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Saison der Hexenjagd

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Alles Geheime kommt irgendwann ans Tageslicht. Diese uralte Weisheit fand ihre Bestätigung in Ternopol, wo es in den letzten Jahren wegen politischer Überraschungen brodelt. Neulich verteilte die örtliche WikiLeaks-Seite „Platz für Informationen über Ternopol“ folgende sensationelle Neuigkeit: Familien-, Vor-, und Vatersnamen, Wohnadressen und Telefonnummern von fast 14.000 Ternopolern, welche bei der letzten Präsidentenwahl ihre Stimme vermutlich Janukowitsch gegeben hatten (http://infoprostir.te.ua/?p=1880 – inzwischen entfernt). Daneben die Familiennamen der Mitglieder der Wahlkommissionen, die mit der Wählerschaft „ein bisschen gearbeitet“ haben und die Nummern der Bezirke. Es scheint, als ob die regionale Organisation „Batkiwschtschina“ (Vaterlandspartei) die gewaltige Liste der Leute mit Familiennamen in alphabetischer Reihenfolge unter den Massenmedien verteilt hätte, doch ihre Führung negiert auf jede Weise die Tatsache des Kaufs von geheimen Dokumenten im Stab der „Partei der Regionen“. Die Versuche des Korrespondenten von ZN.UA, Adresse und Telefonnummern des privaten Unternehmens „Platz für Informationen“, das die genannte Seite leitet, zu bekommen, wurden nicht von Erfolg gekrönt.

Über die Massenkorruption der Wählerschaft durch den weiß-blauen Stab bei den außerordentlichen Wahlen des Ternopoler Gebietsrats im März 2009 und bei der Präsidentenwahl 2010 berichtete „Zerkalo nedeli“ seinen Lesern in Ausgabe Nr. 13 vom 7. bis 13. April 2009 und in Ausgabe Nr. 1 vom 15. bis 21. Januar 2010. Das Wesentliche der Technik ist nicht schwierig, dafür aber raffiniert: hinter der beeinflussten Familie wird ein bestimmter Vermerk auf dem Stimmzettel gemacht. In der Wahlkabine fotografiert der Wähler diesen mit seinem Mobiltelefon. Danach zeigt er das Foto einem bestimmten Mitglied der Wahlkommission, der es in seiner Liste überprüft. Für die „richtige“ Stimme wird dann Geld gezahlt. Für größere Sicherheit (und nicht zur Einschüchterung!) wurden Passkopien von den beeinflussten Wählern gemacht.

Diese Tradition wiederholte sich auch bei den Lokalwahlen am 31. Oktober 2010. Inoffiziellen Informationen zufolge wurde den Ternopolern, welche für die Liste und Kandidaten der „Partei der Regionen“ stimmten, 80 Hrywnja gezahlt. Beobachter der Parteien „Für die Ukraine!“, „Swoboda/Freiheit“ und der öffentlichen Organisation „Bürgervereinigung ‚Opora/Stütze’“ bemerkten mehr als zwei Dutzend Markierungen – von Kreuzchen und Kreisen bis zu Sternchen und Buchstaben. Und in den Bezirken wurden die Arbeiter von staatlichen Einrichtungen, unter der Drohung entlassen zu werden, gezwungen, die weiß-blaue Partei und ihre Kandidaten mit verschiedenen Buchstaben zu unterstützen. Mediziner setzten zum Beispiel ein „M“, Bibliothekare ein „K“ für Kultur, die Gewerbepolizei ein „S“ (für sanepidemstanzija) usw. Die in Ternopol versuchte politische Technik des Stimmenkaufs setzte „Jedinyj Zentr“ bei den Wahlen zum Transkarpatischen Gebietsrat ein und erhielt 30 Prozent der Stimmen. Den Vertretern der „Partei der Regionen“ und von „Jedinyj Zentr“ spielte dabei in die Hände, dass in der ukrainischen Wahlgesetzgebung keine einheitliche Art der Markierung am Stimmzettel vorgesehen ist. Dies schuf Raum für Manipulationen während der Stimmabgabe.

Das Auftauchen der „Liste der Bestochenen“ genau in Ternopol erscheint ein wenig seltsam. Insofern nämlich, dass in vier Landkreisen Ternopols der Präsidentschaftskandidat Wiktor Janukowitsch, trotz des zahlreichen Erscheinens von Wählern paradoxerweise bei der zweiten Wahlrunde um 3,9 bis 2 Tausend Stimmen weniger sammeln konnte als in der ersten. Wegen eines banalen Grunds: Die „Partei der Regionen“ vertrieb quasi ihre Wählerschaft, weil sie ihr die für die Stimme versprochene Summe von 100-120 Hrywnja nicht voll auszahlte. Darüber informierte der „Serkalo nedeli“ in Ausgabe Nr. 5 vom 13. bis 19. Februar 2010. Im 165. städtischen Kreis (Ternopol) erhielt Janukowitsch mehr oder weniger ein naturgemäßes Resultat. Im ersten Wahlgang stimmten 10.047 Wähler (8,22%) für ihn, im zweiten 12.470 Wähler (9,8%). In der gigantischen Liste erscheinen fast 14.000 Menschen. Und die kommt nicht aus den Regionen, sondern eben aus Ternopol.

Aller Wahrscheinlichkeit nach nahmen nicht alle in der Liste genannten Geld für ihre Stimme, die sie Wiktor Janukowitsch gaben. Wenigstens bestätigte das zehn von mir befragte Personen auf der Liste keiner. Obwohl man wahrscheinlich ein paar finden würde, die einen bewussten Verstoß gegen die Wahlgesetzgebung gestehen.

Dafür ist offensichtlich, dass die Anhänger der „Partei der Regionen“ mit denen, die mit Janukowitsch sympathisieren und mit denen, die von den anderen Kandidaten enttäuscht wurden, zusammenarbeiten. Diese zu bezahlen war nicht notwendig. Es kommt der Verdacht auf, dass die Gebietsanhänger der „Partei der Regionen“ die Information „aus Ternopol“ selbst ins Internet gestellt haben, um dadurch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der „Agitationsarbeit“, die von ihnen in den Bezirken ausgeführt wird, abzulenken.

Ohne Zweifel war die skandalöse Liste eine Warnung für die Wählerschaft: Verkauft euch nicht! Andererseits zeugt das Auftauchen ähnlicher Listen von bestechlichen, unzuverlässigen und anderen unangenehmen Personen von einer ernsthaften Erkrankung der ukrainischen Gesellschaft. Ternopol wurde erneut berühmt in den Maßstäben des Staates – wie durch die Grippeepidemie, die letztes Jahr genau hier startete und durch den Müll, der nicht weggeführt wurde. In der Stadt begann eine erstaunliche Jagd auf Hexen. Mit einem unbekannten Datum fürs Ende. Massenargwohn und Beschuldigungen, die zu einer gewöhnlichen Erscheinung wurden, werfen unsere Zeitgenossen in das Mittelalter zurück. Die Teilung in schwarze und weiße, „unsere“ und „fremde“ verstärkt nur die Spaltung in der Gesellschaft, schürt den Zorn, vereinfacht die Suche nach „Schuldigen“, aber erschwert das Einsehen der eigenen Verantwortung. Welche Listen noch erscheinen werden bleibt uns nur zu vermuten…

04. Februar 2011 // Roman Jakel

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzer:   Armin Weber — Wörter: 855

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