Aktion „Nachfolger“?
Es war im Winter 2002. Die Parlamentswahlen kamen näher. In dem damals einheitlichen Fünf-Sterne-Hotel „ Premier-Palace“ im Zentrum Kiew gab Valerij Choroškovsʹkyj einen inoffiziellen Empfang für Journalisten, wo er über das geplante Projekt „Team der Wintergeneration“ für die Zukunft erzählte.
Als er von einem der anwesenden Journalisten scherzhaft gefragte wurde, ob er seine Kandidatur für die nächsten Präsidentenwahlen in 2006 aufstellen möchte, antwortete Choroškovsʹkyj (geboren am 1. Januar 1969) ernsthaft: „ Zu dem Zeitpunkt werde ich schon 35 Jahre alt sein…“
Genau ab diesem Alter darf man kandidieren. Und obwohl sein Name entweder im Jahr 2004 und noch im Jahr 2010 in der Liste stand, heißt es nicht, die Absichten wären verschwunden. Jetzt bekommt er noch mal die Gelegenheit.
Der 18. Januar ist ein schwarzer Tag im Leben von Mykola Azarov gewesen. Präsident Janukovyč entließ Finanzminister Fedor Jarošenko – den letzten Vorposten des Premiers in dieser Regierungskonstellation. Für diese Ministerposition bestimmte Präsident Valerij Choroškovsʹkyj, zu dem Azarov seit langer Zeit eine negative Beziehung pflegt. Im Grunde erschwert Janukovyč mit seiner Entscheidung die Arbeitsbedingungen für den Regierungschef.
Die Entlassungsfrage von Jarošenko stand permanent zu Debatte, und besonders seit letzten Herbst. Damals stellte Azarov ein Ultimatum: Wenn Jarošenko entlassen wird, würde er auch zurücktreten.
Diese harte Reaktion war nicht nur die Folge der Säuberung der Regierung von Azarovs Genossen – Vize-Premier Semynoženko, Gesundheitsminister Mytnyk, und anderen… Ohne „eigenen“ Finanzminister ist jeder ukrainische Premierminister an Händen und Füßen gebunden.
Damals war der Bluff Azarovs erfolgreich. Jetzt ist Jarošenko entlassen. Gleich nach dieser Neuigkeit wurde der Hauptbewerber für die Position Jurij Kolobov angemeldet, der heutige Hauptstellvertreter des Nationalbankdirektors Serhij Arbuzovs.
Kolobov entsprach allen Anstellungsanforderungen der letzteren Zeit. Er war Stellvertreter des Direktors der UkrEximBank, deren Aufsichtsratsvorsitzende Arbuzov war. Und als der letzte der Nationalbankdirektor wurde, bekam Kolobov die Position des Hauptstellvertreters. Das heißt, Kolobov würde genau der Logik der „Familie“ entsprechen, wie die Leute im Finanzministerium verteilt werden sollen.
Aber anstatt Kolobov stellte sich Valerij Choroškovsʹkyj an die Spitze des Ministeriums. Als nächster Schritt sollten in seine Hände das Steueramt und der Zoll als Hauptquelle der Haushaltseinnahmen übergeben werden.
Man sagt, dass Choroškovsʹkyj das Recht nicht nur auf Personalberufung in diesen beiden Institutionen nach Prinzip einer Vertikale, sondern auch auf operative Kontrolle über die beiden Organe haben möchte.
Außerdem ist das Finanzministerium für Choroškovsʹkyj ein Rückkehrticket in die öffentliche Politik, wobei er seine Absichten schon im Jahr 2002 äußerte. Die neue Stelle kann sein Image wiederherstellen, das durch seine Arbeit im Sicherheitsdienst der Ukraine/Geheimdienst (SBU) in den letzten Jahren geschädigt worden war. Als Finanzminister wird er sich im stetigen Kontakt mit dem IWF und der Weltbank befinden, was ihm die Möglichkeit gibt, neue Beziehungen mit der Westelite aufzubauen.
„Da ich Choroškovsʹkyj persönlich kenne, kann ich sagen, dass er in dieser Position seine Effizienz tatsächlich zeigen kann und das viel mehr als SBU-Chef! Und es ist absolut möglich, dass er der nächste Premierminister der Ukraine sein wird!“, schrieb sein ehemaliger politischer Referent Volodymyr Hranovsʹkyj auf Facebook.
