Die Daten zum ukrainischen Bruttoinlandsprodukt werden jetzt nur noch quartalsweise veröffentlicht
Das Staatliche Komitee für Statistik hält die Zahlen des Rückganges des Bruttoinlandsproduktes (BIP) geheim und Premierministerin Julia Timoschenko hat die Möglichkeit erhalten bis zur Mitte des Frühlings die reale Situation in der Wirtschaft zu verbergen. Gestern verzichtete das Statistikamt auf die monatliche Berechnung der Entwicklung des BIP – jetzt wird der Wert nur noch quartalsweise veröffentlicht. Beim Wirtschaftsministerium erklärt man diesen Schritt mit der geringen Genauigkeit der monatlichen Berechnungen. Experten und Politiker gehen davon aus, dass der plötzliche Übergang ausschließlich politische Ursachen hat und
Unterschlagung der statistische Information lediglich die ökonomische Krise verstärkt.
Gestern verzichtete das Staatliche Komitee für Statistik, entgegen der üblichen Arbeitsweise, darauf, die Daten der Entwicklung des BIP der Ukraine im Januar zu veröffentlichen. “In Verbindung mit dem Übergang zu internationalen Standards wird der Wert der Entwicklung des BIP von diesem Jahr an einmal im Quartal veröffentlicht”, sagte man der Nachrichtenagentur “Interfax-Ukraina” beim Komitee, hinzufügend, dass die Behörde die monatliche Veröffentlichung von Informationen zur Arbeit einzelner Sektoren der Wirtschaft beibehält: der Landwirtschaft, der Industrie, des Baus und des Transports.
Die Handlung des Statistikamtes ist unerwartet gekommen: das Komitee hat den Übergang zum neuen Berechnungssystem des BIP nicht angekündigt und die Berichterstattung über den Januar sollte die Tiefe des Falls der Wirtschaft der Ukraine anzeigen. Im Jahr 2008 stieg das BIP insgesamt um 2,1% und für 2009 prognostiziert der IWF einen Rückgang um 5%. Die Regierung Julia Timoschenko ist mit diesen Prognosen nicht einverstanden und prognostizierte ein Wachstum der Wirtschaft von 0,4%. Jetzt sagt die absolute Mehrheit der Ökonomen einen Rückgang voraus: von 8% (Prognose des IWF) bis 10-15% (Prognose der Zentralbank).
Beim Wirtschaftsministerium erzählte man dem “Kommersant-Ukraine“, dass man bereits seit langem dem Staatlichen Statistikkomitee vorgeschlagen hat, von der Praxis der monatlichen Publikation des realen BIP abzugehen. “Diese Information, die monatlich berechnet wird, leidet unter hohen Ungenauigkeiten, die uns zu Irrtümern bei unseren Kalkulationen führt”, sagt die Stellvertreterin des Wirtschaftsministers, Irina Krjutschkowa. “Für uns reicht die Orientierung auf monatliche Entwicklungsstatistiken einzelner Branchen. Dies gibt die notwendige Information zur realen Situation in der Wirtschaft”. Mit diesen Argumenten stimmt der Ökonom der Weltbank, Ruslan Piontkowskij überein: “Die quartalsweise Berechnung entspricht mehr der weltweiten Praxis, nur wenige Länder veröffentlichen monatliche Daten zum Anstieg des BIP. Zumal man in diesem Fall das BIP nicht nur nach einem Wert – der Produktion – berechnen kann, sondern auch über den Unterschied zwischen Konsum und Einkünften”.
Der Direktor der Wirtschaftsprogramme des Rasumkowzentrums, Wassilij Jurtschischin, nennt die Maßnahme des Statistikamtes politisch. “In den Ergebnissen des Januars wurde ein spürbarer wirtschaftlicher erwartet und, indem das Statistikamt die BIP Statistik veröffentlicht, hätte das Staatliche Komitee für Statistik das Problem des Rückgangs und die Verantwortung der Regierung enthüllt. Jedoch ohne Daten gibt es keine Kritik”, sagt er. Die Daten zur Schrumpfung im Januar sind nicht tröstlich: der Rückgang im Bau betrug 57,6%, im Transport 35,1%, im Einzelhandel 7,8%. Ein Anstieg wurde in der Landwirtschaft verzeichnet – insgesamt um 0,5%. Entgegen den Plänen, veröffentlichte das Statistikamt keine Daten zur Industrie (diese wurden wohl erst nach Redaktionsschluss veröffentlicht, siehe vorhergehender Artikel A. d. Ü.).
Den Übergang zum neuen Berechnungssystem des BIP hätte man verschieben müssen, sind Parlamentsabgeordnete überzeugt. “Die Entscheidung, welche den Zugang zu Informationen zur Entwicklung der Wirtschaft des Landes verringert, wirkt sich sehr negativ auf das Vertrauen zum ökonomischen System der Ukraine aus”, betont die Parlamentsabgeordnete, Xenia Ljapina (Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung). “Unter Krisenbedingungen muss diese Information, dagegen aller halben Monat gegeben werden. Falls das Statistikamt sich auf europäische Erfahrung beruft, so muss man sagen, dass Eurostat, neben der Veröffentlichung des BIP einmal im Quartal, monatlich operative Daten bekannt gibt”, sagt der Abgeordnete Alexej Plotnikow (Partei der Regionen).
Jurij Pantschenko
Quelle: Kommersant-Ukraine