden sich möglicherweise grundlegend von denen, die der Kreml verlautbart.

Möglicherweise ist Schiefergas der Schlüssel dazu, warum ausgerechnet Slowjansk zum neuen Hot Spot im Gebiet Donezk wurde. Grundlage für diese Vermutung bilden eigene Recherchen der Journalisten von TSN zu dem Geheimprojekt „Jusowka“ (nach John James Hughes, Gründer einer metallurgischen Fabrik in der ursprünglich nach ihm benannten ukrainischen Stadt Jusowka, dem heutigen Donezk). Über dieses Projekt wird in der Ukraine nur ungern gesprochen, da es gigantische Ressourcen birgt, die die Energiekarte der Welt verändern könnten.

Die Umstände weisen darauf hin, dass im Donbass gar kein Kampf für Minderheitenrechte, Föderalisierung, Schutz der russischsprachigen Bevölkerung und der „Patrioten“ von Slowjansk gegen irgendwelche mystischen „Bandera-Faschisten“ und die vermeintliche Kiewer „Junta“ stattfindet. Das alles sind nur Stereotypen, die in den Büros des Kremls erdacht und in die Köpfe der einfachen Menschen im Donbass gelegt wurden, um das wahre Ziel der russischen Spezialoperation zu verschleiern.

So gibt es in der kleinen Stadt Slowjansk weder wichtige Produktionsstätten noch Bergwerke noch Armeestandorte oder wissenschaftliche Institute. Doch die Stadt liegt genau im Zentrum des Gebiets des „Jusowka-Projekts“ – einer Lagerstätte, in der konzentrierte Vorkommen des modernsten Energieträgers des 21. Jahrhunderts vermutet werden – Erdgas, in Tonstein gespeichert, besser bekannt als „Schiefergas“.

Die gigantische Lagerstätte erstreckt sich über Teile der Oblaste Donezk und Charkiw. Nach Expertenangaben könnten die Gasreserven in diesem Gebiet die Energiewirtschaft nicht nur der Ukraine, sondern ganz Europas grundlegend verändern.

„Laut den letzten bestätigen amerikanischen Quellen handelt es sich um 3,6 Billionen Kubikmeter, die klar identifiziert sind und nach Stand der Technik gefördert werden könnten. Das ist eine bedeutende Menge. Denn wenn die Ukraine ihre Förderrate nur um 15 bis 20 Milliarden Kubikmeter erhöht, wird sie bereits zum Erdgasexporteur“, berichtet Oleksandr Chartschenko, Leiter des Forschungszentrums für Energiewirtschaft.

Die Regierung bewacht dieses Projekt mit Argusaugen und wählt ihre Worte bezüglich der Perspektiven des Projekts mit äußerster Sorgfalt. Doch selbst bei dieser Zurückhaltung spürt man den hohen zukünftigen Nutzen für die Ukraine.

„Die Vorkommen sind beachtlich. Es sind mit die größten auf der Welt und in Europa. Nach den vorliegenden Einschätzungen könnten wir unsere Gasfördermenge um 30 bis 40 Prozent erhöhen. Das sind heute 20 Milliarden, rechnen Sie mal, also um ungefähr 10 Milliarden könnten wir sie steigern“, so Juri Prodan, ukrainischer Minister für Energiewirtschaft.

Das Thema ist ein Geheimnis mit sieben Siegeln. Den Vertrag über die Erschließung der Gaslagerstätten unterzeichnete Wiktor Janukowytsch, und die Fäden aller Aktivitäten liefen bei seinem Energiewirtschaftsminister Eduard Stawyzky zusammen. Der ehemalige Präsident und seine Umgebung wollten sich illegale Einnahmen aus den alternativen Gasvorkommen erschließen. Es ging um Milliardensummen. Deswegen möchte das Thema heute keiner der beteiligten Experten aus dem Ministerium kommentieren.

Auch das Förderunternehmen hüllt sich in Schweigen. Im Falle der Lagerstätte von Slowjansk ist dies das holländische Unternehmen Shell. Eine Anfrage der Journalisten wurde förmlich beantwortet, wobei Shell nicht verbirgt, dass das Unternehmen in nächster Zukunft bis zu 200 Millionen US-Dollar für die Aufnahme der Arbeiten an den Schiefergaslagerstätten investieren wird. In einer ersten Stufe sollen 15 Bohrungen errichtet werden.

??„Die ersten noch geringen Gasmengen könnten schon im nächsten Jahr gefördert werden. Das werden einige Millionen Kubikmeter sein. Die großindustriellen Fördermengen in den Milliarden, auf die der Markt derzeit wartet, werden voraussichtlich in 4 bis 5 Jahren erreicht“, erklärte der Experte Oleksandr Todijtschuk, Präsident des Kiewer internationalen Vereins für Energiewirtschaft.

Und genau davor fürchten sich auch die russischen Gasmonopolisten. Das ukrainische Schiefergas ist für Gasprom wie die Nadel für den russischen Koschtschei – eine für Gasprom lebensgefährliche Achillesferse.

Schiefergasvorkommen sollen nicht nur im ukrainischen Osten, sondern auch im Westen erschlossen werden – in der Oblast Lwiw. Dank dessen würde sich die Ukraine schnell des Erdgas-Klammergriffs des Kremls entledigen, da sie dann selbst über die viertgrößten Gasvorkommen in Europa verfügen würde.

„Dies versteht auch Gasprom sehr gut. Gasprom führt schon lange eine zielgerichtete Kampagne, die das Thema Schiefergas in Europa ein für alle Mal beerdigen soll. In diese Kampagne wurden Dutzende Millionen Dollar investiert. In Informationskampagnen, aber auch in den Kampf um Förderrechte. Gasprom kennt seinen Feind, bereitet sich darauf vor, ihn zu vernichten und vernichtet ihn. Und das äußerst erfolgreich“, so Chartschenko.

Schiefergas Gefahr für Gasprom und Grund für russische Legionäre in Slawjansk?

Unterdessen tötet Russland schon ganz unverhohlen unsere Mitbürger auf unserem eigenen Boden. Wobei die Aggressoren das gar nicht als unseren Boden, als irgendjemandes Vaterland ansehen, sondern einfach nur als Territorium, in dem Bodenschätze lagern.

„Der Kampf um diese Territorien … ist letztendlich auch ein Kampf um einen Markt, den man verlieren kann, insbesondere um den Erdgasmarkt“, sagt Todijtschuk.

Moskauer Zeitungen haben mehrfach darauf hingewiesen, dass der Gewinn der Erdgasfirmen unmittelbar in die Taschen von Wladimir Putin und seinem Umfeld fließt. Somit führt die Abtrennung von Teilen des Donbass aus der Ukraine direkt zu den prallsten Taschen Russlands und hat nichts mit „slawischer Einheit“ zu tun.

28. April 2014 // Serhij Schwez

Quelle: TSN.Tyshden

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