Werkverträge in der Ukraine. Praktische Aspekte der Durchsetzung


Der Werkvertrag gehört zu den häufigsten Verträgen, in denen die Parteien ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf die Abwicklung gemeinsamer Projekte bestimmen. In der Zeit des schnellen Wachstums der Geschäftstätigkeit haben ukrainische Unternehmen mit ihren ausländischen Partnern eine Vielzahl von Werkverträgen geschlossen. In der letzten Zeit tun sich immer mehr ukrainische Firmen schwer, ihre Vertragspflichten rechtzeitig und ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies hat zur Folge, dass die Anzahl von Rechtsstreitigkeiten wegen der Nichterfüllung von Pflichten aus Werkverträgen deutlich gestiegen ist.

Zum großen Erstaunen ausländischer Unternehmen, die gerichtlich gegen ukrainische Schuldner vorgehen wollen, ist die Tatsache, dass viele Vereinbarungen, die beim Abschluss von Verträgen oder bei der Umsetzung von Projekten zwischen den Parteien in verschiedenen Formen getroffen wurden, von ukrainischen Gerichten nicht beachtet werden. Vorwiegend lassen sich ausländische Unternehmen von ihren lokalen Vorschriften und Handelsbräuchen leiten und vergessen dabei, dass die Verträge öfter dem ukrainischen Recht unterliegen und im Fall von Streitigkeiten vor ukrainischen Gerichten verhandelt werden.

Die Geschäftsbeziehungen werden oft auch auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut, und nachdem sich die Parteien Gewissheit über die Zuverlässigkeit des Geschäftspartners verschafft haben, werden viele Details außer Acht gelassen, um eine schnelle Projektabwicklung nicht zu behindern. Beim Erfüllen von Werkverträgen ist besonders auf die Form der Kommunikation zwischen dem Werkunternehmer und Werkbesteller, Befugnisse und Vollmachten der Vertreter der Parteien sowie die Abnahme von Dienstleistungen zu achten.

Kommunikation

Da ausländische Unternehmen, die mit ihren ukrainischen Partnern gemeinsame Projekte führen, sehr oft über keine Vertretungen in der Ukraine verfügen, wird ein Großteil der Kommunikation per E-Mail geführt. Die Parteien gehen davon aus, dass alle zusätzlichen Vereinbarungen oder Änderungen zu Verträgen, die sie über E-Mail-Verkehr getroffen haben, somit anerkannt worden sind und man sich im Fall eines Streits ohne weiteres auf diese berufen kann. In der Praxis ist aber die Durchsetzung von Rechten aufgrund der elektronischen Korrespondenz in ukrainischen Gerichten ziemlich prekär.

Die Frage, ob E-Mails als Beweisstücke im ukrainischen Wirtschaftsverfahren akzeptiert werden, ist nach eigenem Ermessen des Richters zu entscheiden. Bestätigt die Gegenseite die Führung des E-Mail-Verkehrs, so nimmt der Richter diesen auf jeden Fall in die Prozessakten auf. Andernfalls sind sämtliche maßgeblichen Details zu beachten.

So spricht die Gerichtspraxis (die zwar nicht als Rechtsquelle angesehen wird, für die Verallgemeinerung der Rechtsanwendung jedoch von grundlegender Bedeutung ist) darüber, dass bei der Berufung auf E-Mails die Tatsache wichtig ist, ob die Parteien die Möglichkeit des elektronischen Schriftverkehrs vertraglich festgelegt haben. Wurde die Kommunikation zwischen den Parteien im Lauf der Projektabwicklung mit der Angabe der bevollmächtigten Kontaktpersonen sowie ihrer E-Mail-Adressen (vorzugsweise Firmen-E-Mail-Adressen) im Werkvertrag eindeutig vereinbart, erhöht das die Chancen, dass der Richter den Inhalt der E-Mail-Korrespondenz in Betracht ziehen wird. Ganz wichtig ist auch die Einreichung der E-Mails in der elektronischen Form, z.B. auf einer CD, damit sich das Gericht über die Existenz der Korrespondenz in der Originalform vergewissern und bei Bedarf auch eine sachverständige Begutachtung anordnen kann.

Damit der E-Mail-Verkehr auf der Gesetzesebene als Beweismaterial anerkannt wird, können digitale Signaturen verwendet werden. Die Anwendung der digitalen Signatur bedarf einer Registrierung, welche die gesamte Korrespondenz zwischen den Parteien erschwert und aus diesem Grund nicht sehr verbreitet ist. Sie hilft aber, die Gesamtheit der E-Mails festzulegen und die Person des Absenders zu identifizieren. Diese Methode ist wirksam, sollte aber wegen der Komplexität nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden.

