Die Badekappe der ukrainischen Medizin
Wenn ein berühmter und weltweit bekannter Arzt mit allen Auszeichnungen und Ehrentiteln, die es gibt, eine Autorität in der Kardiochirurgie oder in einem anderen medizinischen Bereich, unser Land betritt, kann er hier medizinisch nicht tätig werden.
Denn er hat hier keine Zulassung. Eine Berühmtheit wie er wird genötigt, ein Zertifikat des ukrainischen Gesundheitssystems zu beantragen… So sieht die Realität aus. Er ist berühmt und eine unbestreitbare Autorität – doch er kann nicht praktizieren, aber ein Pseudoarzt wie Sljusartschuk – der kann.
Wenn Sie bei der Gesundheitsbehörde nachfragen, was diese seltsame Situation für einen Staat bedeutet, dessen Arztdiplome sogar in den am wenigsten modernen Ländern der Welt, wie dem Iran, nicht länger anerkannt werden, so wird man Ihnen antworten: „So schützen wir uns vor schlechten Ärzten…“ Sie schützen sich in der Tat. Aber nicht vor schlechten Ärzten, sondern vor fremden. Denn alle Gelehrten arbeiten effektiv und verantwortungsbewusst, um nicht zu einer Konkurrenz von Sljusartschuk & Co. zu verkommen.
Bei uns im Land gibt es außerdem viele Ärzte, die auch Erfinder sind. Das System selbst fördert eine solche kreative Neigung bei unseren Ärzten. Und das sogar bei einem normalen Arzt, der in einem normalen Krankenhaus arbeitet, und nicht der hochintellektuellen Abteilung eines Forschungsinstituts angehört.
Vor gar nicht allzu langer Zeit erfand mein Kollege, Professor Tsch., der in unserem anspruchsvollen Kreise akademischer Pioniere weithin bekannt ist, schnell mal eine unglaublich effektive und einfache Behandlungsmöglichkeit (und augenscheinlich auch Heilungsmöglichkeit) wichtiger neurologischer und psychiatrischer Kindererkrankungen: Die Pneumomassage des Großhirns.
Es ist alles ganz einfach: man stülpt dem kranken Kind eine Badekappe auf den Kopf (Gott sei Dank nicht unter die Schädelknochen) und bläst sie auf. Das Kind schreit vor Schmerz und Überraschung, die Luft wird abgelassen und so wiederholt man es noch einige Male. Und schon haben wir eine Massage. Einfach, aber teuer (jedenfalls für die Eltern, die von der Effektivität dieser Methode überzeugt sind). Ich denke, für diese Erfindung wird Professor Tsch. bald für den Nobelpreis nominiert.
Das knüpft an die Liste der nominierten Nobelpreisträger an, auf der sich schon Julia Timoschenko und Boris Olijnyk befinden. Stellen Sie sich vor, wie stolz wir wären, wenn wir gleich drei Nobelpreisträger hätten: Für Literatur, Medizin und Weltfrieden! Endlich könnten wir anfangen, an unsere nationale Vollwertigkeit zu glauben und aufhören, nur mit einer Erinnerung an Schlechtes oder Schreckliches in unserer Geschichte zu leben.
Ich weiß, meine lieben Leser, ich weiß. Die Methode von Professor Tsch. stammt aus der medizinischen Praxis des fernen Mittelalters. Damals hat man Patienten auch in Ketten gelegt und auf den akkurat rasierten Kopf dem Patienten bedächtig und lange kaltes Wasser getröpfelt.
Auch andere unappetitliche Behandlungsmethoden wurden angewendet. Quetschung und Auseinanderziehung des Schädels, wie im Mittelalter durchgeführt, hatten keinen Erfinder. Zur damaligen Zeit kannten die Menschen noch keine Urheberschaft. Deswegen bestehe ich darauf: Lassen Sie uns Professor Tsch. ins Rennen schicken! Das Gesundheitssystem der Ukraine wird seine Urheberschaft anerkennen, ganz sicher. Das ist die Hauptsache.
Medizinische Wissenschaft existiert wirklich. In anderen Teilen der Erde, nicht bei uns. Es wird dort viel und effektiv geforscht. Dies tun auch Ärzte, zusammen mit Ingenieuren, Mathematikern und Biologen. Aber dort, in den anderen Teilen der Welt, hat ein praktizierender Arzt nicht das Recht, sich auf allgemeingültigen Heilungsstandards auszuruhen. Und wenn eine medizinische Haube nicht zum entsprechenden Behandlungsstandard gehört, kann der ärztliche Schöpfer die Kappe eben nur auf seinem Kopf tragen. Nicht einmal sein eigenes Kind darf sie auf dem Kopf haben. Sonst bedeutet das eine Entziehung der Approbation und eine Gefängnisstrafe.
Unser Land ist da absolut frei. Es wird weder durch medizinische Sinnhaftigkeit, noch durch Rechtsprechung beschränkt. Deswegen gibt es bei uns auch solche Bewerber für den Nobelpreis.
14.02.2012 // Semjon Glusman, Arzt
Quelle: Lewyj Bereg