Vitalij Klitschko - ein Ukrainer
Vitalij Klitschko hat seinen Weltmeistertitel im Superschwergewicht behauptet. Die Umstände des Kampfes gegen den Engländer Dereck Chisora waren für die Sportwelt skandalös. Nie ist ein Herausforderer so aggressiv und unfair aufgetreten wie Chisora gegen Klitschko. Aber Klitschko behielt trotz einer Beeinträchtigung seiner Linken, die Oberhand und siegte klar nach Punkten gegen den extrem aggressiven Herausforderer.
Kann die Ukraine etwas daraus lernen? Vermutlich kann die Ukraine aus dem Auftreten und dem Verhalten ihres Megastars Vitalij Klitschko alles lernen. Die Ukraine kann lernen, selbstbewusst, fair und stark zu sein, ohne zu tricksen und zu betrügen. Die Ukraine kann lernen, dass nicht immer der Gemeine und Aggressive gewinnt, sondern letztlich der Faire und Intelligente, welcher einen kühlen Kopf behalten kann und auch bereit ist, zu kooperieren. Die Ukraine kann lernen, dass Charakter sich auf die Dauer auszahlt. Schließlich kann die Ukraine lernen, dass ein guter Charakter auch mit einem deutlichen Leistungswillen verbunden ist. Harte Arbeit, das hat Vitalij Klitschko eindrucksvoll über Jahre gezeigt, kann sich lohnen!
Der Boxer Vitalij Klitschko ist unumstritten die Nummer Eins der globalen Boxwelt. Er ist auch historisch gesehen, die Nummer Eins. Eine Verbindung von Fairness, Gefühl und Intelligenz, wie sie bei den Klitschkos entstanden ist, kann man historisch als einmalig bezeichnen. Vielleicht ist Muhammad Ali der andere Boxer der Weltgeschichte, der eine ähnliche Größe durch sein Wesen und durch seinen Glauben erreicht hat. Aber im Unterschied zu Klitschko war Muhammad Ali ein streng gläubiger Mensch. Klitschko dagegen ist der moderne Beweis, dass die eigene Moral und die Ehrlichkeit mit sich selbst und anderen mindestens zu der gleichen menschlichen Größe führen können. Ich persönlich vermute, dass Klitschko am Ende der größte Boxer der Weltgeschichte sein wird. Vielleicht sogar der größte Sportler.
Ein Ukrainer!
Möglicherweise ist es gerade diese Tatsache, dass Vitalij Klitschko ein echter Ukrainer ist, die ihn dazu gebracht hat, in die Politik zu gehen. Er ist aber in erster Linie ein Sportler und kein Politiker. Dennoch bringt er etwas in die ukrainische Politik ein, das dem anderen Boxer, Präsident Janukowitsch, nicht zur Verfügung steht. Moral! Nicht nur Moral, sondern die Fähigkeit mit Moral zum Erfolg zu kommen. Genau diese Fähigkeit hat Janukowitsch komplett verloren. Die Tatsache, dass jemand Boxer war, hilft da wenig, weil wir wissen, wie viele unfaire Boxer die Sportgeschichte aufweist. Der letzte war Chisora, den man getrost als Psychopathen bezeichnen darf, der aber in seinem Machtkalkül nicht zu unterschätzen ist. Die wilde Aggressivität und den kompromisslosen Willen zur Vernichtung des Gegners ist auch eine Taktik. Vor Beginn des Kampfes hat Chisora Klitschko geohrfeigt. Unmittelbar vor Kampfbeginn hat er ihm Wasser ins Gesicht gespukt. Auf der Pressekonferenz hat er eine wilde Prügelei begonnen. Alles Verhaltensweisen, die uns aus der Verchovna Rada aufs Beste bekannt sind.
Gewonnen aber hat Vitalij Klitschko! Ein echter Ukrainer, der sich nicht hat irritieren lassen. Er hat damit dem Prinzip des Fairplays den größten denkbaren Dienst erwiesen. Er hat der Ukraine eine große Lektion erteilt und gleichzeitig gezeigt, dass diese Lektion nicht von irgendwoher kommt.
Diese Lektion kam von einem Ukrainer!
Dabei soll das natürlich nicht heißen, dass alle Ukrainer so sind. Es heißt vielmehr, dass die Mehrheit der Ukrainer so sein könnte. Tatsächlich aber verhalten sich viele Ukrainer wie der Engländer Dereck Chisora. Sie versuchen mit den schlechtesten, denkbaren Charaktereigenschaften zum Erfolg zu kommen und sie glauben nur und ausschließlich an diesen Weg. Ein Abweg, der das Land immer tiefer in die Krise treibt.
Zum Schluss ist zu erwähnen, dass sich diese Worte vorwiegend, aber nicht ausschließlich an die Elite des Landes richten. Sie richten sich auch an das gesamte Land. Eigentlich ein großartiges Land, das aber aus inneren Gründen nicht groß sein kann.
Sönke Paulsen