Die Rettung bleibt ohne "Herz"


Der Infarkt in der Ukraine wird jünger. Heute zählen zur Risikogruppe Männer von 35 bis 60. Bei einigen beginnen Ablagerungen schon in den Studentenjahren aufzutreten. Frauen haben dabei ein bisschen mehr Glück – bis zum Eintreten der Menopause werden sie durch Hormone vor der Bildung von Ablagerungen geschützt. Doch auch das schöne Geschlecht ist nicht vor Herzkrankheiten gefeit.

Heutzutage werden in unserem Land jährlich ca. 50.000 Infarkte registriert. Im weltweiten Vergleich der Lebensdauer befinden wir uns auf Platz 68, dabei grenzen wir an Länder wie Elfenbeinküste und Simbabwe.

Doch der Kurs, dem die inländischen Reformatoren heute folgen, verbessert aus meiner Sicht nicht die Effizienz der Hilfeleistung von Kranken mit Herz-Kreislaufpathologie.

Im Rahmen der Systemerneuerung der medizinischen Sonderhilfe wurde ein Kurs der Vereinheitlichung von Funktionen der Rettungseinheiten aufgegriffen. Das bedeutet eine Kürzung der Anzahl an spezialisierten Einheiten zu Nutzen der allgemeinmedizinischen. Und auch für die Zunahme der Arzthelferqualifikationen. Man vermutet, dass in naher Zukunft nicht ärztliche, sondern ausschließlich Arzthelfereinheiten in vorstationärer Etappe medizinische Hilfe leisten werden, so wie das auch in Polen, in Deutschland und in den USA geschieht.

In der Kiewer Stadtzentrale für Rettung haben wurden die hämatologischen, toxikologischen, neurologischen, traumatologischen, pädiatrischen sowie die Antischockeinheiten schon aufgelöst. Und ab Neujahr wird auch der Kern der Rettung – die kardiologischen Spezialeinheiten – abgeschafft. Den Kardiologen dieser Einheiten wurde vorgeschlagen, ihr Fachgebiet zu ändern und Ärzte für „Notfallmedizin“ zu werden…

Tatsächlich kommt dann folgendes heraus: solange ehemalige Kardiologen auf den Straßen Betrunkene auflesen, werden zu Menschen mit einem Infarkt oder akuten Störungen des Herzrhythmus im besten Fall Allgemeinmediziner, im schlechtesten Fall Arzthelfer kommen. Ihre Hauptaufgabe ist es, den Patienten ins Krankenhaus zu bringen, wo man ihm dann spezielle Hilfe leistet. Doch ausgehend von unserer derzeitigen Realität kann dies das Urteil für den Kranken sein.

Kardiologische Spezialeinheiten leisten einem Patienten mit akuter Herz-Kreislaufpathologie (wie z.B. akute Störungen des Herzrhythmus, akute Herzinsuffizienz, Lungenödem oder akuter Herzmuskelinfarkt) schon auf der prähospitalen Etappe Hilfe.

Wussten Sie, dass der Herzmuskelinfarkt (oder der thrombotischer Verschluss der Koronararterie) ein dynamischer Prozess ist, und man in den ersten paar Stunden seiner Entwicklung versuchen kann, den Thrombus in der Koronararterie zu öffnen (eine Thrombolyse durchzuführen), um das Absterben des Herzgewebes zu verlangsamen und manchmal sogar zu stoppen? Die kardiologische Einheit kann dies schon auf der vorstationären Etappe durchführen, wodurch der Patient überlebt und nicht zum Invaliden wird. Zum Krankenhaus muss man erst hinkommen, in der Rush-hour fährt man zum kardiologischen Zentrum des Aleksandrowski-Krankenhauses schon mal eine Stunde oder sogar mehr. (Man kann den Patienten auch an andere Ecken der Stadt bringen, zum Beispiel in das Krankenhaus №5 des Swjatoschinski-Bezirks oder in das Krankenhaus №1 am „Krasnyj Chutor“.) In dieser Zeit wird sich das Teilstück des absterbenden Herzgewebes vergrößern. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass 25% der Patienten mit einem akuten Herzmuskelinfarkt auf der prähospitalen Etappe sterben und je länger man den Erkrankten transportiert, desto höher ist das Risiko eines eintretenden klinischen Todes…

Den ersten Personen unseres Staates stehen ständig die Rettungseinheiten der Therapeutischen und Heilungsvereinigung (LOO) №1 (ehemalige IV. Verwaltung), ausgerüstet mit allem Notwendigen, darunter auch das Präparat „Metalyse“ (Tenektoplasa) mit einem Wert von 14.000 Hrywnja (ca. 1.333 €) per einmaliger Einführung, zu. Übrigens gibt man überall auf der Welt den Patienten mit akutem Herzmuskelinfarkt „Metalyse“ – die Prozedur ist reine Routine und kostenlos. Spezialisierte kardiologische Einheiten, welche zu den einfachen Bürgern kommen, haben in ihrer Verordnung ein anderes Präparat, das älter und billiger ist (ca. 700 Hrywnja; etwa 67 €) – Streptokinase. Dieses ist übrigens auch hinreichend effektiv, wenn es rechtzeitig eingesetzt wird.

Abgesehen von akuten Myokardinfarkten, stellen die Spezialeinheiten auch den Herzrhythmus des Patienten mit Hilfe von elektrostimulierender und Elektroimpulstherapie wieder her, wodurch die Patienten danach keine stationäre Behandlung mehr brauchen.

