Warum fällt der ukrainische Export in die EU?
Im April vergangenen Jahres traten einseitige Präferenzen der Europäischen Union in Kraft. Ihre Annahme war eine Hilfsgeste der EU für die ukrainischen Exporteure. Bereits mehr als ein Jahr werden ukrainische Waren in die Europäische Union zollfrei exportiert, wobei der ukrainische Markt, wie auch vorher, vor dem europäischen Import geschützt ist.
Mit der einseitigen Bevorzugung sollte die Ukraine die Probleme auf den Märkten der Zollunion kompensieren. Jedoch wie die Praxis zeigte, war diesen Hoffnungen keine Erfüllung beschert. Einen bedeutenden positiven Effekt von diesen einseitigen Präferenzen konnte man im zweiten Quartal des vergangenen Jahres beobachten. Im Ergebnis dieses Quartales stieg der Export in die EU um 30 Prozent. Dagegen erwiesen sich die Ergebnisse der darauffolgenden Monate als bedeutend schlechter und bereits im vierten Quartal 2014 zeigte der ukrainische Export in die EU ein Absinken.
2015 setzte sich der Rückgang nicht nur fort, sondern er vertiefte sich noch. Den Angaben des Statistikamtes nach fiel er den Berechnungen von Januar bis Mai 2015 nach um 33,5 Prozent, was vollständig mit den Gesamtwerten übereinstimmt – einem Absinken um 35,9 Prozent. Der Rückgang des ukrainischen Exportes in die Russische Föderation betrug 60 Prozent.
Warum hat die einseitige Bevorzugung die Hoffnungen nicht erfüllt? Von der Beantwortung der Frage hängt nicht weniger Wichtiges ab. Wann wird der positive Effekt vom Handel mit Europa die Probleme auf den Märkten der Zollunion abdecken?
Früher wurde von der Regierung der Rückgang des ukrainischen Exports in die EU vor allem mit der Aktivierung der Kampfhandlungen im Donbass erklärt, von denen eine der Folgen der Stopp der Schlüsselproduktion in der Region war. Doch kann man diese Probleme nur mit den Kriegshandlungen erklären?
In Verbindung damit wäre es interessant die Meinung der Exporteure selbst zu erfahren. Sind sie mit diesen Einschätzungen einverstanden?
Die Möglichkeit die Einschätzungen der Staatsvertreter und der Unternehmen zu vergleichen gibt die Untersuchung „Autonome Handelspräferenzen der EU: Ansicht der Exporteure“, die vom Institut für ökonomische Forschungen und politische Beratungen (IER) angefertigt wurde. Die Untersuchung basiert auf der Befragung von 1009 Unternehmen, von denen die Mehrzahl im Export tätig ist oder dies plant. Die Befragung brachte einige interessante Ergebnisse.
Erstens, vom Moment des Beginns der einseitigen Präferenzen bis Ende des vergangenen Jahres beschäftigten sich 5302 Unternehmen mit dem Export in die EU, die vorher auf diesem Markt nicht tätig waren. Gleichzeitig haben 2299 Unternehmen, die vorher ihre Produktion in die EU exportierten, diese Arbeit eingestellt.
Man kann unterstellen, dass die Mehrzahl der letzteren Unternehmen, aus der Zone der Antiterroroperation stammen, die gerade tatsächlich keine Möglichkeit haben ihre Produktion in die EU zu liefern. Dagegen kompensiert die Anzahl der neuen Spieler auf dem europäischen Markt vollständig diesen Verlust, darunter auch vom Exportvolumen her.
Also entsprechen die Versuche den Rückgang des ukrainischen Exports in die EU nur mit dem Faktor der Antiterroroperation nicht den realen Umständen. Zusammen damit hebt die Untersuchung hervor, dass 55 Prozent der Unternehmen, die vorher Exporte in die EU durchführten und ihre Exportmengen hielten, ihre Exportvolumina stark absenkten.
Es ergibt sich, dass der Hauptgrund des Rückgangs des ukrainischen Exports in die EU in der Arbeit der Unternehmen außerhalb der Kampfgebiete selbst liegt. Unternehmen, die einfach ihren Anteil auf dem europäischen Markt verlieren und ihre Arbeit nicht den neuen Bedingungen anpassen können.
Eine positive Neuigkeit ist die große Zahl an ukrainischen Unternehmen, die ihre Arbeit in der EU begonnen haben und damit das nichtrealisierte Potenzial aufzeigen. Die Mehrheit dieser Unternehmen ist fähig ihre Präsenz in Europa auszuweiten und also bereits in der näheren Perspektive ein hohes Tempo des ukrainischen Exports in die EU zu gewährleisten. Jedoch gibt es auch andere Gründe, die einer aktiven Nutzung der Präferenzen der Europäischen Union entgegenstehen.
Gemäß der Unternehmensbefragung ist ein großer Teil einfach nicht über die Möglichkeiten informiert, dass sich die europäischen Märkte geöffnet haben. Davon berichteten 20 Prozent der Befragten und das sind in erster Linie Vertreter der kleinen und mittleren Unternehmen.
„Die schwache Informiertheit der Unternehmen wurde zu einem der Schlüsselprobleme, die den ukrainischen Export behindern. In erster Linie ist das ein Problem der Arbeit der Wirtschaftsverbände. Sie erfüllen Lobby-Funktionen, doch oft informieren sie ihre Mitglieder nicht über die Möglichkeiten für die Arbeit auf den Auslandsmärkten“, sagt IER-Direktor, Ihor Burakowskyj.
Ein interessantes Detail ist, dass sich das Niveau der Uniformiertheit stark in einzelnen Regionen der Ukraine unterscheidet: im Osten ist es höher, im Westen niedriger. Beim IER erklärt man Letzteres mit den größeren Möglichkeiten der westukrainischen Unternehmen für den Informationserhalt. „Die Notwendigkeit der Anwendung der englischen Sprache ist ein Problem für Unternehmen in allen Regionen. Jedoch gibt es einen Unterschied, der damit verbunden ist, dass die EU-Dokumente in alle Sprachen der Mitgliedsländer übersetzt werden. In der Regel versteht man im Westen der Ukraine gut polnisch, rumänisch oder slowakisch, was große Möglichkeiten für die lokalen Unternehmen eröffnet“, erläutert die Geschäftsführerin von IER, Oxana Kusjakiw.
Ein anderes Problem sind die Schwierigkeiten Handelspartner in der EU zu finden, die praktisch in gleichem Maße charakteristisch für kleine als auch große Unternehmen sind. Beim IER hebt man hervor, dass viel bei den Schwierigkeiten bei der Suche nach europäischen Partnern verbunden mit der Unmöglichkeit für ukrainische Unternehmen ist, langfristige Lieferungen zu garantieren.
„Für ukrainische Unternehmen ist der Weg in die EU oft die Möglichkeit die vorliegende Produktion zu verkaufen. Gleichzeitig sind europäische Handelsnetze nicht an der Arbeit mit situativen Lieferanten interessiert, sogar wenn ihr Bedingungen vorteilhaft für sie sind. Sehr viel öfter wird die Möglichkeit langfristiger Zusammenarbeit geschätzt und das sind ukrainische Unternehmen bei weitem nicht immer sicherzustellen bereit“, präzisiert Ihor Burakowskyj.
30. Juli 2015 // Jurij Pantschenko
Quelle: Jewropejska Prawda