Kiew forciert die wirtschaftliche Integration in den postsowjetischen Raum


Sofort nach der Unterzeichnung des neuen Freihandelsvertrages im Rahmen der GUS verkündeten ukrainische Beamte die Absicht analoge Abkommen über den Dienstleistungshandel abzuschließen und die Möglichkeit des Beitritts zum technischen Reglement der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die neuen Schritte in dieser Richtung könnten die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Integration zwischen der Ukraine und der EU gefährden, sind sich Experten sicher.

Mit der am späten Abend des 18. Oktober stattgefundenen Unterzeichnung der neuen Redaktion des Freihandelsabkommens im Rahmen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, entschloss sich die Ukraine die regionale Integration zu beschleunigen. Gestern erzählte der Regierungsbevollmächtigte für Fragen der Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation, den GUS-Staaten und der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, Walerij Muntijan, dem “Kommersant-Ukraine”, dass bereits im nächsten Jahr die Unterzeichnung eines neuen Vertrages über den freien Austausch von Dienstleistungen im Rahmen der GUS möglich ist. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir in sechs Monaten die Ausarbeitung dieses Vertrages angehen und ich bin überzeugt davon, dass wir die Arbeit daran sehr schnell abschließen“, sagte der Staatsbedienstete.

Die neue Redaktion der Regeln für den Warenhandel enthält eine Reihe von Ausnahmen. „Für uns ist vor allem die Zuckerfrage empfindlich. Er gehörte immer zu den Ausnahmen, doch zum ersten Mal haben wir uns darauf geeinigt, dass wir nach einer gewissen Zeit auf diese Ausnahme verzichten“, erklärte Premierminister Nikolaj Asarow. Neben Zucker, werden Spirituosen aus dem Freihandel herausgenommen, doch beide Ausnahmen werden lediglich bis 2015 gelten. Russland bestand auf seinem Recht auf Erdöl und Erdgas Exportzölle zu verhängen, wobei die Ukraine auf der Aufnahme eines Verbots für die Anwendung dieser Zölle beim Handel mit Energieträgern bestand. Der Vertrag, der zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, wurde nicht von allen GUS-Mitgliedern unterzeichnet – Aserbaidschan, Usbekistan und Turkmenistan enthielten sich.

Änderungen sich auch bei der Arbeit der Zollunion möglich. Bald wird sich der Teilnehmerkreis – Russland, Weißrussland und Kasachstan – ausweiten. „Heute wurde auf einem Regierungstreffen in engem Kreise die Entscheidung zum Beitritt Kirgisiens zur Zollunion getroffen. Eine Arbeitsgruppe ist bereits gebildet worden“, erklärte der kommissarische Premierminister des Landes, Omurbek Babanow. Kirgisien ist Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) und das bedeutet, dass ihr Beitritt zur Zollunion für Kiew einen unerfreulichen Präzedenzfall schafft. Bislang war die Mitgliedschaft in der WTO das Hauptargument gegen den Beitritt der Ukraine zur Zollunion. „Ebenso wie die Ukraine muss Kirgisien für den Beitritt zur Zollunion einige Verpflichtungen bei den Zollsätzen überprüfen. Jedoch, wenn man berücksichtigt, dass die Wirtschaft dieser Republik weitaus kleiner ist als unsere, ruft eine Revision weniger Einwände vonseiten der Mitgliedsländer der WTO hervor und das bedeutet, dass sie weitaus realistischer ist“, erläuterte der Direktor der Wirtschaftsprogramme des Rasumkowzentrums, Wassilij Jurtschischin.

Dabei bleibt die Integration nicht stehen. Gestern erklärte der Premierminister der Russischen Föderation, Wladimir Putin, dass auf der rechtlichen Basis der Zollunion und des Einheitlichen Wirtschaftsraumes, der vom 1. Januar 2012 zu funktionieren anfängt, ein Vertrag über die Eurasische Union vorbereitet wird. Es wird ein weites Spektrum an Fragen eingeschlossen werden: von der Zollpolitik bis zur Migrations- und Visapolitik. „Irgendwann zum Jahr 2015 können wir, falls wir weiter so tatkräftig handeln, zur Realisierung der Idee der Schaffung einer Eurasischen Union kommen“, sagte Putin.

Zur gleichen Zeit tauchte auf der Seite des Ministerkabinetts eine Mitteilung darüber auf, dass Premierminister Nikolaj Asarow das Ministerium für ökonomische Entwicklung und Handel angewiesen hat, „die Möglichkeit des Beitritts der Ukraine zum Abkommen über die technischen Regelungen im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft zu untersuchen“. Der Meinung des Regierungsoberhauptes nach erleichtern einheitliche technische Regelungen in der außenwirtschaftlichen Tätigkeit „die Geschäftsführung von Marktteilnehmern, die im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft arbeiten“.

Wenn die Unterzeichnung des neuen Freihandelsvertrages nicht der europäischen Integration der Ukraine widerspricht, so könnten weitere Schritte in der östlichen Richtung diese unmöglich machen. „Obgleich die technischen Standards der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft an die Standards der Europäischen Union angepasst sind, welche die Ukraine entsprechend des Maßnahmenplans zur EU-Integration übernimmt, gibt es jedoch zwischen ihnen Unterschiede. Es ist schwer zu begreifen, wie im Lande zwei Systeme technischer Standards funktionieren können“, sagte ein Informant beim Ministerium. „Entweder steckt man bei der Regierung nicht im Thema drin oder auf diese Weise soll die europäische Integration zurückgedreht werden“, betonte der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Rada-Ausschusses für Fragen der Finanzen, der Bankentätigkeiten und der Steuer- und Zollpolitik, Ex-Wirtschaftsminister Sergej Terjochin. Seiner Meinung nach gibt es auch beim Abkommen über den freien Handel mit Dienstleistungen Risiken, da dies „de facto zum Beitritt der Ukraine zum Einheitlichen Wirtschaftsraum“ wird.

Jurij Pantschenko

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 732

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