Obwohl Choroškovsʹkyj nah der Gruppe von Lʹovočkin und Firtaš steht, ist er ziemlich selbstgefällig in seinem Verhalten. Sonst wäre er nicht in die Regierung von Tymošenko im Jahr 2007 gegangen. Oder ein anderer Fall unvereinbarten Aktionen: Die Geschichte mit dem deutschen Experten Nico Lange, den der Staatssicherheitsdienst zur Persona non grata erklärte. Dafür musste sich Lʹovočkin in Verhandlungen mit ausländischen Diplomaten entschuldigen.
Und noch eins. Während dieser Zeit konnte er mit der Familie von Janukovyč eine gemeinsame Sprache finden. Laut bestimmten Quellen zeigte Choroškovsʹkyj großes Interesse an der Privatisierung der „UkrTelekom“ und mehrmals sprach er darüber mit dem Chef des Staatseigentumsfonds Oleksandr Rjabčenko.
Und falls es sich bald herausstellen wird, dass unter den letzten Begünstigten der Firma, die das Unternehmen „UkrTelekom“ gekauft habe, die Namen von Valerij Choroškovsʹkyj und Oleksandr Janukovyč neben einander stehen, sollte man sich deswegen nicht wundern.
Choroškovsʹkyj und Azarov
Der entlassene Minister Fedor Jarošenko war nicht nur ein Mensch aus Azarovs Mannschaft. Er, als ein klassische Beamter, versuchte zwischen den allen politischen Machtgruppen Balance zu halten, schimpfte mit seinen Unterstellten und gehorchte dem Chef. Und Azarov, der eine administrative Führungsmethode gewohnt war, realisierte seinen Willen durch den Minister. Jarošenko war nur der Ausführende seiner Anweisungen.
Jetzt wird Azarov dieses Werkzeug fehlen. Er wird Choroškovsʹkyj nicht rumkommandieren können. Dessen Antritt bedeutet die Einführung neuer Regeln, wenn das Finanzministerium von einer Person geleitet wird, deren Bedeutung wichtiger ist als die des Premierministers.
Zumal die Geschichte der schwierigen Beziehungen dieser beiden Personen in Erinnerung geblieben ist. So arbeitete Choroškovsʹkyj von Dezember 2002 bis Januar 2004 als Wirtschaftsminister in der Regierung Janukovyč und stritt ständig mit dem damaligen ersten Vize-Premierminister für Finanzen, Mykola Azarov. Ihre Auseinandersetzung wurde öffentlich, als es um die Bildung des Einheitlichen Wirtschaftsraumes mit Russland ging, dessen Anhänger Azarov war. Es dauerte so lange, wie Choroškovsʹkyj nicht kündigte.
Jetzt wird sich die Atmosphäre in der Regierung dadurch verschlechtern, dass diese Ernennung Choroškovsʹkyjs wie ein Zwischenschritt in Richtung des Premierpostens aussieht. Und falls Janukovyč , während er diesen Erlass unterschrieb, diese Absichten nicht hatte, sind derartige Empfehlungen ab jetzt aktiv zu erwarten. Und diese werden nicht nur von Serhij Lʹovočkin, dem Chef der Präsidentenadministration, ausgehen, sondern auch mit Hilfe eines entsprechenden Scheinbildes für den Präsidenten geschaffen.
Darüber hinaus konnte Choroškovsʹkyj einer der ersten Kandidaten in der Liste der Partei der Regionen aus der „Lʹovočkin‘ Gruppe“ stehen. Das Land vermisst einen kreativen und jungen Anführer. Beide Eigenschaften sind ihm eigen, und der Fernsehsender „Inter“, der im Osten des Landes am liebsten angeschaltet wird, wird seine Sendezeit für so einen Politiker gerne nutzen. Im Grunde wird Choroškovsʹkyj in die Nische der „White Collar-Leute“ a la Jacenjuk reingelassen, der nach der Verhaftung von Tymošenko zum Feind Nummer eins für die Partei der Regionen wurde.
