Der gordische Knoten von Zypern
Letzte Woche teilte Vize-Premierminister Serhij Tihipko den Tschornobylliquidatoren die schlechte Nachricht mit, dass es für sie kein Geld im Staatsbudget gäbe. Dabei verspricht er schon seit einem Jahr, die Offshore-Löcher im Budget zu schließen. Den Worten folgen aber leider keine Taten.
In den letzten fünf Jahren hat das ukrainische Parlament versucht, die Vereinbarung mit Zypern aufzulösen, die den ukrainischen Reichen erlaubt, ihr Geld dort zu verstecken. Doch jedes Mal endeten die Versuche in einem Fiasko.
Seit fast einem Jahr speist die ukrainische Regierung, insbesondere Serhij Tihipko, das Volk mit Versprechen, die Wege zu schließen, über die Geld in Offshorezonen transferiert wird.
Zypern wird allerdings nicht mal erwähnt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die ukrainischen Herrschaften auf diese „Schatzkammer“ verzichten, ist viel geringer, als die Chancen von Julija Tymoschenko freigesprochen zu werden.
Zwischen Zypern und der Ukraine fließen gigantische finanzielle Ströme.
Seinerzeit meldete Julija Tymoschenko, dass im Jahr 2010 fast 25 Milliarden Dollar aus der Ukraine inoffiziell nach Zypern hinausgeführt wurden. Und ihre Mitstreiter teilten mit, dass allein 8 Milliarden davon der Firma SCM (System Capital Management – Renat Achmetow) gehörten. Die Angaben der offiziellen Behörden sind viel bescheidener.
Laut dem staatlichen Statistikamt, auf die sich Oleksandr Demjanjuk, der ukrainische Botschafter in Zypern, in der ukrainischen Zeitschrift „Korrespondent“ bezieht, haben Inlandsunternehmen im Jahr 2010 6,5 Milliarden Dollar auf der Insel investiert. Schon diese Summe macht 92% aller Investitionen der Ukrainer im Ausland aus.
Der Gegenstrom ist jedoch auch nicht schwach. Die zyprischen Firmen haben im Jahr 2010 9,5 Milliarden Dollar in die ukrainische Wirtschaft investiert. Das sind 22,5% vom Gesamtvolumen der Direktinvestitionen aus dem Ausland.
Somit ist nun das kleine Zypern, das in den 80-ern in die UdSSR nur Kartoffeln und Apfelsinnen exportierte, der größte Auslandsinvestor in der Ukraine.
Es ist selbstverständlich kein Geheimnis, wer hinter dem zyprischen Geld steht. Der Vize-Premierminister Tihipko bestätigte, dass das Geld ukrainischen Geschäftsmännern gehört, die es vor der Steuer im Ausland versteckt haben. Und trotzdem verspricht er seit einem Jahr, die Zypern-Frage zu klären. Eine Lösung ist aber nicht in Sicht.
Am meistens wird die Situation dadurch erschwert, dass Zypern de jure seit 2004 kein Offshore-Land ist, obwohl de facto – schon.
Mit dem Beitritt in die EU verzichtete Zypern auf einen Teil der Offshoregeschäfte und ersetzte sie durch ein attraktives Besteuerungssystem. Dieses Land hat einen der niedrigsten Ertragssteuersätze in Europa, nur 10%. Und die anderen Steuersätze liegen bei 0%.
Im Internet sind leicht dutzende Seiten zu finden, die ausführlich beschreiben, wie man ein Offshore-Geschäft in Zypern gründet. Es kostet 2.900 Dollar. Der jährliche Unterhalt beträgt circa zweitausend Dollar, der in einem Jahr nach der Registrierung bezahlt werden soll. Die Wirtschaftsprüfung kostet zwischen zweieinhalb und fünftausend Dollar.
Die Einreichung der zwei Berichte – die Annual Return und Annual Accounts (Dormant) Reports – kostet tausend Dollar aus. Diese Summe ist erst dann fällig, wenn die Firma nicht aktiv war, und hierfür wird nur der „inaktiven“ Bericht (Dormant) abgegeben. Im zweiten Fall, wenn Tätigkeiten ausgeführt wurden, dann erhöhen sich die Kosten für diese Dienstleistung, dazu wird die Ertragssteuer mit 10% Satz erhoben.