Indem die Spezialeinheit eine Differentialdiagnose aufstellt, berichtigt sie Fehler des ambulant-poliklinischen Systems, welches Patienten, die sich ambulant behandeln lassen können, nicht im Krankenhaus aufnimmt. Das spart sowohl dem Patienten Geld als auch dem Gesundheitswesen…

Die Gespräche über die Kürzung der Anzahl an Spezialeinheiten zu Nutzen der allgemeinmedizinischen Einheiten haben nicht erst gestern begonnen. Schon im April 2003 merkte der Direktor des ukrainischen wissenschaftlich-praktischen Zentrums medizinischer Sonder- und Katastrophenhilfe, dass sich die Qualität der medizinischen Sonderhilfe verbessern werde, wenn man den Akzent von der prähospitalen auf die hospitale Etappe verschiebt. Diese Herangehensweise ist angeblich auch aus der Sicht der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit vertretbar, sofern die Möglichkeiten des Staates, den großen Personalbestand der qualifizierten Spezialisten gemäß der medizinischen Sonderhilfeleistung zu erhalten, begrenzt sind.

Man muss sagen, dass die Erhaltung von ähnlichen Spezialisten heute dem Staat keine exorbitante Summe kostet. Der Lohn eines Arztes einer Rettungseinheit beträgt von 1.050 Hrywnja (ca. 100 €) für einen Arzt ohne Kategorie bis zur „gigantischen“ Summe von 1.330 Hrywnja (ca. 127 €) für einen Arzt der höheren Kategorie. (Zum Vergleich: die Entlohnung eines Sanitäters ohne höhere Bildung beträgt 907 Hrywnja – ca 86 €).

Wie dem auch sei, in den letzten Jahren wurde der Spezialdienst der Rettung zweckgebunden reformiert. Besonders aktiv nach der erlassenen Verordnung M3 des ehemaligen Gesundheitsministers W. Knjasewitsch vom 29. August 2008 mit der Nummer 500 „Über die Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Sonderhilfeleistungen für die Bevölkerung der Ukraine“, welcher bis zum 1. Januar 2011 eine Attestierung von Ärzten der Rettungsspezialeinheiten (Kardiologen, Neurologen und andere) auf dem Gebiet der „Notfallmedizin“ vorgeschrieben wird. De facto werden sie zu Allgemeinmedizinern gemacht. Übrigens wurde die betreffende Verordnung nicht im Justizministerium der Ukraine bekräftigt, zumal die Umgestaltung als unbedeutend gesehen wird…

Bis zur Durchführung der „EURO 2012“ ist geplant, faktisch alle Ärzteeinheiten in Kiew abzuschaffen und sie durch Arzthelfer oder sagenhafte Paramediziner (Alternativmediziner) zu ersetzen. Dabei wurde den Arzthelfern schon vorgeschlagen, durch Eigenmittel den Titel des „Bachelors“ auf dem Gebiet der „Notfallmedizin“ zu erhalten, um für dasselbe Gehalt die Ärzte zu ersetzen. Bei der Gesamtkonferenz für Fragen über medizinische Sonderhilfe im März dieses Jahres erstellte G. Roschtschin die Prognose, dass nach fünf Jahren ausschließlich Arzthelfereinheiten auf der vorstationären Etappe medizinische Sonderhilfe leisten und Notfallärzte in den Abteilungen der Notfallmedizin in Krankenhäusern arbeiten werden. Was die paramedizinischen Einheiten betrifft, haben sich unsere Medizinfunktionäre noch nicht überlegt, wer in ihnen für das typische Rettungsgehalt arbeiten wird.

In den USA gibt es keine ärztliche Rettung, die Arzthelfereinheiten fahren aus den medizinischen Zentren und paramedizinische Einheiten stellen Abteilungen des Polizei- oder Feuerwehrdienstes dar. Jedoch ist in diesem Land jedes medizinische Zentrum fähig, in jeglichem Umfang beliebige medizinische Hilfe zu leisten. Bei uns gibt es ja bis heute keine Zentren mit einem breiten Tätigkeitsbereich. Jedes Krankenhaus nimmt Patienten mit einer bestimmten Art von Pathologie auf. Wenn nun bei einem Patienten eine kombinierte Pathologie auftritt, müsste man ihn zuerst in ein Spital bringen, dann in ein anderes. In den USA ist jedes Polizei- oder Feuerwehrauto mit einem Defibrillator und einem Satz medizinischer Präparate für Notfallhilfeleistung ausgestattet. Stellen Sie sich vor, wie der Sergeant des Kiewer Streifenwachdienstes intubiert, den Patienten mit dem Defibrillator behandelt, ihm einen Tropf setzt…

Falls das Kiewer Zentrum für medizinische Rettung die Spezialeinheiten nicht braucht, heißt das nicht, dass sie auch nicht von den Kiewern gebraucht werden. Deswegen schlage ich vor, die kardiologischen Spezialeinheiten zu funktionellen Bereichen der städtischen Zentren für Infarkte zu machen und die Neuerung des Gesundheitswesens mit der Abschaffung der Therapeutischen- und Heilungsvereinigung LOO №1 (ehemalige IV. Verwaltung), der LOO №2 (ehemaliges Krankenhaus für Personalrentner) und anderer behördlichen Heilanstalten zu beginnen, damit unsere Macht habenden in Gemeindeheilanstalten für gewöhnliche Bürger der Ukraine behandelt werden.

27. November 2010 // Michail Sunder (Kardiologe der Kiewer Stadtzentrale für Rettung und Katastrophenmedizin)

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzer:   Armin Weber  — Wörter: 1237

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