Rascha Sraka in the middle of nowhere


Vor kurzem ging eine Nachricht durch die sozialen Netze und Nachrichtenseiten: Slowenien hat die bekannte Judoka Raša Sraka zur Botschafterin in der Russischen Föderation gemacht, die dank ihres für Ostslawen ungewöhnlichen Namens zu einem bizarren Mem geworden ist. Auf den ersten Blick eine offensichtliche Falschinformation. Auf den zweiten Blick ist die Falschinformation noch offensichtlicher. Doch Tausende Ukrainer glaubten aufrichtig daran. Warum? Da lohnt es sich ausführlicher darauf einzugehen.

In der Zeit nach dem Sieg des Euromaidans, oder auch der Revolution der Würde, bildete sich bei einem bedeutenden Teil der Gesellschaft die Meinung heraus, dass Europa Russland nicht mag und statt dessen uns liebt und unterstützt. Nun, wenn nicht ganz Europa, so wenigstens das östliche, das den Geschmack des kommunistischen Regimes erfahren hat. Wie kann man da nicht glauben, dass die brüderlichen Slowenen von der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes «Rascha» [lies Russia, A.d.Ü.] erfahren haben und gleichzeitig davon, dass «Sraka» [im Ukrainischen und Russischen in etwa der Arsch, A.d.Ü.] bei uns nicht mit der 40 gemeinsam hat und sogleich beschloss dem Kreml zu zeigen, was sie von ihm denken. Wie, wozu? Nun, um die Ukraine zu unterstützen und diese vor der russischen Invasion in Zukunft zu schützen!

Tatsächlich zieht Slowenien gerade aktiv russisches Kapital an und denkt überhaupt nicht daran sich mit der russischen Invasion zu beschäftigen. Wie wir uns nicht mit dem, sagen wir mal, türkischen Einmarsch beschäftigen, obgleich die Türkei auf Zypern einmarschierte, und vor kurzem in Syrien. Ja und der Genozid an den Armeniern schmerzt die Ukraine überhaupt nicht, wenn wir türkische Investitionen anziehen und uns in türkischen Badeorten erholen. Verständlich, dass es sinnlos ist, auf irgendeine antirussische Solidarität vom fernen Slowenien zu hoffen. Jedoch gibt es viele derjenigen, die trotz all dieser Argumente den Scherz über Raša Sraka für bare Münze nahmen.

Vielleicht braucht man es nicht ein überflüssiges Mal zu erwähnen, doch … Jeder Staat hat seine eigenen Interessen. Die Ukraine ist nicht der Nabel der Welt. Russland ist nicht der größte Feind der westlichen Zivilisation, schon allein deswegen, weil dessen Hochrangige es lieben im Westen Immobilien und Unternehmen zu kaufen. Und, unbestreitbar, die ukrainische Armee verteidigt überhaupt nicht Europa vor dem russischen Ansturm, schon allein daher, da an der Grenze von Russland und Weißrussland mit der Europäischen Union alles ruhig ist, wie auch an der Grenze dieser Staaten mit der Oblast Tschernihiw. Und auch hat Charles de Gaulle niemals die UPA [Ukrainische Aufstandsarmee: westukrainische Partisanenarmee, die in den 1940er und 50ern gegen die als Besatzungsmacht verstandene Sowjetunion kämpfte und ethnische Säuberungen mit zehntausenden Toten vor allem in Wolhynien vornahm. A.d.Ü.] gelobt.

Der größte Unterstützer der Ukraine im derzeitigen Europa ist weiterhin, wie verwunderlich es auch sein mag, Polen. Doch das ist ebenfalls nicht das Verdienst der Ukraine, eher des polnischen Schulprogramms mit Literatur und Geschichte einerseits und praktischen Erwägungen ökonomischen Charakters andererseits. Abgesehen davon können unterschiedliche Politiker die «ukrainische Karte» ziehen, doch nicht für die Ukraine, sondern für die Untermauerung der eigenen politischen Ansichten vor der Wählerschaft. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Litauen die proukrainische Rhetorik funktioniert, doch in den Niederlanden nicht. Denn für die Niederlande ist der bewaffnete russisch-ukrainische Konflikt das Gleiche, wie für uns ein Konflikt zwischen Uganda und Tansania. Stellen Sie sich nur vor, dass während eines solchen Krieges zufällig ein ukrainisches Flugzeug abgeschossen würde. Würde uns das zwingen, uns damit zu auseinanderzusetzen, wer recht hat, wer Schuld an diesem afrikanischen Krieg hat?

Ich wiederhole das noch einmal: Man kann so oft, wie man will die Militäruniform anziehen und geharnischt von einer internationalen Koalition und dem Widerstand gegen den Kreml reden. [Anspielung auf die Auftritte des im April abgewählten Präsidenten Petro Poroschenko, A.d.Ü.] Doch solange die Ukraine ein korruptes und rückständiges Loch in the middle of nowhere, «Spam auf der Landkarte Europas» ist, das höchstens gegen die selbst gewählten korrupten Führer aufstehen kann, werden wir keinerlei Mitgefühl bei den Volksmassen der Länder der «Ersten Welt» haben. Und alles, was uns bleibt, ist an Raša /Rascha Sraka als sphärische Geste der Unterstützung im Vakuum von unseren zivilisierten «Brüderchen» zu glauben. Nun, oder selbst zivilisiert zu werden, was wesentlich schwieriger als nur eine Uniform und schöne Worte ist. Die Wahl ist an uns.

4. September 2019 // Pawlo Subjuk

Quelle: Zaxid.net

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 708

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