Das Schönste für die ukrainischen Oligarchen ist die Tatsache, dass der Gewinn, den die zyprischen Firmen durch Dividenden aus dem Ausland haben, in Zypern nicht mit der Körperschaftssteuer (dieselben 10%) besteuert wird.
Heute existieren 80% der zyprischen Wirtschaft dank Rechts- und Bankdienstleistungen. Deswegen lohnt es sich sowohl für Zypern als auch für die Ukraine nicht, die sowjetische Vereinbarung zu zerstören.
Im Februar hatten ukrainische Journalisten das Glück mit dem Vertreter von PricewaterhouseCoopers Panikos Zialis/Tsialis ins Gespräch zu kommen. Als Partei, die in die Verhandlungen mit der Ukraine verwickelt ist, versicherte er, dass die ukrainische Seite selbst die Verhandlungen mit Zypern bezüglich der Vermeidung der Doppelbesteuerung verlegt hat.
Auf die Frage, warum Zypern die Verhandlungen blocke, sagte Herr Zialis: „Zypern blockiert sie nicht. Es gibt keine Verhandlungen“. „Ich war im Dezember in der Ukraine, und weiß aus erster Hand, dass die ukrainische Seite um die Verschiebung der Verhandlungen gebeten hat“, erklärte er. „Die ukrainische Seite wünscht, die Folgen von bestimmten steuerrechtlichen Maßnahmen innerhalb der Ukraine zu vermeiden. Und wir wurden darum gebeten abzuwarten, bis bestimmte Maßnahmen in Kraft treten“, sagte er noch dazu.
Seinen Worten nach sollte die neue Vereinbarung im Jahr 2011 unterschrieben werden. Doch jetzt zweifelt er daran, ob sie es noch schaffen. Er konnte auch nicht sagen, wann die Verhandlungen erneut beginnen. „Wir sind zu Verhandlungen bereit. Alles hängt von der ukrainischen Seite ab“, fügte Zialis dazu.
Gleichzeitig machte der ehemalige Finanzminister Zypern, Michalis Sarris, deutlich, dass Zypern an dem Bestehen der jetzigen Vereinbarung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung interessiert wäre. Im Februar hatten die Zyprioten noch die Absicht die Vereinbarung im Jahr 2011 abzuschließen. Aber jetzt ist klar geworden, dass es kein Abkommen geben wird.
Man muss Selbstmörder sein, um so eine Goldader abzuschneiden, und das betrifft beiden Seiten.
Darüber hinaus besteht noch die Frage, wie eifrig das Gesetz von einem Vize-Premierminister vorbereitet werden kann, der wie Tihipko selbst beim Verkauf der „TAS-Commerzbank“ die Steuerbelastung mit Hilfe Zyperns optimiert hat. Das behauptet wenigstens die Opposition in Gestalt von Kseniya Ljapina.
Wie viele Firmen es mit ukrainischen Wurzeln auf Zypern gibt, ist es schwer zu berechnen. Aber jeder anständige Oligarch hat ein eigenes Offshore-Geschäft auf Zypern.
Die meisten davon sind in Limassol und Nikosia registriert. Im ersten Ort sind zahlreiche Geschäfte von Ihor Kolomojskij gemeldet. Die Autorin nutzte die Gelegenheit, während ihres Aufenthalts in Nikosia nach den zyprischen Büros der ukrainischen Oligarchen zu suchen.
Am leichtesten waren die zyprischen Geschäftsadressen von Renat Achmetow zu finden. Diese sind auf der Homepage der SCM freigegeben. SCM Limited, Julia House, 3 Themistocli Dervi Street, Nicosia 1066, Cyprus lautet die offizielle Firmenadresse.
