Igor Guglja ist der Generaldirektor von GT Partners Ukraine. Dieses Unternehmen beschäftigt sich mit der Untersuchung der Einzelhandelsmärkte, des Markts der Waren des täglichen Bedarfs und des Immobilienmarkts. Es existiert seit 2008 und richtet seine Aufmerksamkeit auf sich entwickelnde Länder.
Vorher arbeitete Igor Guglja bei der Pakko Holding und der Volwest Group. Das sind Betreiber von Lebensmitteleinzelhändlern. Seine Ausbildung erhielt er an der Wolhynischen Staatsuniversität an der Fakultät für internationale Beziehungen.
Im Interview mit LB.ua erzählt Igor Guglja über die Hauptmarktteilnehmer beim Lebensmitteleinzelhandel in der Ukraine, die Entwicklungsperspektiven, über die Konkurrenz und die Verbreitung der eigenen Markenketten und den Onlinehandel mit Lebensmitteln.
Wie ist der Lebensmitteleinzelhandel in der Ukraine heute charakterisiert?
Wenn man es kurzfasst, dann gibt es heute im Markt zwei Hauptspieler – den ATB-Market (Dnepr) und die Fozzy Group (Kiew). Von Jahr zu Jahr setzen sich diese beiden Anbieter immer weiter von den anderen ab. Sie tauschen nur die Plätze in Abhängigkeit von den Umsatzerlösen. Beispielsweise war die Fozzy Group vor vier Jahren Umsatzführer, danach der ATB-Market. Für 2016 liegen die Ergebnisse noch nicht vor, doch höchstwahrscheinlich behält ATB die Marktführerschaft.
Welcher Marktanteil geht auf diese beiden Firmen?
Für 2016 haben noch nicht alle Ketten ihre Umsatzdaten bereitgestellt. 2015 lag der Anteil des ATB-Market bei 9,8 Prozent des gesamten Einzelhandelsvolumens (nicht nur Lebensmittel), der der Fozzy Group bei 9,7 Prozent. Das zeugt davon, dass es viele Konkurrenten im Markt gibt, welche die übrigen Teile des Marktes unter sich aufteilen. Wenn unter einer Handelskette ein Unternehmen mit mehr als zwei Selbstbedienungsläden verstanden wird, dann gibt es davon derzeit etwa 150.
Gibt es prinzipielle Unterschiede zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel in der Ukraine und dem in den Nachbarländern?
Wenn wir den ukrainischen Markt mit dem russischen vergleichen, dann gleichen wir uns hier in vielem. In Russland sind im Markt ebenfalls eine Vielzahl von Anbietern präsent, während zwei Unternehmen die Lokomotiven sind – die X5 Retail Group und Magnit.
Den Lebensmitteleinzelhandel in Polen haben seinerseits ausländische Unternehmen monopolisiert – Tesco, Carrefour und andere. Marktführer in diesem Land ist die Biedronka-Kette, obgleich sie einen polnischen Namen trägt, wird sie aus Portugal gemanaged. Führende Anbieter mit Investitionen aus Polen gibt es da sehr wenige.
Was meinen Sie, wird sich unser Markt dem polnischen Szenario gemäß entwickeln?
In nächster Zeit wird der ukrainische Markt seinen eigenen Weg gehen. Wenigstens ist ein massenhafter Ansturm ausländischer Anbieter in den nächsten Jahren nicht zu erwarten.
2012 schrieb Forbes Ukraine, dass die ATB-Kette von Anfang an für den Verkauf an den ausländischen Anbieter Lidl aufgebaut wurde. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit gerade, dass das Unternehmen jetzt verkauft wird?
Es ist gut möglich, dass die Kette verkauft wird, wenn auch nicht in den nächsten Jahren. Höchstwahrscheinlich können Lidl oder Aldi (oder andere Vertreter des Discount-Formats aus dem Ausland) nur so in die Ukraine kommen. Ich sehe diesen Weg nur über das Schlucken eines der existierenden Anbieter durch sie.
*Wird im Markt der Eintritt neuer ukrainischer Markenverkaufsketten erwartet?
Kaum. Immerhin hat sich der Markt in den vergangenen 15 Jahren herausgebildet, daher wird es sehr schwer werden eine Kette von Null auf aufzubauen.
Wie erfolgreich sind die Ketten bei der Verbreitung der eigenen Handelsmarken?
Der Markt der eigenen Handelsmarken entwickelt sich in der Ukraine hinreichend dynamisch, obgleich wir noch lange brauchen um die Verkaufswerte der westeuropäischen Länder zu erreichen. Bei Fozzy liegt der Anteil der Eigenmarken an den Verkäufen bei 10 Prozent, bei ATB übersteigt er 20 Prozent, wo dieser Wert im Westen bei 30 Prozent und mehr liegt. Außerdem sind in der Ukraine keine Ketten der harten Discounter vertreten, die Lokomotiven bei den Verkäufen von Eigenmarken sind.
