Das Fahrrad neu erfinden. Die Erfolgsgeschichte des Lieferdienstes DelFast


Bei aller Bequemlichkeit der Suche nach Waren und der Geschwindigkeit der Bestellung haben es Online-Geschäfte immer noch nicht geschafft, eine Bestellung innerhalb einiger Stunden auszuliefern.

Normalerweise wird die Bestellung in ein oder zwei Tagen dem Kunden zugeliefert, innerhalb einer Stunde wird es teuer. Darüber hinaus wird die passende Lieferzeit von dem Kurier bestimmt, nicht von dem Käufer. Im Juli 2014, als der Kurier eines Online-Geschäfts Daniel Tonkopij zum wiederholten Male während einer wichtigen Skype-Konferenz unterbrochen hat, begann Tonkopij darüber nachzudenken, wie man die Logistik im E-Commerce verbessern könnte. Und bereits im November begann sein Startup DelFast die ersten Bestellungen an Kunden von Online-Geschäften in Kiew zu liefern.

Die Einzigartigkeit des Dienstes besteht darin, dass der Kurier die Ware innerhalb einer Stunde liefert, aber der Preis ist wie für eine Lieferung in „ein oder zwei Tagen“. Als Verkehrsmittel wird das Elektrofahrrad benutzt. Selbstverständlich bestimmt die Lieferzeit bei DelFast der Kunde. Das Projekt zog mehrere hunderttausend Dollar an Investitionen in fast in einem Jahr heran. Der Park an Elektrofahrrädern ist auf 85 gewachsen, und nach Kiew entwickelt sich das Geschäft noch in Warschau und Astana. Tonkopij ist gerade dabei Verhandlungen mit Business-Angels zu führen, um eine Million Dollar zusätzlicher Investitionen anzuwerben.

Serienunternehmer

Danil Tonkopij absolvierte die Kasachische Staatsverwaltungsakademie und studierte einige Jahre am MGIMO (Staatliches Moskauer Institut für Internationale Beziehungen). In das technologische Geschäft stieg er aus dem realem Sektor ein. Acht Jahre bis 2009 widmete er der Arbeit im Bereich Geschäftsimmobilien einer kasachischen Erdölholding und einem Moskauer Bauunternehmen.

In 2009 brach die Weltfinanzkrise aus und Tonkopij entschied sich in die Selbstständigkeit zu gehen. Sein Kapital, das er in den Arbeitsjahren auf hohen Posten anhäufte, erlaubte es das zu tun. Im gleichen Jahr ist er nach Kiew gezogen, wo er einen Service für Preisvergleiche und Meinungen über verschiedene Einrichtungen in Kiew ins Leben rief – Best.ua. Das war ein Analog zu den modernen Seiten Foursquare und TripAdvisor. Der Service entwickelte sich gut und konnte 400.000 Dollar anziehen. Im Jahr 2014 hat der Gründer ihn verkauft. Für wie viel und an wen sagt er nicht.

Darüber hinaus starte Tonkopij ein Projekt zur Entwicklung eines Handyspiels zur erweiterten Realität (augmented reality) X-Rift in 2013. Das wäre ein Mehrspieler-Shooter, in dem die Spieler durch die Straßen ihrer Stadt gehen und auf andere Spieler über die Bildschirmen ihrer Smartphones schießen. Jedoch aufgrund der Rückständigkeit der Technologien der erweiterten Realität zu dem Zeitpunkt und der Kostspieligkeit der Entwicklung wurde das Projekt geschlossen.

Keine offensichtliche Idee

DelFast ist zum erfolgreichsten und aussichtsreichsten Projekt von Tonkopij und Sergej Denissenko, dem Gründer des Werbejournals The Best, geworden. Das Projektkonzept, wie es oft bei IT-Unternehmern der Fall ist, entstand im Prozess zur Lösung eines eigenen Problems. Tonkopij machte oft Einkäufe im Internet. Auf die Lieferung der Waren musste man ein oder zwei Tage warten, und sich auf die Zeit einstellen, die dem Kurier passte. Das hat seinen Vorstellungen vom kundenorientierten Service nicht entsprochen. „Wir sind alle ungeduldig. Wenn wir etwas im Internet kaufen, dann haben wir danach schon ein Verlangen“, erklärt Tonkopij.