Abnahme der Leistungen

Eine weitere Frage, die bei der Erfüllung von Werkverträgen, insbesondere im Baubereich, eine wichtige Rolle spielt, ist die Abnahme der Leistungen. Die Vertragsparteien einigen sich größtenteils darauf, dass die Bezahlung für die erbrachten z.B. Bau-, Montage- oder Inbetriebnahmeleistungen erst nach der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls erfolgt.

Dadurch ist der Werkunternehmer an die Unterzeichnung des Übernahmeprotokolls durch den Werkbesteller gebunden und, sobald die Leistungen erbracht worden sind, kann der Werkbesteller die Erbringung der Leistungen durch den Werkunternehmer oder deren Umfang bestreiten. Für manche Verträge sind gesetzliche Schutzmittel gegen derartige Handlungen des Werkbestellers vorgesehen. So kann z.B. ein Werkunternehmer, der Bauleistungen erbringt, nach der vollständigen Erbringung der vereinbarten Leistungen ein von ihm unterzeichnetes Übernahmeprotokoll vorbereiten und dem Werkbesteller schicken. Auf diese Weise wird der Werkbesteller aufgefordert, das Übernahmeprotokoll seinerseits zu unterzeichnen. Falls der Werkunternehmer vom Werkbesteller das gegengezeichnete Übernahmeprotokoll nicht erhält, darf er aufgrund des einseitig unterzeichneten Übernahmeprotokolls das Gericht wegen der Werklohnzahlung anrufen.

Grundsätzlich ist aber zu empfehlen, dass beim Abschluss von Werkverträgen, aufgrund derer umfangreiche Dienstleistungen erfüllt werden müssen, vor der Unterzeichnung des Übernahmeprotokolls immer Zwischenprotokolle zu unterschreiben. Am besten sollten die Partien einen Zeitplan für die Erfüllung der Arbeiten vereinbaren und nach jedem Bauabschnitt ein Zwischenprotokoll unterzeichnen. Das kann bei Großprojekten besonders für ausländische Unternehmen ohne Vertretung in der Ukraine, ziemlich mühsam werden. Dennoch erwies sich diese Mühe als berechtigt, denn damit ersparen sich die Parteien viel Zeit und Geld, die in Zusammenhang mit der Feststellung, wer und im welchen Umfang die Leistungen erbracht hat, aufgewendet wurden.

Befugnisse der Vertreter

Ganz wichtig für die Beweisführung im Fall eines Gerichtsverfahrens sind die Vollmachten und Befugnisse der Vertreter, die im Namen der Gesellschaft mit den Vertragsparteien kommunizieren, die mit dem Vertrag verbundenen Unterlagen, Abnahmeprotokolle etc. unterzeichnen.

Sehr oft wird die schriftliche und elektronische Kommunikation nicht vom Geschäftsführer der Gesellschaft selbst geführt, sondern von den Gesellschaftern – den tatsächlichen Eigentümern des Gesellschaftsvermögens, die als eigentliche Entscheidungsträger angesehen werden. Auch Schreiben, Bestätigungen, Abkommen und Übernahmeprotokolle können von Dritten unterzeichnet werden, die zwar in gewisser Weise mit der Gesellschaft verbunden sein können, offiziell aber über keine Rechtsverhältnisse verbunden sind. Dies hat zur Folge, dass die ukrainischen Gerichte viele Dokumente für unwirksam erklären und außer Acht lassen, da die Personen bei ihrer Unterzeichnung ohne die erforderliche Befugnis gehandelt haben.

Aus diesem Grund sollte man immer darauf achten, dass die Unterzeichner sowie Kontaktpersonen, die im Namen der Gesellschaft handeln, über entsprechende Befugnisse verfügen. Diese Information lässt sich aus vielen offiziellen Quellen feststellen, wie z.B. aufgrund der Angaben in staatlichen Registern, aus den Vollmachten oder Bestätigungen der Vertragspartner.

Auf jeden Fall ist es empfehlenswert, sich vor dem Abschluss eines Werkvertrags oder im Lauf seiner Erfüllung über die Besonderheiten und Nuancen, die bei der Erbringung der Leistungen entstehen können, von einem Fachmann beraten zu lassen.

Verfasser: Dmitriy Sykaluk

Autor:   Igor Dykunskyy  — Wörter: 1024

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