Ukrainische Onkologiezentren könnten zu Lazaretten werden: Was tun mit Krebspatienten?


Der Angriff Russlands am 24. Februar verwehrte den ukrainischen Krebspatienten die Möglichkeit, eine Behandlung zu erhalten.

In den meisten Onkologiezentren des Landes wurden geplante Operationen sowie Bestrahlungs- und Chemotherapiesitzungen abgesagt. Verschoben wurde auch die Durchführung diagnostischer Verfahren.

Die Mehrheit der hospitalisierten Erkrankten wurde entlassen, nur die wirklich Schwerkranken blieben in den Krankenhäusern. Einige Onkologiezentren könnten vorübergehend zu Kriegsspitälern werden.

Außerdem sind Krankenhausaufenthalte derzeit sehr gefährlich.

Insbesondere wurde in Melitopol in der Oblast Saporischschja eine onkologische Ambulanz beschossen. Zum Glück wurden weder die Patienten noch das Personal verletzt.

Auch kennzeichneten russische Saboteure das Gebäude des Kinderkrankenhauses Ochmatdyt [in Kyjiw, A. d. Ü.] mit Markierungen.

Im Nationalen Krebsinstitut (NIR) [Nazionalnyj instytut raku] wurden am 24. Februar geplante Operationen und Behandlungen verschoben und man begann damit, die Patienten zu entlassen, wie der Chefarzt Andrij Besnossenko berichtet.

Ambulante Polykliniken gibt es auch nicht.

Im Krankenhaus bleiben nur jene Patienten, die es nicht verlassen können, sagt Andrij Schypko, der amtierende Direktor des Nationalen Krebsinstituts.

„Das Team des Instituts wurde mobilisiert und ist bereit für die bevorstehenden Ereignisse. Während der dringlichen Sitzung wurde vom Kollektiv des NIR der einstimmige Beschluss gefasst, den Antrag beim Gesundheits- und Verteidigungsministerium der Ukraine zu stellen, die Funktion eines Kriegsspitals zu übernehmen“, sagte er.

Tatsächlich fungiert das Krebsinstitut derzeit noch nicht als Militärlazarett, wie Andrij Besnossenko der „Ukrajinska Prava – Schittja“ mitteilte.

Wir haben die Mitglieder der Interessensgemeinschaft „Alfina. Frauen gegen Krebs“ dazu befragt, wie die lokalen onkologischen Ambulanzen derzeit arbeiten.

Die Krebspatienten berichten, dass immer mehr medizinische Einrichtungen geplante Eingriffe aussetzen.

„Ich habe den Radiologen angerufen, wir mussten uns am Montag, den 28. Februar, untersuchen lassen und zur Bestrahlung gehen. Mir wurde gesagt, dass das Onkologiezentrum jetzt ein Kriegslazarett ist. Spazieren Sie irgendwo zwei Wochen, dann sehen wir weiter. Der Onkologe sagte auch, dass er nicht empfängt“, sagte Petro Schywalow aus Odessa.

In Charkiw wurden ebenfalls alle Patienten entlassen.

„Es gibt wenig medizinisches Personal, die Apotheke arbeitet nur für einige Stunden am Tag“, sagt Maryna Sajdel.

Die Situation in Iwano-Frankiwsk und Winnyzja hat sich auf dieselbe Weise entwickelt.

In Dnipro sind diagnostische Verfahren zurzeit nicht zugänglich. Doch in der Region Tscherkassy ist das ambulante Onkologiezentrum regulär in Betrieb.

Schwierig entwickelte sich aufgrund der kämpferischen Handlungen und der Besetzung nahegelegener Siedlungen durch die Russen die Situation in Sumy.

Das Onkologiezentrum in Kyjiw fungiert derzeit als Zentrum für die Bereitstellung einer Notfallversorgung von Patienten. Die Ärzte sagen, dass nur noch Kranke, die nicht nachhause gehen können, zurückgeblieben sind. Verbände legen die Ärzte nach Vereinbarung, wenn sie die Möglichkeit haben, zur Arbeit zu kommen.

Die Mediziner sagen, dass das Krankenhaus eine Person – selbst wenn diese das Onkologiezentrum erreicht – nicht mit Medikamenten versorgen können wird.

Die Ärzte bitten um Verständnis für die Situation.

Jurij Kudrjawzew, ein Chirurg aus Sumy, erzählt, er sei bewusst in ein nicht funktionierendes Krankenhaus gekommen, um Patienten nach Hause zu schicken, die nicht von Verwandten abgeholt werden können.

„Es fanden sich Menschen, die dabei geholfen haben, eine Patientin aus Ternopil anzusiedeln. Die Angehörigen eines anderen Patienten, der einen schweren postoperativen Verlauf überstanden hatte, können die russischen Kontrollposten nicht passieren. Aber sie haben die Landstraßen in die Stadt durchbrochen“, sagt der Arzt.

Die Gemeinschaft „Alfina. Frauen gegen Krebs“ bat Onkologen darum, an onkologischen Online-Beratungen mitzuwirken.

Viele Mediziner sind bereit, den Menschen eine solche Hilfe zukommen zu lassen.

Patienten, die eine sofortige Behandlung brauchen, versuchen, diese in europäischen Ländern zu bekommen, die bereit dazu sind, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen.

Derzeit ist das Nationale Krebsinstitut Litauens bereit, Krebskranke aus der Ukraine zur Behandlung aufzunehmen.

„Der Zugang zur Möglichkeit einer Krebsbehandlung kann nicht gestoppt werden und muss auch unter widrigen Umständen Priorität haben“, heißt es in einer Erklärung.

Inessa Matjuschenko, die Leiterin der NGO Inspiration Family, sammelt zurzeit Informationen bezüglich der Bedürfnisse von Krebspatienten.

„Mit uns setzte sich die europäische Organisation Youth Center Europe in Verbindung. Sie sagen, dass sie bereit sind, Krebspatienten zu helfen, die in die Europäische Union ausgereist sind.
Bislang wissen wir noch nicht, wie umfassend diese Hilfe sein wird, aber wir werden alles Mögliche tun, damit eine Fortsetzung der Behandlung sowohl in der Ukraine als auch im Ausland möglich sein wird“, teilte die Stiftung mit.

Wenn eine Person nach Rumänien, Ungarn, Polen oder in die Republik Moldau reist, werden Menschenrechtsaktivisten versuchen, lokale Unterstützungslinien einzurichten und Finanzhilfen zu finden.

Den Einwohnern Kyjiws, aber auch denjenigen, die in die Hauptstadt kommen können, wird vom Zentrum für innovative medizinische Technologien der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine eine kostenlose Grundversorgung angeboten.

Jetzt arbeiten Chirurgen, Neurologen und Hausärzte. CT, MRT und Ultraschallgeräte wurden in Gang gesetzt.

26. Februar 2022 // Jana Ossadtscha
Quelle: Ukrajinska Prawda Schyttja

Übersetzerin:   Agnes Poitschek  — Wörter: 763

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und per täglicher oder wöchentlicher E-Mail.