Die Verwaltungsreform in der Ukraine – ein Schritt in Richtung EU?


Der erste Schritt ist getan: Das von Kiew deklarierte und von Brüssel vernommene Vorhaben wird realisiert. Der Präsident hat einen Erlass unterzeichnet, der eine Optimierung des Systems der Exekutive beinhaltet. Das könnte der erste Schritt auf dem Weg zu einer Europäisierung des Landes werden, es kann aber auch zu einem Nährboden für einen Rückschlag des Landes werden, zu einer größeren Machtkonzentration und zu einer Reduzierung aller Bemühungen darauf, die Organe zwar richtig zu bezeichnen, aber ihre Arbeitsqualität nicht zu ändern.

In der EU existieren keine einheitlichen Standards im Hinblick darauf, wie sich die Regierung und die Exekutive präsentiert. Jeder Mitgliedsstaat der EU entscheidet, wie viele Abgeordnete die Regierung hat und welche Ministerien und Verwaltungsorgane in dem System existieren. Deswegen ist es auch schwierig, zu beurteilen, ob der jetzige Schritt Kiews dem europäischen Standard entspricht. Die EU wird diese Frage wohl kaum kommentieren.

Die Beschränkung der Ministerienanzahl wird von der EU auf jeden Fall Zustimmung erfahren, gerade weil die Ukraine die zahlenmäßig größte Regierung in Europa aufwies: 26 Kabinette gegen 16 in Deutschland (dem größten Land der EU), 21 in Spanien und 22 in Frankreich. Auch die Verringerung der Ebenen der Exekutive (von 7 auf 4) ist ein richtiger Schritt, weil dies nun ein klareres und verständlicheres System darstellt. Die Reduzierung des Ministerien- und Verwaltungsstaates um 30 Prozent und des Sekretariats der Ministerien um 50 Prozent kann von den Ländern der EU positiv notiert werden, die aufgrund der Wirtschaftskrise die Anzahl ihrer Beamten erheblich verringern mussten.

Zu einer der Hauptfragen für die EU wird das letztliche Ziel der Reformen. Vom formalen Gesichtspunkt aus müsste die EU zufrieden mit dem Beginn eines solchen Prozesses sein, eben weil die Reform des Öffentlichen Dienstes nicht nur auf der Tagesordnung des Treffens zwischen Ukraine und EU stand, sondern auf mehreren bilateralen Dokumenten vermerkt wurde.

Außerdem entsteht so eine Grundlage für die effektive Nutzung des Geldes, das die EU und die einzelnen Mitgliedsstaaten jährlich für die Reform des Öffentlichen Dienstes der Ukraine zur Verfügung stellen (bis zum heutigen Tag wurden mit diesem Geld nur die Löcher gestopft).

Die EU befürwortet die Entstehung zweier neuer Exekutiv-Organe. Die Erschaffung der Staatlichen Migrationsbehörde und der Staatlichen Behörde für Fragen zum Schutz personenbezogener Daten erfüllt auf jeden Fall die Anforderungen im Rahmen der Liberalisierung des Visaregimes in der EU. Dennoch ist es für viele Beamte in Brüssel, wie auch für die in den anderen Hauptstädten der EU verständlich, dass die Schaffung eines Organs nicht automatisch eine effektive Umsetzung seiner Funktion bedeutet.

Viele andere Änderungen, wie beispielsweise eine Reorganisation des Staatsausschusses der Veterinärmedizin oder des Ausschusses für Fragen technischer Regulierung und Verbraucherpolitik in entsprechende Organe werden es kaum schaffen, die EU davon zu überzeugen, dass der Standard in Sachen Gesundheitspflege oder technischer Normen in der Ukraine automatisch aufhört, sowjetisch zu sein. Und gerade diese beiden Organe sind kritisch und wichtig für die Erschaffung einer zukünftigen Freihandelszone in der EU.

