"Gewandter, fanatischer Slawe": Wie die Nazis Stepan Bandera charakterisierten
„Gesamteindruck: ein gewandter, zäher, fanatischer Slawe. Seiner Idee bis zum Letzten verschworen. Im Augenblick für uns unerhört wertvoll, später gefährlich. Haßt sowohl Groß-Russen wie Deutsche.“
Dreimal – im Jahre 1942, 1943 und 1944 feierte der Führer der OUN (Organisation Ukrainischer Nationalisten) seinen Geburtstag in Nazi-Gefangenschaft. Er wurde am 5. Juli von der Gestapo verhaftet, um den „Akt der Vereinigung“ des ukrainischen Staates am 30. Juni zum ursprünglichen Zustand zu erzwingen.
Der Führer der Nationalisten beharrte jedoch auf seinem, somit wurde Bandera im Januar 1942 aus dem Berliner Gefängnis in die Spezialeinheit „Zellenbau“ des Konzentrationslagers Sachsenhausen überführt.
Am 27. September 1944 wurde er aus der Haft entlassen. Grund hierfür waren Veränderungen in der Haltung zur „ukrainischen Frage“ im Dritten Reich. Erst nach dem Rückzug aus der Ukraine versuchten die Nazis die Selbstständigkeits-Kreise der Ukrainer für sich zu gewinnen, um die Feindseligkeit gegenüber dem kommunistischen Regime wissend.
Die Antikommunisten unter den sowjetischen Republiken wollten die Nazis zunächst unter der Leitung des ehemaligen sowjetischen Generals Andrej Wlassow vereinigen, der vom Reichsführer SS Heinrich Himmler protegiert wurde.
So bearbeiteten Ende 1944 die SS-Führer Bandera und andere bekannte ukrainische führende Persönlichkeiten, um diese zur Zusammenarbeit zu bewegen und diese dann an der Spitze des zu diesem Zweck geschaffenen ukrainischen Nationalkomitees zu setzen. Der Führer der Banderowzy lehnte dies jedoch ab. Über seine Motive kann man in diesem Dokument nachlesen, welches die Istorytschna Prawda hier publiziert.
Dies ist ein Bericht von Himmler an den Chef des SS-Hauptamtes Gottlob Berger über den Inhalt eines solchen Gesprächs mit Stepan Bandera.
Historiker zitieren dieses Dokument oft, aber in ukrainischer Übersetzung wurde es erstmals publiziert.
————————————————-
Der Reichsführer SS
Der Chef des SS-Hauptamtes
Berlin-Grunewald, 6.10.44
Douglas Straße, 7-11
…
2 Ausfertigungen
…AusfertigungBetreff: Besprechung mit Bandera.
An den Reichsführer-SS
und Reichsminister des Innern
Berlin SW 11
Prinz-Albert-Straße 8Reichsführer!
Bandera bat darum, mich sprechen zu dürfen und ich hatte ihn am 5.10.44 zu mir befohlen.
Ich darf hiernach folgendes melden:
1. Eine Zusammenarbeit zwischen Bandera und Wlassow wird nur äußerlich kommen und auch die nur so lange, wie wir sie befehlen.
Bandera lehnt Wlassow in jeder Form als groß-russisch denkend ab und behauptet, daß bei einer Zusammenarbeit mit Wlassow er seine Anhänger in der Ukraine verlieren würde.
Er begründet das damit, daß die Ukrainer gewohnt seien, von innen nach außen zu arbeiten, während Wlassow dies von außen nach innen tun müsse.
2. Da er mir zu unsicher war und insbesondere zu lange Zeit brauchte, um das Eingreifen seiner Anhänger bekannt zu geben, gab ich ihm rein theoretisch zur Erwägung, wie er sich denn die Sache vorstellen würde, wenn Deutschland mit Rußland zu irgendeinem Frieden kommen würde.