Er begann darüber nachzudenken, wie man die Lieferzeit auf eine Stunde reduzieren kann und das mit minimalen Ausgaben. „Für 15 Dollar liefert Ihnen jeder die Ware sofort. Wir hatten vor eine Massendienstleistung anzubieten, deren Preis mit der traditionellen Lieferung vergleichbar ist“, erinnert sich der Gründer von DelFast.

Die Lösung war ungewöhnlich: Die Kuriere sollten Elektrofahrräder benutzen. „Zuerst denken alle, man ist verrückt, und in fünf Jahren sagen sie, es war doch offensichtlich!“, kommentierte der Unternehmer.

Um 100 Kilometer mit einem PKW zu fahren, braucht man zehn Liter Benzin und dafür 200 Hrywnja (ca. 6,90 €). Die Fahrtkosten eines Elektromobils Nissan Leaf für 100 km betragen etwa vier Hrywnja, sind also 50-mal billiger. Bei so einem Unterschied ist der massenhafte Umstieg auf Elektromobile nur eine Frage der Zeit, versichert Tonkopij.

Das Fahrrad neu erfinden

Die Umsetzung der Idee haben die Gründer von DelFast mit dem Einfachsten angefangen. In der Suchmaschine Google haben sie das Wort „Elektrofahrräder“ eingegeben. Die ersten 50 Links führten auf die Seiten von Internet-Geschäfte und Lieferanten in der ganzen Ukraine. Die Gründer setzten sich ins Auto und fuhren durch das Land um sich ein Bild zu machen. Die erste Stadt war Nowograd-Wolynskij im Gebiet Schitomir. Dort haben sie ein chinesisches Fahrrad für 600 Dollar gekauft. Der Verkäufer versprach 80 Kilometer Reichweite. „Ich setzte mich auf das Fahrrad, um es zu testen und bin 30 Kilometer gefahren, und dann war die Batterie leer. Ich rufe den Verkäufer an, und frage: “Was ist los?” Es stellte sich heraus, dass es nicht 80 Kilometer sind, sondern bis zu 80 Kilometer, und das nur, wenn man in die Pedale tritt, einen Berg runterfährt und Rückenwind hat“, erinnerte sich Tonkopij.

Dann in Odessa kauften sie eine andere Version eines Elektrofahrrads. Dort fanden sie auch Könner, die drei Bleibatterien anstatt einer in das Fahrrad einbauten. Auch wenn es nun soviel wie ein Motorrad wog, circa 100 Kilogramm, stieg die Reichweite auf bis zu 80 -90 Kilometer Das würde schon für den Arbeitstag eines Kuriers ausreichen.

Die Unternehmer haben weiter mit Batterien experimentiert. Anstelle von Bleibatterien probierten sie Lithium-Ionen-Batterien, die man in Laptops und Handys verwendet. Die sind leichter, aber teurer. Und so kann man mehrere davon auf ein Fahrrad bringen. Im Ergebnis stieg die Reichweite auf 140 Kilometer. Heute in Kiew haben die Unternehmer eine eigene Werkstatt, wo sie Elektrofahrräder produzieren. Sie kaufen selbst Rahmen, Motoren, Batterieelemente und Ersatzteile ein. Bislang produzieren sie nur für den Eigenbedarf.

Ein Elektrofahrrad mit einer Reichweite von 140 Kilometer wird von einer Steckdose innerhalb von vier bis fünf Stunden für jede Ladung mit einem Preis von zwei Hrywnja geladen. Zum Vergleich: die minimalen Kosten eines Motorrads für 100 km sind 2,5 Liter, durchschnittlich – 3-4 Liter oder 50 – 80 Hrywnja. Dazu noch sparen sie bei der Wartung. In den Elektrofahrrädern muss man weder Öl, noch Filter oder Zündkerzen wechseln oder das Getriebe pflegen. Ohne besondere Probleme hat DelFast zwei Winter überstanden. Laut Tonkopij lässt das Batterienvolumen bei Minusgraden bis zu 10-15 Prozent nach, und für den Schutz vor der Kälte bekommen die Kuriere warme Winterjacken, Stiefel, Schutzmasken und Handschuhe.

