Wera Uljantschenko ist neue Präsidialamtschefin
Wiktor Juschtschenko hat gestern die Vorsitzende der Kiewer Oblastverwaltung, Wera Uljantschenko, zur Leiterin des Präsidialamtes ernannt. Der vom Posten entlassene Wiktor Baloga beschuldigte das Staatsoberhaupt der Inkompetenz, der Ineffektivität bei der Verwaltung des Landes und der “Vetternwirtschaft”, damit die Beziehungen zu diesem vollständig abbrechend. Jetzt konzentriert sich Baloga auf die Arbeit bei “Jedinyj Zentr” und wahrscheinlich wird er zum Präsidentschaftskandidaten dieser Partei.
Gestern gegen Mittag wurde der Ukas von Präsident Wiktor Juschtschenko zur Entlassung des Präsidialamtschefs, Wiktor Baloga, veröffentlicht. Erinnern wir daran, dass Ende letzter Woche der Leiter des Präsidialamtes mitteilte, dass am er am 12. Mai beim Präsidenten seine Erklärung über seinen Rücktritt aus eigenem Wunsche eingereicht hat und am Vortag teilte er mit, dass die Entscheidung endgültig ist (gestrige Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“). Vorher hatte Baloga bekräftigt, dass er im Schreiben an den Präsidenten die Gründe seines Abganges darlegte. Gestern verbreitete dann der Pressedienst der Partei “Jedynij Zentr”, deren Präsidiumsmitglied er ist, Auszüge aus dem Text der Rücktrittserklärung. Der Inhalt dieses Dokumentes erwies sich als überaus unerwartet.
Wiktor Baloga beschuldigte Wiktor Juschtschenko der Begünstigung von Korruption, der bewussten Beschlussfassung zum Schaden der staatlichen Interessen und ebenfalls dessen, nicht einen der Punkte des Vorwahlprogrammes “Zehn Schritte den Menschen entgegen” erfüllt zu haben. “Es wurde nicht eine Systemreform verwirklicht. Korruption und Vetternwirtschaft sind an der Macht, doppelte Standards beim Beschluss von staatlichen Entscheidungen sind an der Tagesordnung. Es ist unangenehm dies zuzugeben, doch Sie haben nichts für eine Reinigung der Macht getan”, konstatierte Baloga.
Übrigens, Hauptfehlkalkulation des amtierenden Präsidenten war, der Meinung von Wiktor Baloga nach, der Fakt, dass Wiktor Juschtschenko 2007 die Ernennung Julia Timoschenkos auf den Premierministerposten zuließ. “Die vorgezogenen Wahlen zur Werchowna Rada im Jahr 2007 gaben die Möglichkeit, um einen politischen Kompromiss, eine Stabilisierung der Regierung zu erreichen. Sie haben diese Möglichkeit nicht genutzt. Sie haben nach der gescheiterten Abstimmung die Kandidatur Julia Timoschenkos erneut eingebracht, obgleich sie dies nicht hätten tun brauchen. Von den Folgen Ihrer Entscheidung wird sich das Land nicht so bald erholen”, sagte Baloga. “Und Sie und Timoschenko können keinen Anspruch auf einen Platz an der Macht erheben. Sie beide müssen gehen … Ich bin überzeugt davon, dass Sie kein moralisches Recht haben, bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten. In jedem Fall, bin ich nicht Ihr Mitstreiter”.
Beim Pressedienst des Präsidialamts kommentierte man den Text, der vom Pressedienst des “Jedynij Zentr” veröffentlicht wurde, gestern nicht. Gleichzeitig bestätigte ein Informant im Präsidialamt dem “Kommersant-Ukraine“, dass das Dokument dem Original entspricht. “Dort gab es genau diese Formulierungen”, versicherte der Gesprächspartner. Bemerkenswert ist, dass am Vortag der Stellvertreter des Präsidialamtsleiters, Igor Pukschin, offiziell den Fakt der Registrierung dieser Erklärung dementierte und der gestrige Erlass des Präsidenten enthält keine Erinnerung daran, dass Wiktor Baloga in Verbindung mit seinem Rücktrittsgesuch entlassen wurde. Es verwundert auch, dass für die Findung des Beschlusses zur Entlassung Balogas Wiktor Juschtschenko sieben Tage benötigte.
