Die Gas-Lieferwege von Naftogas
Neue Lieferanten europäischen Erdgases in die Ukraine sind die Deutschen, ein Favorit Arsenij Jazenjuks und Freunde Wiktor Orbans.
Unter jeder Regierung der Ukraine waren die Lieferwege von Erdgas in das Land eine der schärfsten Fragen. Noch in den 90ern dröhnten die Namen “Iter” und “EESU”, und gemeinsam mit ihnen auch die Schüsse. In den 2000ern gab es die Zwischenhändler “RosUkrEnergo” und die “Gaskriege”.
2009 – 2010 gab es den Vertrag Julia Timoschenkos und die Charkower Vereinbarungen, die den Beginn der Regierung Wiktor Janukowitschs kennzeichneten.
2013 wurde der Gasrabatt zu einem der Elemente der Absprachen Janukowitschs mit Wladimir Putin nach der Ablehnung der Unterzeichnung des Assoziationsabkommens mit der EU. Diese Abkommen katalysierten unter anderem die Ereignisse des Maidan.
Nach dem Antritt der jetzigen Regierung und dem Beginn der Kampfhandlungen mit Russland (offiziell ATO) ertönte mit aller Macht das für den ukrainischen Ottonormalverbraucher neue Wort “Diversifikation”.
Um die Abhängigkeit von der russischen Gasprom und den Vertragspreisen aus dem “Timoschenko-Vertrag” zu verringern, nutzte die Regierung Arsenij Jazenjuk zu Beginn aktiv das Schema der sogenannten Revers-Lieferungen aus Europa. Einen Teil der Menge kauft die Ukraine über die Gesellschaft Naftogas bei Gasprom, einen anderen Teil bei europäischen Konzernen (RWE, EON, StatOil, GDF usw.).
Entsprechend einer Mitteilung von Nefterynok fiel die Gasförderung von Ukrgasdobytscha 2015 um drei Prozent. 2014 betrug der Rückgang annähernd 450 Millionen Kubikmeter.
Die Idee der Lieferdiversifikation ist nicht neu. Noch 2013 begann die Regierung Nikolai Azarows und Janukowitschs, Revers-Lieferungen aus Ungarn, der Slowakei und Polen zu organisieren.
Gründe gab es einige. Erstens – der außerordentlich hohe Preis von Gasprom, festgeschrieben im Vertrag Timoschenkos. Zweitens – die spürbare Abkühlung der Beziehungen zu Moskau, unter anderem nach der Unterzeichnung der Verträge mit Shell und Chevron. Gasprom reagierte äußerst negativ auf die Versuche Kiews, Lieferungen aus Europa zu organisieren.
Die aktive Umsetzung der Revers-Lieferungen der bereits neuen ukrainischen Regierung rief ernsthafte Gegenreaktionen Gasproms hervor. Russische Medien errechneten, dass die nicht gelungenen Versuche des russischen Konzerns, diese Lieferungen in die Ukraine zu unterbinden, 2014-2015 5-6 Milliarden Dollar kosten.
Bei wem und zu welchen Bedingungen kaufte die Ukraine in der letzten Zeit? INSIDER veröffentlichte bereits eine Liste von Lieferanten des blauen Brennstoffs in die Ukraine 2014.
Der größte Lieferant blieb Gasprom, der russische Konzern lieferte ca. 70 Prozent des importierten Gases in die Ukraine. Führende Lieferanten aus der EU war RWE, die französische GDF, die norwegische StatOil und die deutsche EON.
Doch unausgesprochen bleibt die Frage des Preises des europäischen Gases. Offen zugängliche Informationen zu den realen Kosten des von Naftogas importierten Erdgases sind nicht zu finden. Diese Geschäfte fallen nicht unter das Gesetz über staatliche Einkäufe. Die Gesellschaft veröffentlicht keine monatlichen Zahlen zu den Einkäufen bei konkreten Lieferanten und nennt weder deren Namen noch die Mengen.
Die einzigen öffentlichen Quellen zu Informationen über Preise des Importgases sind die Daten des Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Handel, das monatliche Durchschnittspreise des Importgases im Rahmen der Verzollung veröffentlicht, und Goskomstat, das die Daten direkt von Naftogas erhält.
Vertreter des Staates, sowohl aus der Mannschaft Präsident Poroschenkos als auch aus der von Ministerpräsident Jazenjuk, bestätigten mehrmals, dass der Preis der europäischen Lieferanten niedriger ist als der Gasproms. Wie Quellen aus dem Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Handel und der staatlichen Finanzverwaltung INSIDER versicherten, war dies 2014 korrekt.
Doch im ersten Quartal 2015 tauchten neue Lieferanten von Gas aus der EU auf. In erster Linie ist dies die Firma Noble Clean Fuels Limited (Noble CFL), registriert im Vereinigten Königreich.
Ebenso begann Naftogas aktiv bei dem Unternehmen TrailStone GmbH Gas einzukaufen, registriert in Deutschland. Bei diesem Händler kaufte die Gesellschaft Ende 2014. Aber bereits im ersten Quartal 2015 kaufte die Ukraine bei TrailStone zweieinhalb mal so viel Gas wie im gesamten vorigen Jahr.
Diese Firmen waren laut Informanten von INSIDER bei der Finanzverwaltung auch die günstigsten, und zwar nicht nur beim europäischen Gas.
Neue Händler
Von Januar – März 2015 kaufte Naftogas laut unserer Quellen über zwei Milliarden Kubikmeter bei Gasprom. Der gewichtete mittlere Verzollungswert (weiter Preis) betrug 332 Dollar für tausend Kubikmeter. In der gleichen Zeit betrug der Preis bei Noble CFL und TrailStone, bei denen Naftogas 304 bzw. 584 Millionen Kubikmeter Gas kaufte, 343 bzw. 317 Dollar pro tausend Kubikmeter.
Der mittlere gewichtete Preis der übrigen europäischen Lieferanten, zu denen RWE, GDF, EON und andere gehören, reichte von 226 – 314 Dollar für tausend Kubikmeter.
Wie die Statistik zeigt, die sich bei der Reaktion eingefunden hat, sparte Naftogas mit den europäischen Lieferanten 14,5 Millionen Dollar im Vergleich zu Gasprom.
Im Februar kostete das europäische Gas Naftogas 50,6 Millionen Dollar mehr als das von Gasprom (mengenbezogen). Im März bereits war der Preisvorteil wieder auf Seiten des europäischen Gases (die Preise vom Zoll wurden Mitte April veröffentlicht), was Naftogas eine Ersparnis 116,8 Millionen Dollar einbrachte.
Trotzdem erklärte bereits am 13. Februar der Leiter der Gesellschaft, Andrej Kobolew, in einem Interview mit dem Serkalo Nedeli”, dass es dank der Einkäufe in Europa “gelang, allein im Februar dem Land 100 Millionen Dollar zu sparen”.
Wie sich gezeigt hat, war die Situation im Februar nicht ganz so.
Laut den Quellen in der Finanzverwaltung erwarb Naftogas im Februar etwa 1,2 Milliarden Kubikmeter Gas aus Europa.
Rekordhalter nach Preis waren im Februar die besagten TrailStone und Noble CFL, deren Gas die Gesellschaft 402 bzw. 388 Dollar pro tausend Kubikmeter kostete. Das ist 68 bzw. 60 Dollar teurer als bei Gasprom und 27 Dollar teurer als der gewichtete Preis der übrigen europäischen Lieferanten.
Die Summe der “Überzahlung” für das Gas und deren Transport von den beiden Unternehmen betrug im Februar 20 Millionen Dollar im Vergleich zu Gasprom.