Wer braucht "Primaries" und wie lassen sie sich durchführen?


In den Kreisen zivilgesellschaftlicher Aktivisten tauchte die Meinung auf, dass sie selber „in die Politik“ gehen müssen, um den politischen Prozess in seiner Qualität zu verändern. Ihre Ambitionen eigene Kandidaten für die Direktwahlkreise vorzuschlagen, hat die Gruppe „SAM“ (deutsch: Selbstregulierendes Alternatives Netzwerk) laut proklamiert, einige Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisation „Demokratische Allianz“ gründen eine gleichnamige Partei. Die Vertreter anderer zivilgesellschaftlicher Initiativen und Netzwerke geraten in Bewegung.

Oppositionsparteien wie „Bürgerschaftliche Plattform“ oder „UDAR“ (Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen) sprechen über die Unterstützung dieser Bürgerinitiativen und ihre Bereitschaft mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn es um die Zusammenstellung der Wahllisten geht.

Ist nicht die erste Frage, die dabei entsteht, wie kann man einen destruktiven Kampf verschiedener Kandidaten der zivilgesellschaftlichen Initiativen vermeiden, die gleiche Prinzipien propagieren, und gleichzeitig die wählen, die es würdig sind, den Pool der „neuen Bürger“ in der Politik zu vertreten?

Das unter den Parteimitgliedern des KOD (Komitee für Widerstand gegen Diktatur) besprochene Prinzip der „Parteiquoten“ hat sich offensichtlich nicht durchgesetzt, weil es den ehrlichen Wettbewerb verschiedener Kandidaten durch das außeramtliche Aufstellen der Kandidaten von Parteispitzen ersetzt. Und somit bringt es keine tatsächlichen Veränderungen in den politischen Prozess.

Das Knowhow von „BJuT“ (Block Julia Timoschenko) und „Front Smin“ (Front der Veränderungen) ist der Versuch das Prinzip der „ geschlossenen Parteilisten“ in den Direktwahlbereich einzuführen, und wird von vielen Experten zu Recht kritisiert.

In Anbetracht dessen kommt öfters die Idee „der „Primaries““ unter den zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Oppositionsparteien verlautbart. „Primaries“ sind Vorwahlen, während derer einfache Wähler und Partei- (Vereins-) Mitglieder die populärsten Kandidaten wählen, und die Partei oder ein anderes Subjekt, das die „Primaries“ durchführt, delegiert automatisch an diese Kandidaten das Recht, sie in den nächsten Parlamentswahlen zu vertreten.

Es ist eine sehr interessante Technik, wie man Kandidaten wählen kann, die gleichzeitig erlaubt, einige weitere technische Aufgaben zu erledigen.

Erstens, das Subjekt, das die „Primaries“ offen durchführt, spielt mit einem Trumpf, weil es für sich dadurch wirbt. Denn es ist ohnehin ein krankhaftes Problem für die Ukraine: Die intransparente Zusammenstellung der Wahllisten. Zweitens, die Qualität der Wahlliste steigt: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dahin zufällige Menschen gelangen. Drittens, die „Primaries“ bieten die Möglichkeit einen Kontakt mit den einfachen Wählern aufzubauen und sie für die Wahlkampagne zu mobilisieren.

Nach allen diesen Optionen , und hauptsächlich , durch die Möglichkeit eine gute Werbung mit dieser Idee zu starten, kündigten Politiker schon beim letzten Wahlkampf die Durchführung von „Primaries“ an, um die eigenen Wahllisten zusammenzustellen. Zu einer effektiven und umfassenden Kontrollmethode über die Wahllisten wurden die „Primaries“ jedoch nicht.

Heute sprechen zivilgesellschaftliche Aktivisten, die in die Politik gehen, auch über die Absicht die „Primaries“ als Werkzeug für die Bestimmung der würdigsten Oppositionellen zu nutzen, um abgestimmte Kandidaten in den Direktwahlkreisen aufzustellen. Doch, wenn sie sich dafür verpflichten, verstehen sie oft nicht, dass die „Primaries“, in den Ländern, wo sie zur Tradition wurden, eine organisatorische und agitierende Arbeit ist, die nur große und gut organisierte politische Kräfte erledigen können.

