Gaskrieg: Nachlass für Gasprom und Hilfe für Moldau


Die Ukraine hat im Rahmen der Konfrontation an der Gasfront zwei Schritte unternommen. Und, das muss gesagt werden, zwei äußerst gelungene Schritte.

Der erste: Die Ukraine hat erklärt, dass sie Gasprom einen Nachlass für die Durchleitung zusätzlicher Gasmengen zur Verfügung stellt. Einen Nachlass von 50 Prozent.

Ein Nachlass für Gasprom mag als ein typischer Verrat erscheinen. Ist es aber nicht.

Worum geht es? Putin ist zur direkten und offenen Erpressung Europas übergegangen. Er sagt, dass er Europa keine zusätzlichen Gasmengen zur Verfügung stellt, solange es kein endgültiges grünes Licht für Nord Stream 2 gibt. Er will den Energieschock nutzen, die Krisensituation im Energiesektor in der EU. Ein typischer Putin also.

Dabei schickt Putin kein Gas durch die ukrainische Röhre. Mit der Begründung, dass die ukrainische Röhre nicht zuverlässig sei und überhaupt sei es teuer.

All das ist natürlich Blödsinn. Die Havarie-Anfälligkeit des ukrainischen Systems ist um etliches niedriger als die Havarie-Anfälligkeit der russländischen Pipelines. Und von wirtschaftlich ungünstigen Transitbedingungen zu sprechen, während der Gaspreis über 1.000 Dollar liegt, kann man nur, wenn man alle rundum für Idioten hält. Wieder ein typischer Putin.

Was macht die Ukraine? Die Ukraine sagt, dass sie bereit ist, den Transit billig zu machen. Wir geben einen Nachlass von 50 Prozent. Auf die zusätzlichen Kapazitäten. Und bringt Putin in eine dumme Lage. Was für ihn, den Empfindlichen, nichts Neues ist, aber dennoch. Indem die Ukraine diesen Nachlass anbietet, zeigt sie, dass in den Handlungen Putins und Gasproms keine wirtschaftliche Logik liegt. Nur eine politische. Und dass Putin allein aus politischer Zweckmäßigkeit die Krise in Europa verschlimmert.

Wird Putin das Angebot nutzen? Natürlich nicht. Das erwartet auch niemand. Aber damit lässt Putin klar erkennen, dass er Gas und Nord Stream 2 als Waffe nutzt. Und damit die Chancen für Sanktionen erhöht. Und dabei wieder und wieder die Frage aufwirft, dass Russland, genau Russland ein unzuverlässiger Partner ist. Während die Ukraine gerade ein sehr zuverlässiger ist. Und bereit ist, die EU im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten zu unterstützen.

Unterm Strich trifft die Ukraine Putin schmerzhaft ohne etwas zu machen.

Nun, und zu Moldau. Die Ukraine hat Moldau Gas gegeben. Auf Pump. Das sieht auf den ersten Blick auch wie ein typischer Verrat aus, vor dem Hintergrund der Gespräche über das Loch in unserem Energiehaushalt für diesen Winter.

Aber nein.

Nein, das Loch gibt es. Potenziell. Aber es gibt keinen Verrat. Und die Unterstützung Moldaus, mit dem Faktor Tschaus [nach Moldau geflohener ukrainischer Richter, der vom ukrainischen Militärgeheimdienst entführt und zurück in die Ukraine gebracht wurde, was die Beziehungen zwischen Kiew und Chisinau belastet. A.d.R.] oder ohne ihn, ist ein richtiger strategischer Schritt.

Moldau ist jetzt unter Druck durch Russland geraten. Wie immer, wenn in einem Nachbarland Russlands, in der Zone, in der Russland sich für den Chef hält, eine pro-europäische Regierung an die Macht kommt, die Reformen anstrebt, kommt es zu Problemen mit Gasprom. Moldau hat aktuell eine solche Regierung. Sowohl eine solche Präsidentin als auch eine solche Regierung. Einst wurde Chile von Chikagoer Jungs aus der Armut herausgezogen – jetzt wird Moldau von Harvard-Mädels angeführt (darin ist kein Tropfen Sexismus, sucht nicht einmal danach. Das ist höchsten Neid auf Moldau.)

Im Ergebnis macht Moskau alles, damit es nicht zu einem Erfolg Moldaus kommt. Und inszeniert Probleme. Gas ist die Hauptwaffe Moskaus. Und einen Konflikt mit Gasprom durchzustehen ist für Moldau äußerst wichtig. Und wichtig für uns. Der Erfolg Moldaus jetzt ist auch ein Erfolg der Ukraine. Ein Erfolg Moldaus ist äußerst wichtig für die Ukraine. Ein pro-europäisches Moldau ist ein natürlicher und verlässlicher Verbündeter der Ukraine. Ein erfolgreiches Moldau ist ein Beispiel für die Ukraine, wie Reformen funktionieren.

Wie Gas zur Verfügung stellen, wenn es für uns selbst nicht reicht? Erstens reicht es derzeit. Probleme können im Januar-Februar beginnen. Und bis dahin ist eine Erstattung durch Moldau vorgesehen. Und zweitens ist diese Gasmenge lächerlich klein und macht keinen großen Unterschied.

Somit können wir mit einer kleinen Hilfe viel gewinnen.

Wir können also, wenn wir wollen.

23. Oktober 2021 // Serhij Fursa

Übersetzung durch Martina Steis.

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