In Brüssel wartet niemand auf Kiew
Wie dem “Kommersant-Ukraine“ bekannt wurde, wird auf dem Ukraine-EU Gipfel im September 2008, entgegen den Erwartungen Kiews, der politische Teil des keinen Abkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union nicht unterzeichnet werden. Dies ist verbunden mit der Weigerung Brüssels das Dokument in zwei Teile zu trennen – einen politischen und einen ökonomischen. Der Meinung der EU-Beamten nach, wird das Abkommen mit der Ukraine im besten Fall innerhalb von zwei bis drei Jahren unterzeichnet. Doch ukrainische Politiker glauben wie gehabt an die Möglichkeit der Unterzeichnung des Abkommens im September und rufen Brüssel dazu auf sich an die vorher erreichten Vereinbarungen zu halten.
Die leitenden Organe der Europäischen Union – der Europäische Rat und die Europäische Kommission – erreichten Vereinbarungen, nach denen auf dem Ukraine-EU Gipfel, der am 9. September in Frankreich stattfindet, der politische Teil des neuen erweiterten Abkommens über die Zusammenarbeit der Ukraine und der Europäischen Union nicht unterzeichnet wird. Darüber wurde der “Kommersant-Ukraine“ aus informierte Quelle in der Europäischen Kommission unterrichtet.
“Das Abkommen wird nicht unterzeichnet, das ist eine endgültige Entscheidung. Wir haben darüber bereits das offizielle Kiew unterrichtet. Doch drängt sich uns der Eindruck auf, dass man dort wie gehabt auf dessen Unterzeichnung hofft.”, sagte der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“
Dem “Kommersant-Ukraine“ gelang es nicht glaubwürdige Informationen darüber zu bekommen, wann Brüssel die Entscheidung zu dieser Frage getroffen hatte. Nach einigen Auskünften, wurde die ukrainische Seite über diese Position bereits am 22. Mai informiert – auf der Konferenz “Troika Ukraine-EU” in Ljubljana (Slowenien). Die Ablehnung das vorliegende Dokument im September zu unterschreiben erklärend, sagte man bei der Europäischen Union, dass man nicht beabsichtigt das allgemeine Abkommen mit der Ukraine in zwei Teile zu teilen – einen politischen und einen ökonomischen.
“Das ist die offizielle Position nicht nur der Europäischen Kommission, sondern auch der gesamten Europäischen Union: Der Vertrag soll als komplettes Dokument unterzeichnet werden. Solange nicht alle seine Teile in Übereinstimmung gebracht worden sind, gehen wir davon aus, dass nichts abgestimmt wurde.”, bekräftigte diese Information gegenüber dem “Kommersant-Ukraine“ der Pressesprecher der Vertretung der Europäischen Kommission in der Ukraine David Stulik. Er erinnerte ebenfalls daran, dass die Verhandlungen zum ökonomischen Teil des Abkommen “gerade erst angefangen haben” und sich ausreichend lang hinziehen werden.
Jean-Paul Vesian, der Botschafter Frankreichs, welches der EU zum Zeitpunkt des Septembergipfels Ukraine-EU vorsitzen wird, schließt ebenfalls die Möglichkeit der Unterzeichnung des vorliegenden Dokuments im Verlaufe des Gipfels aus.
“Beide Seiten können mit einer gemeinsamen Erklärung die Leistungen des Verhandlungsprozesses begrüßen. Doch das wird keine Unterzeichnung des gesamten Dokumentes bedeuten.”, erklärte er dem “Kommersant-Ukraine“ (das vollständige Interview mit dem Botschafter Frankreichs in der Ukraine erscheint in der nächsten Ausgabe des “Kommersant-Ukraine“).
Wie bekannt ist, lief Anfang 2008 die Frist der Geltung des momentanen Abkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der Europäischen Union aus. 2006 begannen die Seiten die Verhandlungen über den Inhalt des politischen Teils der neuen Vereinbarung und zum jetzigen Zeitpunkt befinden diese sich im Stadium des Abschlusses. Kiew erwartet, dass in das Dokument ein Punkt über den Beginn der Verhandlungen zur Einführung des visafreien Regimes zwischen der Ukraine und den Staaten der EU und gleichzeitig zu den Perspektiven der Mitgliedsschaft der Ukraine in der Europäischen Union aufgenommen wird.
Derweil begannen die Verhandlungen zum ökonomischen Teil, dessen Hauptpart der Vertrag über die Bildung einer Freihandelszone zwischen der Ukraine und der EU sein soll, erst 2008, nach dem Beitritt der Ukraine in die WTO. Verstehend, dass dieser Teil der Verhandlungen sich einige Jahre hinziehen wird, schlug Kiew Brüssel vor die Freihandelszone in ein getrenntes Dokument zu übernehmen, welches später unterzeichnet wird und den restlichen Teil des Abkommens auf dem Septembergipfel zu unterschreiben. “Es wird die Idee durchgearbeitet, um mit einem verstärkten Abkommen politische Komponenten, Komponenten der Sicherheit, der Justiz, der inneren Angelegenheiten und eine allgemeine Übereinkunft der Konturen des zukünftigen Abkommens zur Freihandelszone zu regeln.”, sagte der stellvertretende Leiter des Präsidialamtes, Alexander Tschalyj (”Kommersant-Ukraine“ vom 29. Februar). Später betonte Wiktor Juschtschenko nicht nur einmal, dass auf dem nächsten Ukraine-EU Gipfel der politische Teil des neuen Abkommens über die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union unterzeichnet wird.