Deswegen, um den Erwartungen der Bürger, die sich eine ehrliche Politik wünschen, zu genügen, und bevor man Ansagen zur Abhaltungspflicht von „Primaries“ macht, sollten die zivilgesellschaftlichen Aktivisten und die mit ihnen „fiebernden“ politischen Parteien drei Fragen für sich beantworten. Diese weisen sie darauf hin, welche Werkzeuge sie genau nehmen sollten, um die abgestimmte Liste der Direktwahlkandidaten zusammenzustellen, und ob die Ukraine auf die Durchführung der Vorwahlen bereit ist.

1. Ist der Kandidatenpool der zivilgesellschaftlichen Vereine und der Parteien, die diese unterstützen, ausreichend groß, damit eine wirkliche Konkurrenz um Direktwahlkreise und die Plätze in der Wahlliste stattfindet?

Über die Notwendigkeit „ in die Politik zu gehen“ reden die bürgerlichen Aktivisten ziemlich laut. Aber wie viele potenzielle Kandidaten sind bereit aus dieser oder jener oppositionellen Bürgervereinigung sich zur Wahl zu stellen? Oder wie viel Kandidaten von den politischen Parteien bereit wären an der transparenten „Primaries“ teilzunehmen und im Fall des Scheiterns auszusteigen? – Auf diese Fragen gibt es noch keine Antworten.

Vielleicht ist der Hauptgrund, warum solche Parteien wie die „Hromadska Plattforma“ (Bürgerliche Plattform) oder „UDAR“ über eine mögliche Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Aktivisten und die Teilnahme an den zusammen organisierten Vorwahlen sprechen, das Fehlen eigener bekannter Kandidaten. Und wie viele mächtige Kandidaten die organisierte Bürgergesellschaft in Gestalt der Initiative „SAM“ zum Beispiel aufstellen kann, aus denen effektive Politiker werden, bleibt auch noch eine offene Frage.

Somit besteht die erste Aufgabe, um den Wahlprozess der potenziellen Kandidaten zu organisieren, in der Erschaffung eines Katalogs der Vertreter zivilgesellschaftlicher Vereinigungen und Parteien, die den Wunsch haben am transparenten Prozess der Kandidatenauswahl, die sowohl aus der oppositionellen als auch aus dem aktuellen Machtgefüge stammen und nach demokratischen Werten und Herangehensweisen agieren, teilzunehmen. Die Zahl der Konkurrenten auf ein Amt wird zeigen, ob ein umfangreicher Auswahlprozess, die „Primaries“, benötigt wird, und ob es regional oder national stattfinden soll. Höchstwahrscheinlich wird man schon in dieser Etappe einsehen, dass es kaum Konkurrenten gibt.

In diesem Fall kann man die Liste mit den würdigen Kandidaten aus der oppositionellen Bürgergesellschaft und der Parteien, die sie unterstützen, nach bestimmten Kriterien erstellen, die die potenzielle Kandidaten anerkennen müssen. Ähnliche Kriterien wurden schon von der zivilgesellschaftlichen Bewegung „Tschesno“ (deutsch: Fair) entworfen.

2. Sind die Kandidaten, die von den bürgerlichen Vereinigungen und Parteien vorgeschlagen werden, dem durchschnittlichen Wähler weit bekannte Persönlichkeiten und sind sie in der Lage selbstständig eine eigene Wahlkampagne durchzuführen?

Damit sich ein Durchschnittswähler für die Durchführung der Vorwahlen interessiert, und seine Wahl bewusst trifft, sollten die Kandidaten den Massen bekannt sein und sich selbständig aktiv an der Wahlkampagne beteiligen. Sonst wird die Auswahl seitens Bürger nur zu einer Formalität und die Ergebnisse der „Primaries“ werden absolut zufällig ausfallen.