Die vorgeschlagene Konzentration der Exekutivorgane unter gesonderten Vize-Premierministern hätte keine negative Reaktion hervorgerufen, wenn es um eines der EU-Länder gegangen wäre. Ein analoges Konzept kann eine bessere Koordinierung in der Politik und ihre Realisierung zu Bedingungen, in denen die Politiker nicht mit der Wirtschaft verwoben sind, erlauben. In der ukrainischen Wirklichkeit kann ein solches System Bedingungen für freiere Benutzung der staatlichen Ressourcen für eine schmalere Gruppe von Menschen erschaffen.

Die umfassende Änderung der Namen der Ministerien und Behörden im Erlass ist kein positives Signal für die EU. Die georgische Praktik, alte Organe zu liquidieren und über Nacht neue Machtorgane zu schaffen, beeindruckt die EU schon lange nicht mehr. Hinter der richtigen Fassade müssen auch die richtigen Funktionen stehen und – was noch wichtiger ist – eine transparente Ausführung. Zwar hilft der Abbau alter Kader bei fehlendem Zulauf jüngerer Politiker in die Staatsmacht den Ministerien nicht, effektiver zu werden, bedeutet jedoch, dass sie verständlicher und akzeptabler für die EU werden.

Und die letzte, doch für die EU nicht weniger wichtige Beurteilung ist das Fehlen von Menschen und Organen, die sich für die Europäische Integration verantwortlich zeigen. Über diese Frage findet man im Erlass kein Wort. Wenn diese Funktion dem Außenministerium der Ukraine übertragen wird, wird das Land in die Neunziger zurückfallen, als sich das Verhältnis zu der EU nur auf die Außenpolitik beschränkte. Dies widerspricht allen vorangegangenen Erklärungen des Präsidenten darüber, dass die Ukraine europäische Reformen durchführt und den europäischen Standard anstrebt. Wenn schon die Koordinationsfunktion dem Premierminister übertragen würde, würde das in der EU gut ankommen. Wobei der Premier natürlich ein qualifiziertes Team für die Erfüllung dieser Funktion braucht.

Welche Risiken gibt es für das Verhältnis zwischen der Ukraine und der EU? Das grundlegende Problem könnte sein, dass die Experten, die den Erlass des Präsidenten ausgearbeitet haben, diesen mit der EU nicht besprochen haben. In ein paar Jahren, wenn der Vertrag über einen Zusammenschluss mit der EU in Kraft treten wird, muss die Ukraine ihre Institutionen in vielen Bereichen reformieren – sie muss sowohl ihre Machtorgane anpassen, als auch Richtlinien und Standards ändern und Funktionen nachbessern.

Wenn die Ukraine sich anschickt, den Vertrag zu erfüllen, dann müssen Erörterungen mit der EU stattfinden. Für die EU bedeutet ein Fehlen dieser, dass die neue Staatsmacht entweder die künftige Notwendigkeit nicht sieht, oder zu viele Reformkapazitäten zur Verfügung hat.

Die Rückführung der Befugnis der Handelspolitik aus dem Außenministerium in das Wirtschafts- und Außenhandelsministerium kann in kurzfristiger Perspektive die Verhandlungen mit der EU erschweren, was die Freihandelszonen angeht. Die Schlüsselfiguren bei den Verhandlungen müssen an ihrem Platz bleiben, um in den EU-Ländern keine Panik hervorzurufen und die Verhandlungen weiterzuführen.

Ein Erlass, der heute unterzeichnet wird, reicht nicht aus, um einen wirklichen Optimismus des Öffentlichen Dienstes gegenüber europäischen Standards hervorzurufen. Der nächste Schritt – ausgehend von den EU-Praktiken – muss eine schnelle Reform der zwei Schlüsselorgane werden, nämlich des Bildungsministeriums und der „weit abgeschlagenen“ Hauptverwaltung des Öffentlichen Dienstes. Genau diese sind nämlich verantwortlich für die Ausbildung von denjenigen, die irgendwann in einer den Europäern verständlichen Sprache sprechen.

11. Dezember 2010 // Olga Schumilo-Tapiola

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzerin:   Corinna König  — Wörter: 990

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