Bemerkenswert, dass man vorher in Brüssel nicht ausgeschlossen hat, dass aus dem Abkommen der problembehaftete ökonomische Teil herausgenommen wird, was eine Unterzeichnung bis Ende des Jahres erlauben würde. “Wir hoffen, dass wir im Herbst auf dem Gipfel Ukraine-EU ein Fazit ziehen können. Dann werden wir sehen, ob wir in diesem Jahr ein Abkommen unterzeichnen können.”, erklärte am 7. April die Vertreterin der Europäischen Kommission Christiane Hohmann. Aus irgendeinem Grund hat sich die Meinung Brüssels geändert – die Europäische Union entschied sich der Ukraine keine Zugeständnisse zu machen.
Ukrainische Beamte prognostizierten in den letzten Monaten mehrfach Fristen für den Abschluss der Verhandlungen zur Freihandelszone. Als optimistischste Prognose erwies sich die von Wiktor Juschtschenko: Er vermutete, dass der Verhandlungsprozess “innerhalb von etwa 12 Monaten” abgeschlossen sei (”Kommersant-Ukraine“ vom 16. Mai). Inzwischen glaubt man auch im Präsidialamt nicht mehr an die Möglichkeit eines “Blitzkrieges”. “Die Verhandlungen zum ökonomischen Teil des Abkommens sind keine einfache Aufgabe. Dabei gibt es viele problematische Momente, insbesondere beim Komplex der industriellen Landwirtschaft – da wir wissen, wieweit die europäische Landwirtschaftspolitik von politischen Vorgaben bestimmt ist. Daher veranschlage in eine Frist in den Grenzen von 20-22 Monaten.”, sagte gestern der Vertreter des Präsidialamtsleiters Andrej Gontscharuk.
Die Vertreter des offiziellen Brüssels verzichten auf die Angabe von Fristen für den Abschluss der Verhandlungen. “Ich kann nur die Worte des Europakommissars Peter Mandelson weitergeben: Wir hoffen, dass alle Bedingungen dafür geschaffen werden, dass das Abkommen so schnell wie möglich unterzeichnet wird.”, sagte dem “Kommersant-Ukraine“ David Stulik. Indessen betonen die europäischen Beamten in Gesprächen ohne Aufzeichnung, dass die Prognosen Gontscharuks “überaus optimistisch sind”. “Wir vermuten, dass die Abstimmung der Parameter der Freihandelszone sich zwei bis drei Jahre hinziehen werden. Doch dafür, um diesen zeitlichen Rahmen einzuhalten, ist es notwendig, dass sich in der Ukraine die politische Situation stabilisiert und dieser Krieg zwischen dem Präsidenten und der Premierin, welchen wir heute sehen, aufhört.”, erklärte der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“.
In der Werchowna Rada rief die Information darüber, dass das bekräftigte Abkommen nicht bis zum Ende des Jahres unterzeichnet wird, Unverständnis hervor. “Die Arbeitsgruppe zum ökonomischen Teil führt Verhandlungen. Ich denke, dass dies bis September beendet sein wird. Und wenn es nicht geschafft wird, dann ist es bis Dezember abgeschlossen. So dass man hier nicht dick auftragen muss. Fristen von zwei bis drei Jahren – das ist augenscheinlich nicht aus dieser Oper.”, sagte dem “Kommersant-Ukraine“ der Abgeordnete der Partei der Regionen, der erste Stellvertreter des Leiters des Parlamentsausschusses zu Eurointegration, Wladimir Wetscherko. “Ich lasse zu, dass auf dem Gipfel das Dokument nicht unterzeichnet wird, doch in diesem Fall findet die Unterzeichnung Ende des Jahres statt.”, verkündete dem “Kommersant-Ukraine“ die Abgeordnete der Fraktion “Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung” und Mitglied des Ausschusses zur Eurointegration, Irina Geraschtschenko.
Sie gab ebenfalls den Einfluss der politischen Krise in der Ukraine auf den Verhandlungsprozess zu. “Wir werden keine Rosabrille aufsetzen und sagen, dass Europa die politische Situation in der Ukraine kalt lässt.”, sagte Geraschtschenko, ihre Sicherheit ausdrückend, dass Wiktor Juschtschenko einen Sieg in seiner strategischen Linie erreichen wird. Wetscherko betonte, dass Brüssel “uns nicht seine Bedingungen aufdrücken [soll] und das erfüllen soll, was wir mit ihnen vereinbart haben”.
Vertreter der Europäischen Union drückten im Gespräch mit dem “Kommersant-Ukraine“ ihre Besorgnis über den Fakt aus, dass ukrainische Politiker und Journalisten bis jetzt sich sicher sind in der Unterzeichnung eines neuen Vertrages bis Ende 2008. In Brüssel schließt man nicht aus, dass die verzerrte öffentliche Meinung zu dieser Frage bewusst erzeugt wurde. “Es sieht so aus, das dies ein taktischer Zug des Präsidenten der Ukraine ist. Offensichtlich, hoffen sie darauf, dass die Medien Druck auf unsere Position ausüben und den Gang der Verhandlungen ändern.”, vermutete einer der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“.
Die Verzögerung der Unterzeichnung des neuen Abkommens mit der EU, hält, ohne Frage, die Umsetzung einer Reihe von Programmen der Eurointegration der Ukraine an. Insbesondere, aufgrund dessen kann der Beginn der Verhandlungen über die Einführung des visafreien Verkehrs für die Bürger der Ukraine bei Reisen in die Länder der Europäischen Union aufgeschoben werden. Inzwischen kann Kiew die zusätzlichen zwei Jahre dafür nutzen, um mit Brüssel annehmbarere Fassungen der Perspektiven der Ukraine für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union auszuhandeln.
Quelle: Kommersant-Ukraine