Eine ehrliche Antwort auf diese zweite Frage soll den Pool der bürgerlichen Initiativen auf zwei Optionen hinführen:

Wenn der potenzielle Kandidat aus einer Bürgerinitiative oder Organisation keine weit bekannte und erkennbare Person ist, nicht nur im Experten- und Engagiertenmilieu, sondern auch bekannt unter den Wählern des Wahlkreises, und über keine Ressourcen für die Durchführung eigener Wahlkampagne im Wahlkreise verfügt, lohnt es sich, sich nur für die internen „Primaries“ zu entscheiden, um sich danach auf die Förderung eines Kandidaten in einem Wahlkreis zu konzentrieren.

3. Haben denn die Bürgerinitiativen ausreichend organisatorische und finanzielle Ressourcen, um klassische „Primaries“ durchzuführen?

Faire und wahrhaftige „Primaries“ in einem Wahlkreis bedürfen von der Person, die sie veranstaltet, Ressourcen und finanzielle Mittel, die mit den Mitteln in der Kreiswahlkommission vergleichbar sind. Wenn das Ziel dieses Prozesses dem Zweck dienen soll, Missbrauch während der „Primaries“ zu vermeiden, und deren Ergebnisse als verbindlich zu erklären, ist die Identifikation der Wähler, die an den „Primaries“ teilnehmen, obligatorisch, das heißt die Registrierung ihrer vollen Namen und des Meldestatus im Pass.

Aus Angst um den Schutz der privaten Daten wird die Zahl der Wähler sinken, die bei den „Primaries“ abstimmen möchten. Andererseits, um den Forderungen des Gesetzes „ Über den Personendatenschutz“ zu genügen, werden die Datenbanken, die während dieser Arbeit entstehen, eine verbindliche Registrierung erfordern , und können zur Diskreditierung des ganzen Prozesses führen.

Wenn die zivilgesellschaftlichen Aktivisten, die in die Politik gehen, nicht die Absicht verfolgen, die „Primaries“ in eine formelle und transparente Prozedur zu verwandeln, gäbe es eine einfache Alternative dazu: Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung von einem ausgewählten unabhängigen Forschungszentrum, mit dem Ziel eine Umfragewertsliste der potenziellen Kandidaten zu erstellen. Und anhand derer wird über die Kandidaten entschieden.

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Zusammenfassend kann man sagen, dass der erste Schritt für die Festlegung der Wahlmethode für die Direktkandidaten des dritten Sektors die Erstellung einer Liste mit potenziellen Kandidaten sein sollte, die kandidieren möchten. Diese Liste ist mit Hilfe von Verhandlungen mit verschiedenen Bürgernitiativen und politischen Parteien zu erstellen.

Die Analyse dieser Liste wird es möglich machen zu verstehen, ob es sich um einen konkurrenzfähigen Prozess in der ganzen Ukraine handelt, oder ob es notwendig ist über Kandidaten nur in einigen Regionen und Orten abzustimmen, und die restlichen Kandidaten können aufgrund der Zustimmung (im Wahlkreis) oder/und Überprüfung ihres Lebenslaufes aufgestellt werden.

Zudem, ob es möglich ist die Wahl der Kandidaten durch die einfachen Wähler zu organisieren, unter der Bedingung eines minimalen Bekanntheitsgrades der Kandidaten und das sie über genügend Ressourcen für die Wahlkampagne verfügen, oder ob man sich auf interne „Primaries“ beschränken sollte.

Die Antworten auf diese Fragen schränken die Liste möglicher Alternativen ein und geben die Möglichkeit für die notwendige Organisation der „Primaries“ die richtigen Werkzeuge auszuarbeiten.

Mögliche Varianten: Interne „Primaries“ für die Mitglieder und Aktivisten zivilgesellschaftlicher Organisationen; soziologische Umfragen in den Wahlkreisen, in denen die Kandidaten aufgestellt werden; Durchführung vollständiger „Primaries“ in bestimmten Wahlkreisen.

1. Februar 2012 // Iwan Presnjakow, Wiktor TschumakUkrainisches Institut für öffentliche Politik

Quelle: Ukrajinska Prawda

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