Gleichzeitig sind die Mitkämpfer von Azarov Borys Kolesnikov und Andrij Kljujev nicht gerade von dem Antritt des ehemaligen SBU- Chefs begeistert. Choroškovsʹkyj gehört zu der geschäftlichen und politischen Konkurrenz. Zum ersten Mal hat die „RosUkrEnergo“-Gruppe den Zugang zum wirtschaftlichen Regierungsblog erhalten.
Wenn die „Donecʹker“ von Jarošenko die benötigten Transfermaßnahmen aus dem Budget mit Geschrei und Drohung erreicht haben, bei Choroškovsʹkyj werden sie ihre Stimme nicht erheben können.
Vor allem, wenn sie während ihrer Regierungszeit schon geschafft haben einander über den Weg zu laufen, zum Beispiel, im Fall der „Rodovid Bank“. Hier bei der Diebstahluntersuchung der Refinanzierungskosten wurde Volodymyr Artjuch vom Sicherheitsdienst in Haft genommen – die Person, die von Kolesnikov für den Bau des Sportkomplexes NSK „Olimpijskyj“ als Hauptunternehmer bestimmt wurde.
Nach einigen Tagen wurde er aber freigelassen. Und die von Choroškovsʹkyj angekündigte Verhaftung eines Abgeordneten fand überhaupt nicht statt.
Der neue SBU-Chef
Nach der Entlassung von Choroškovsʹkyj wurde die Verordnung über den neuen SBU-Chef immer noch nicht veröffentlicht.
Auf diese Stelle gibt es mindestens drei Bewerber.
Der erste ist Hryhorij Illjašov, der jetzige Direktor des Außengeheimdienstes und Ex-Abteilungsleiter des SBU in Yalta und der Luhansker Region. Die Ehefrau von Illjašov, Olena Lukaš, ist die Beraterin des Präsidenten und in Vergangenheit war sie Stellvertretende der Präsidentenadministration.
Gleichzeitig wollen die Donecʹker den SBU dem ersten Stellvertreter des Generalstaatsanwalts Renat Kuzʹmina übergeben. Nach dem Antritt von Choroškovsʹkyj haben sie nun das Recht von Janukovyč die Stärkung der eigenen Gruppe zu verlangen.
Als es im Jahr 2010 darum ging, Valerij Choroškovsʹkyj auf die Stelle des Finanzministers zu berufen, behielt man im Auge, dass genau Kuzmin den freien Platz des SBU-Chefs bekommt.
Der heutige Staatsanwalt Viktor Pšonka wäre glücklich seinen Stellvertreter in ein anderes Amt umzusetzen. Die Beziehungen zwischen den beiden waren nicht besonders gut. Und der Beweis ihrer Zuspitzung war der Beschluss über die Umsetzung von den Kuzʹmina Leuten, die Staatsanwälte Lensʹkyj und Procenka, in weniger angesehene Positionen.
Aber andererseits, die Ernennung von Kuzʹmina als SBU-Chef schafft zusätzliche Probleme. Erstens: nach dem Tymošenko-Fall ist seine Reputation im Westen verdorben. Zweitens: er zeigte, das er seine eigenen Spiele spielen kann: davon zeugt das Verfahren gegen Kučma. Und ihn aus dieser „Wichtigtuerei“ herausholen musste damals Choroškovsʹkyj, der durch die Klage beim Verfassungsgericht die Tonbänder von Melʹnyčenko bedeutungslos machte.
Und zuletzt kommt der dritte Bewerber. Für die Stelle des SBU-Chefs könnte der erste Stellvertreter von Choroškovsʹkyj Volodymyr Rokytsʹkyj ernannt werden. Diese Variante würde auch dem neugebackenem Minister am besten passen. Denn so kann er auch den SBU nehmen unter seine Fittiche, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass zu den SBU-Kompetenzen die Zolldelikte gehören.
Die Beibehaltung des Status quo hätte eine andere Gruppe im Kreis des Präsidenten am wenigsten zufrieden gestellt – die Donecʹker. Denn in einem informalen System der „Bedeutungen“, die im Staat herrschen, haben sie den Anspruch auf den Ausgleich der Kräfte wegen der Verstärkung seitens Konkurrenz.
18. Januar 2012 // Serhij Leščenko
Quelle: Ukraïnsʹka Pravda