Diese Möglichkeit traf ihn sichtlich. Er ist so fest vom Sieg Englands und Amerikas überzeugt, daß er bis zum heutigen Tage an so etwas überhaupt nicht gedacht hat.
3. Er führte daraufhin aus, daß seine Bewegung so stark geworden und so viele Anhänger gewonnen habe, daß es Stalin nicht gelingen würde, sie niederzuwerfen. Schon der Hinweis auf freien Grund und Boden würde so viele Freiwillige erbringen, daß Aussicht auf Erfolg in diesem Kampf vorhanden sei. Dies umsomehr, als Stalin nach Beendigung des Krieges ja zuerst auf die anderen Völker werfen müsse und die Ukraine bestimmt in Ruhe liesse. Er meinte damit uns.
Ich bezweifelte das unter Hinweis auf eine genaue Meldung (des Reichssischerheitshauptamtes, die Brigadenführer Schnellenberg mir heute zufällig gab^1), nach welcher Stalin ein großes Programm zur Vernichtung des ukrainischen Volkes aufgestellt hat, demzufolge alle Frauen evakuiert und zu gleicher Zeit Männer und Frauen aus Asien in die Ukraine gebracht würden.4. Ausführlich setzte er auch auseinander, daß ein erfolgreicher Aufstand gegen Stalin nur dann entfacht werden könnte, wenn keine Gefahr mehr von außenher dem russisch-ukrainischen Volke drohen würde.
Ich wies ihn darauf hin, daß diese Gefahr im Augenblick nicht drohe, und daß es für ihn die allerhöchste und letzte Zeit sei, sich nun aktiv einzusetzen. Denn daß Stalin in der Lage sei, nach einem wirklichen Sieg – wie er nach seinen Ausführungen kommen würde – nicht auch mit dem ukrainischen Volk fertig zu werden, das glaube er wohl selbst nicht.
Gesamteindruck: Ein gewandter, zäher, fanatischer Slawe. Seiner Idee bis zum Letzten verschworen. Im Augenblick für uns unerhört wertvoll, später gefährlich. Haßt sowohl Groß-Russen wie Deutsche.
Ich bitte vorschlagen zu dürfen, ihn trotz allem einzusetzen, seine Bewegung zu aktivieren. Gegen uns kann er im Augenblick nicht viel unternehmen, aktiviert für uns kann er den Nachschub doch erheblich gefährden.
[Unterschrift] Berger
SS-Obergruppenführer2
1 Schellenberg Walter (1910 – 1952) – SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei. Ab 1942 leitete er die Auslandsaufklärung in der Hauptverwaltung des Reichsicherheitshauptamts. Ab 1944 war er Leiter der politischen und militärischen Geheimdienste des Dritten Reiches. Er wurde während der Nürnberger Prozesse angeklagt, jedoch wurden die meisten Anklagen fallengelassen. 1949 wurde er aufgrund seiner Mitgliedschaft in verbrecherischen Organisationen und dem Mitwirken an den Erschießungen von Kriegsgefangenen zu sechs Jahren Haft verurteilt. Im Oktober 1950 wurde er freigelassen.
2 Berger Gottlob (1896 – 1975) SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS. Von 21.01.1940 bis 08.05.1945 leitete er das SS-Hauptamt – das führende Gremium der Leitung der SS. Zur gleichen Zeit (1941 – 1945) arbeitete er als Verbindungsmann Himmlers im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete.
In den Jahren 1944/45 war er General der Waffen-SS und Stabschef des Volkssturms. Am 14.04.1949 wurde er vor den Nürnberger Gericht zu 25 Jahren Haft mit dem Vorwurf des organisierten Mordes an Juden verurteil. Am 31.01.1951 wurde die Haftdauer auf zehn Jahre herabgesetzt und аm 15.12.1951 wurde er sogar gänzlich freigelassen.
31. Dezember 2018 // Ihor Bihun
Quelle: Istorytschna Prawda