Die Themistocli Dervi- Straße liegt in der Nähe vom historischen Zentrum der Hauptstadt und ist eine der Hauptgeschäftsstraßen in Nikosia. Beim Spaziergang bekommt man öfters die Schilder von PriceWaterhouseCoopers zusehen. Diese hier zu finden ist leichter als einen Zeitungsstand. Die berühmte Firma verdient offensichtlich gutes Geld in Zypern.
Das Firmenschild PriceWaterhouseCoopers hängt auch am Business Center des Julia House, neben dem Schild des estnischen Konsulats.
„Finde ich hier die Firma SCM?“, frage ich an der Rezeption.
„SCM? Nein, haben wir nicht“, antwortet die Frau.
„Sicher? Aber ich habe ihre Telefonnummer? 22555000– ist das nicht die Nummer von hier?“, hake ich weiter nach.
„Ja, die Nummer stimmt. Aber es ist niemand im Büro. Hinterlassen Sie Ihre Nachricht, man wird sich mit Ihnen in Verbindung setzten“, empfiehlt die Frau.
Sie hat die Kontaktdaten ordentlich in ein Notizbuch aufgeschrieben. Doch niemand hat sich danach gemeldet.
Auf den Gedanken, wer genau die Angelegenheiten der SCM in Zypern leiten konnte, hat Panikos Zialis, der Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers, die Autorin gebracht. Auf seiner Visitenkarte war die gleiche Telefonnummer, wie die des zyprischen Büros von SCM angegeben. Deswegen ist es nicht verwunderlich, warum ausgerechnet diese Firma die Vermögenswerte von Renat Achmetow zu seinem Geburtstag berechnet hat.
Einige Stadtviertel weiter liegt die Stasiny Avenue. Dort ist vor kurzem ein Photiades Business Center gebaut worden. Genau hier ist der Sitz der Firma Mabofi Holdings Limited, die das hundertste Tochterunternehmen der Group DF an der Spitze mit Dmytro Firtasch ist. Das Unternehmen ringt zurzeit um Gashandelsfirma Emfesz in Ungarn.
Anstatt „Mabofi“ findet man im Büro mit Glastüren die juristische Firma Horwath DSP Limited. Dort kann auch niemand etwas zu „Mabofi“ sagen.
Die „Interpipe Group“ ist auf der Straße Kennedi in Nikosia gemeldet. Zwischen einem Cafe und Dekorgeschäften befindet sich ein unansehnliches Geschäftszentrum. Allerdings im Büro Nummer 401 entdeckt man nicht die „Interpipe Group“, sondern die Firma Hewitt.
Und fast am Rand der Stadt hat ihr Büro die Firma, die das Geld vom Verkauf der „Pravex-Bank“ erhalten hat. Am Samstag war das Büro zu, als die Reporterin der „Ukrajinska Prawda“ sie besuchen wollte. Somit bleibt es ein Geheimnis, welche Firma für das ruhige Leben des Kiewer Bürgermeisters sorgte.
Am anderen Ende Nikosias, in einem Stadtteil mit mittelständigen Privathäusern, befindet sich noch eine Firma, die die Ukrainer bedient. Sie heißt „Ledra House“. Dort hat die „Ukrajinska Prawda“ versucht zu erfahren, ob das zyprische Unternehmen „Darsen Service Limited“ mit Walerij Choroschkowskyj in Verbindung steht. Diese Firma zerstörte am Neujahrstag das Gutshaus von Architekt Kasanskij im Kiewer Stadteil Podil.
Mit der Liste von Firmen, die so oder so mit den Mediaaktiva von Choroschkowskyj verbunden sind, erkundigte sich die Reporterin, ob diese hier ihren Sitz haben. Die Sekretärin fragte die Namen noch mal nach, und bestätigte letztendlich die beiden „Darsen Service Limited“ und „ArtFoxStudios Limited“. Die Letztere ist noch eine zyprische Firma, die im Namen von Walerij Choroschkowskyj den Produzenten der Unterhaltungsshow „Studija Kwartal-95“ im Sommer 2010 gekauft hat.