“Es gab Verhandlungen und die Situation hätte friedlich enden können”, denkt der Direktor des Instituts für globale Strategien, Wadim Karasjow, der früher Wiktor Baloga beraten hatte. Und der ehemalige Präsidialamtsleiter Oleg Rybatschuk erklärte: “Mir ist bekannt, dass nach Transkarpatien/in die Sakarpathja Boten geflogen sind, die ihn überreden sollten zurückzukehren”.
Der Politologe Kostja Bondarenko hat eine andere Version. Seinen Worten nach, hatte der Präsident die Entscheidung zur Entlassung des Präsidialamtsleiters noch bevor dieser die skandalreiche Erklärung schrieb gefasst. “Meine Informanten bestätigen, dass Wiktor Juschtschenko im April ein Dossier über den Präsidialamtsleiter übergeben wurde, das von Spezialdiensten/Geheimdiensten erstellt wurde. Nach der Überprüfung der Fakten, die in diesem dargelegt wurden, fasste Juschtschenko die Entscheidung zur Entlassung Balogas. Alles nachfolgende – sind lediglich öffentliche Erscheinungsformen”, ist Bondarenko überzeugt.
Wiktor Juschtschenko befand sich gestern in der Oblast Winnyzja. Es war geplant, dass er eine Pressekonferenz gibt, doch in der zweiten Tageshälfte wurde die Veranstaltung abgesagt. Experten gehen in der Meinung auseinander, ob nach diesen harten Anschuldigungen in Richtung des Präsidenten, Wiktor Baloga und Wiktor Juschtschenko politische Opponenten werden, wenigstens für einige Zeit. “Falls nach diesen Erklärungen irgendein Kompromiss möglich wird … Da muss man sich bereits an einen Psychoanalytiker wenden”, denkt der Direktor der politischen und rechtlichen Programme des Rasumkowzentrums, Jurij Jakimenko. “Obgleich man nicht ausschließen kann, dass ihre Zusammenarbeit zukünftig wieder aufgenommen wird. Manchmal muss man sich für eine Vereinigung voneinander abgrenzen. Doch das wird eine andere Vereinigung – nicht auf der Ebene des Chefs und des Untergebenen, sondern auf der Ebene gleichberechtigter Partner beruhend”, betont Wadim Karasjow.
Nach dem Rücktritt konzentriert sich Wiktor Baloga auf den Aufbau der Partei. Der Vorsitzende von “Jedinyj Zentr”, Igor Kril, hält es für möglich, dass auf dem nächsten Kongress der ehemalige Präsidialamtsleiter die Parteiführung übernehmen wird. “‘Jedinyj Zentr’ ist der einzige Gewinner in diesem Konflikt, da sie einen realen Führer erhalten haben”, sagt Karasjow. Er ist überzeugt davon, dass bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen “Jedinyj Zentr” den Kandidaten Baloga aufstellen wird, um sich besser auf einen wahrscheinlichen vorgezogenen Parlamentswahlkampf vorzubereiten. “Die Kritik am Präsidenten wird nicht zur Grundidee an der zukünftigen (Wahl-)Kampagne, das ist ineffektiv. Und von den Kampagnen anderer Kandidaten wird sie sich dadurch unterscheiden, dass sie nicht auf Charisma, sondern auf Charakter aufbaut. Als Variante könnte sich Baloga als die ‘starke Hand’ erweisen, nach der sich die Ukraine sehnt”, teilte der Politologe mit.
Übrigens, andere Experten teilen den Optimismus von Wadim Karasjow bezüglich der Wahlperspektiven des “Jedinyj Zentr” und Wiktor Balogas persönlich nicht. “Baloga hat hohe Ablehnungswerte in der Bevölkerung”, erinnert Jakimenko. “Perspektiven bleiben bei ‘Jedinyj Zentr’ bestehen. Doch muss Zeit vergehen, möglicherweise sogar ein politischer Zyklus, das heißt fünf Jahre, damit diese Ablehnung verschwindet”.
Gestern Abend hat Wiktor Juschtschenko den Erlass zur Ernennung von Wera Uljantschenko – einer der engsten Mitstreiterinnen – zur Leiterin des Präsidialamtes unterzeichnet. Sie arbeitet mit Juschtschenko seit dem Jahr 2000 zusammen und ist Vorsitzende der Kiewer Oblastverwaltung.
Sergej Sidorenko
Quelle: Kommersant-Ukraine
Die Pressemitteilung von “Jedynyj Zentr/Einheitliches Zentrum” findet sich hier.