Daraus wird nichts, aber versuchen kann man es trotzdem

Die ersten Kunden haben die Gründer des Projekts noch vor dem Kauf der ersten Elektrofahrräder gefunden. Tonkopij ging zu den Eigentümern von E-Commerce-Seiten: Jewgenij Sokolnikow (sokol.ua), Wladislaw Tschetschetkin ( rozetka.com.ua), Nikolaj Palijenko ( prom.ua), Dmitrij Lappo (kniga.biz.ua). „Ich fragte danach, wie interessant für sie eine solche Dienstleistung wäre. Man hat immer innerhalb von ein oder zwei Tagen geliefert, und wir, die Emporkömmlinge, bieten eine Stunde Lieferzeit an. Einige haben gelacht, andere haben gesagt, sie würden es versuchen, auch wenn sie denken, es wird nicht klappen. Sokolnikow wollte uns eine Lieferserviceexklusivität für Kiew geben, jedoch schaffte er es nicht, weil er aus dem Geschäft sokol.ua ausstieg“, erzählte Tonkopij. Da die Gründer von DelFast ähnliche Preise wie die Konkurrenten anboten, hat eine Reihe von E-Commerce-Geschäften beschlossen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Der erste Kunde wurde kniga.biz.ua – der Spitzenreiter beim Verkauf von Geschäftsliteratur im Internet. Die Geschäftsführer eröffneten die erste Elektrofahrräder-Station in der Nähe des Lagers des Geschäfts im Stadtteil Petrowka (größter Buchmarkt Kiews, A.d.R.) geöffnet. Am 19.November 2014 wurde die erste Lieferung durchgeführt, und schon nach drei Wochen übernahm DelFast die komplette Auslieferung von kniga.biz.ua.

Nach einem Monat hatte DelFast schon 30 Kunden. Tonkopij sagt, dass die Zahl der Geschäfte um 25-30 Prozent monatlich steigt, deswegen muss man immer neue Stationen öffnen. Zur Zeit sind es fünf Stationen in Kiew. Im November 2015 wurde die erste Lieferung in Warschau gemacht. In Astana startete das gleiche Geschäft als Franchise im Februar 2016. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich in Kiew 55 Elektrofahrräder, in Warschau – 10, und in Astana – 20. Der Wert jedes verbesserten Fahrrads beträgt 1500 Dollar. Das maximale Gewicht der Lieferung beträgt sieben Kilo. Am meisten liefern die Kuriere Elektrowaren der E-Commerce-Seiten f.ua, allo.ua, moyo.ua aus. Eine große Nachfrage gibt es bei der Lieferung von Alkohol und gekochten Krebsen.

Dieser Dienstleister arbeitet auch mit der Privatbank zusammen. Der Kunde beantragt auf der Bankhomepage einen Kredit, und wenn die Bank diesen genehmigt, bekommt der Kunde innerhalb einer Stunde die Kreditkarte zugeliefert.

Nach Berlin

Der Preis für die Lieferung bei DelFast kostet 85 Hrywnja (ca. 2,93 €) innerhalb einer Stunde, 60 Hrywnja – innerhalb drei Stunden. In der Firma arbeiten zehn Verwalter und ungefähr 70 Kuriere, angefangen hat es mit zwei Männern – Danil Tonkopij und Sergej Denissenko. Durch die Gemeinschaft startup.ua haben die Unternehmensgründer 40.000 Dollar für ihre Geschäftsidee angeworben. Für dieses Geld haben sie die erste Station im Stadtteil Petrowka und 20 Elektrofahrräder gekauft. Als nach einem Monat das Geschäft schon 30 Kunden hatte, konnten die Geschäftsführer noch 250.000 Dollar aus der Venturafonds Imperious Group anziehen. Die Gründer von DelFast haben Berlin, Rom und Paris im Visier. Dafür werben sie um Investitionen von einer Million Dollar. „Für den Erhalt eines Teils dieser Summe haben wir die Bestätigung von einigen Business-Angels“, fasst Tonkopij zusammen.

29. März 2016 // Wsewolod Nekrassow

Quelle: Ekonomitscheskaja Prawda

Übersetzerin:    — Wörter: 1533

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und per täglicher oder wöchentlicher E-Mail.