„Leider ist der Jurist zurzeit nicht im Haus. Und er wird sich mit Ihnen kaum treffen wollen. Ich kann Ihnen aber seine E-Mail geben“, sagte die Sekretärin.
Als die Autorin am nächsten Tag wieder in dieses Center ging und die gleiche Liste den anderen sieben Firmen zeigte, die noch mit Choroschkowskyj verbunden sein könnten, begegnete sie dem belizischen Honorarkonsul Christodoulos Vassiliades. Das Geschäftszentrum war also auch die Residenz des Honorarkonsuls.
Dieser unrasierte Mann in Sporthosen erwies sich als ziemlich undiplomatisch und vermied in einem aggressiven Ton jeglichen Dialog über die ihm anvertrauten Offshore-Geschäfte.
Im Großen und Ganzen haben Juristen eine skeptische Einstellung, was die Suche nach ukrainischen Wurzeln in Zypern angeht. So, wie in der Ukraine, gibt es dort Geschäftszentren, die Kunden aus verschiedenen Ländern betreuen.
Die Namen der tatsächlichen Besitzer (Begünstigten) zu erfahren, ist auch über die National Bank Zyperns unmöglich. Nur, wenn es eine Regierungsanfrage ist. Dieser Staat schützt die Ruhe seiner Kunden zuverlässig, denn sie unterhalten seine Wirtschaft.
Das Einzige, was man aus dem Staat noch auspressen konnte, war ein Auszug für sieben Euro über die Geschäftsführung und die Aktionäre.
Genau auf diesem Wege, mit Hilfe einer britischen Internetseite, erfuhr die „Ukrajinska Prawda“ von den belizischen Anverwandten des Donezker Unternehmens „Altkom“, das der Hauptauftragnehmer der EURO-2012 ist.
Gemäß dem ukrainischen Register gehören zwei Firmen, die keine Deviseninländer sind, Eurobalt Limited (56%) und Sorena Export Limited (43%) zu den Mehrheitsaktionären der „Schljachowe Budiwniztwo „Altkom“ GmbH.
Sie sind dort als britische Unternehmen registriert. In der Wirklichkeit haben sie ihren Ursprung in Belize, im Staat, der vor kurzem noch als Britisch Honduras bezeichnet wurde.
Während der Gründung der Eurobalt Limited wurden zwei Aktien für zwei Pfund Sterling ausgegeben, die dem belizischen Unternehmen Trinitron Investments Limited gehörten.
Die Geschäftsführung Eurobalt Limited markierte zwei Namen darunter: eine Zypriotin Lana Samba und die Firma Trinitron Investments Limited.
Im November dieses Jahres hat die Yogalehrerin Lana Samba gestanden, sie sei nur fiktiv die Leiterin der britischen Firma „Eurobalt Limited“, welche die Aktien der Donezker Firma „Altkom“ besitzt.
Laut Kyivpost solle diese Frau gleichzeitig 23 Firmen in Großbritannien leiten, wofür sie monatlich 534 $ verdiene. In Zypern kann man so einen „Fassaden“-Geschäftsführer in beliebigen Souvenirläden oder Cafés begegnen.
Wie der Direktor der zyprischen Zeitung „Financial Mirror“ behauptet, sind es nur fünftausend Auslandsfirmen, die im Land tatsächlich arbeiten, ein reales Büro haben und Leute einstellen. Etwa 25.000 Firmen stellen ein oder zwei Mitarbeiter ein, aber haben einen fiktiven Büroraum in einem Wohnhaus. Und zwischen 160.000 und 190.000 haben keinen Firmensitz, keine Mitarbeiter, nur einen Direktor, wie zum Beispiel Lana Samba.
Im Jahr 2010 wurden 1.800 Unternehmen mit ukrainischem und russischem Kapital auf der Insel der Aphrodite registriert. Nachdem Zypern eine Neuerung, die Registrierung via Internet, anbietet, wird diese Zahl steigen.
Deswegen bekommen die Tschornobylliquidatoren und kinderreiche Mütter ihre Sozialleistungsgelder noch lange nicht zu sehen.
7. Dezember 2011 // Tetjana Nikolajenko