Die Top Fünf Marktführer des Lebensmitteleinzelhandels in der Ukraine nach den Verkäufen bei Eigenmarken, 2015
Nr. | Unternehmen | Ketten | Warenumsatz in Millionen Hrywnja | Prozentualer Anteil der Eigenmarken | Warenumsatz der Eigenmarken in Millionen Hrywnja |
---|---|---|---|---|---|
1. | ATB-Market GmbH | ATB | 46.700 | 24,2 | 11.300 |
2. | Fozzy Group | Silpo, Fora, Fozzy, Le Silpo | 45.000 | 10,0 | 4.500 |
3. | Metro Cash & Carry Ukraine | Metro Cash & Kerry | 9.000 | 11,2 | 1.008 |
4. | Tawija W GmbH | Tawrija W, Kosmos | 7.800 | 12,0 | 936 |
5. | Omega GmbH | VARUS | 6.700 | 10,0 | 670 |
Stellen die Lebensmittelmärkte eine Konkurrenz für die Geschäfte dar oder bereits nicht mehr? Kann ihr Anteil heute geschätzt werden?
Ja, sie stellen noch eine Konkurrenz dar. In den Ortschaften, in denen die Lebensmittelketten schlecht vertreten sind, bleiben die Basare in der Bevölkerung populär. Tatsächlich lässt sich in den Großstädten eine abnehmende Tendenz des Anteils der unzivilisierten Einzelhändler beobachten. Spontane Basare basieren auf Schwarzgeld, daher ist eine Schätzung ihrer Verkäufe schwer. In Kiew sind die Anteil ungefähr so: 70 versus 30 Prozent zugunsten des zivilisierten Einzelhandels. Insgesamt in der Ukraine 50 zu 50 Prozent.
Wie erfolgreich handeln die Lebensmittelketten online?
Der Verkauf von Lebensmitteln über das Internet befindet sich in der Ukraine in einem frühen Entwicklungsstadium. Man kann nicht davon sprechen, dass die Onlineverkäufe irgendeinen ernsthaften Anteil am allgemeinen Umsatz der Ketten haben. Nichtsdestotrotz haben bereits etwa 15 der traditionellen Lebensmitteleinzelhändler in der Ukraine bereits ihre eigene Onlineplattform, während das in Polen praktisch bereits alle haben. Der Vorsprung der anderen Länder zur Ukraine ist hier größer als beim Gesamtmarkt.
Wer führt beim Internethandel?
Ich wiederhole, dass in diesem Markt die Verkaufsvolumina nicht sehr groß sind. Wenn wir von Marktführern reden, dann ist in erster Linie der Service Zakaz.ua zu nennen. Das ist eine Internetplattform, die den traditionellen Einzelhändlern, solchen wie Auchan, Novus, Metro, Fozzy einen Platz für den Onlinehandel bereitstellt. Unter den großen Ketten haben Furshet und Tawrija W eigene Internetgeschäfte, während Markführer wie ATB und Silpo bisher keine Onlineplattformen haben.
Nach dem Beginn des Krieges im Osten der Ukraine ist nicht eine Handelskette aus dem ukrainischen Markt komplett ausgestiegen. Heißt das, dass sie dort schwach vertreten waren?
Der Krieg im Donbass wurde nicht zum Anlass dafür, dass die Einzelhändler damit begannen massenhaft den Markt zu verlassen. Ja, sie haben den Markt dieser Region verlassen, doch nicht den Gesamtmarkt Ukraine. Nichtsdestotrotz verschwanden in den letzten Jahren einige Ketten beispielsweise Kraj/Krajina, Bimarket, Barwinok. Führende Anbieter sind nicht verschwunden. Alle, die gingen, mit Ausnahme der Amstor-Kette, die sich aufteilte, im Osten in den Händen anderer Aktionäre bleibend, befanden sich außerhalb der Top-10.
In Verbindung mit den Aufrufen keine russischen Produkte zu kaufen, hat sich der Anteil russischer Waren im Markt verringert?
Die Anbieter reden nicht sehr gern darüber. Mir scheint, dass die Verkäufe nicht besonders zurückgingen, denn der Anteil russischer Waren am Gesamtsortiment war nicht besonders groß. Insgesamt sind die ukrainischen Unternehmen und Konsumenten an diese Frage unterschiedlich herangegangen. Einerseits wurden „russische“ Orbits und Snickers boykottiert. Andererseits wurde Rollton keine Aufmerksamkeit geschenkt, die ungeachtet, dass sie in der Ukraine hergestellt werden, einem russischen Unternehmen gehören. Doch insgesamt bin ich dagegen, dass die Politik aus den Arbeitszimmern in die Regale der Geschäfte übertragen wird.
Können die Ketten die Großhandelspreise beeinflussen?
Eindeutig. Eine Kette kann einen Hersteller bitten den Preis zeitweilig oder ständig zu senken. Je größer die Kette, um so mehr kann sie kaufen. Die führenden Anbieter mit einer großen Kaufkraft können ihre Interessen durchsetzen, auf die Lieferanten und Hersteller Druck zur Senkung der Preise ausüben.
10. April 2017 // Jelena Rjabitschewa
Quelle: Lewyj Bereg
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