Die Deutschen haben das Heranreifen der gefährlichsten europäischen Krise verschlafen
Das Europäische Parlament empfiehlt den EU-Ländern, sich auf die Einführung von Sanktionen gegen ukrainische Regierungsangehörige und Oligarchen vorzubereiten. Jedoch Deutschland, das einer der Hauptmotoren dieser Union ist, ist offenbar nicht dazu geneigt.
Im Zusammenhang mit der politischen Krise in der Ukraine geriet Berlin in eine schwierige Situation, was ihre Darstellung nach außen betrifft. Kaum wurde die neue deutsche Regierungskoalition gebildet und kaum begann sie mit der Entwicklung eines neuen Sicherheitskonzeptes, stand sie plötzlich vor einem konkreten außenpolitischen Problem – der ukrainischen „Revolution“.
Deutschland muss nun seine politische Zahlungsfähigkeit beweisen, und zwar nicht irgendwo im Afghanistan oder Afrika, sondern direkt an der EU-Grenze, zwei Flugstunden von Berlin entfernt.
Die Meinungen im deutschen Kommandostab gehen bereits auseinander. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, für sie sei es jetzt nicht an der Zeit, Sanktionen zu diskutieren. Hingegen schlägt ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor, als Instrumente der Krisenlösung in der Ukraine schon vor diesem Wochenende auf Sanktionen zu setzen.
Die deutsche Presse ist verwirrt. Steckt die „neugeborene“ Koalition schon jetzt in einer Regierungskrise? Ober ist es ein Wunsch, in keinen offenen Konflikt mit Moskau zu geraten?
Die allgemeine Stimmung im Lande ist ungefähr folgende: Mit Erstaunen werden sich die Deutschen dessen bewusst, dass, indem sie die Assoziierungsverhandlungen mit der Ukraine ihren jüngeren EU-Partnern – Polen, Schweden und den Ländern des Baltikums – überließen, sie das Heranreifen der gefährlichsten europäischen Krise seit der Blockade von Westberlin verschlafen haben.
Der vor Kurzem ernannte Russland-Koordinator der Bundesregierung Gernot Erler musste vor der Presse zugeben, dass die EU in eine Situation der offenen Konkurrenz mit Moskau geraten sei. In dieser Konfrontation stehen nicht nur 20 Milliarden Dollar Kredit für Kyjiw (Kiew) auf dem Spiel, sondern auch einige ideelle Dinge, wie der politische Ruf und die zivilisatorische Attraktivität des Westens.
In Deutschland wächst die Überzeugung, dass Russland gegenüber in manchen Fragen doch Zugeständnisse gemacht werden müssen. Der wissenschaftliche Direktor des Deutsch-Russischen Forums Alexander Rahr äußerte dazu die Meinung, dass Europa sich mit einer offensichtlichen geopolitischen Realität abfinden müsse, das heißt Moskau darin zustimmen, dass die Russische Föderation kein Teil der europäischen Zivilisation sei und ihre humanitäre Werte nicht teile und keine Illusionen bezüglich des gemeinsamen europäischen Raumes von Atlantik bis Wladiwostok mehr hegen brauche.
Mit anderen Worten, man solle alle Fantasien im Sinne der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vergessen und dem Kreml das Recht anerkennen, seine „russische Welt“ zu bauen und die jetzigen „traditionellen russischen Werte“ – Autoritarismus, Homophobie, Obskurantismus und Nationalismus – nicht nur in Russland, sondern in allen russischen Grenzländern durchzusetzen.
Stattdessen solle Europa die beiderseits günstige wirtschaftliche Zusammenarbeit ganz einfach pragmatisch entwickeln und mit Moskau um preiswerte Gasverträge feilschen.
Deutschland ist sich fast sicher, welche Antwort seine Bürger auf die Frage geben würden: Sollen sie von ihren Steuern die Integration eines Landes finanzieren, dessen Präsident, statt einen Bürgerkrieg zu verhindern, zu Wladimir Putin nach Sotschi fährt, um dort das Olympische Feuer anzuzünden?
Viel vernünftiger wird es sein, diesem Präsidenten seine Spielereien zu lassen, einige Hunderte politische Flüchtlinge zu beherbergen, mit Moskau nicht zu streiten und an der polnischen Grenze eine neue Berliner Mauer zu bauen.
7. Februar 2014 // Wolodymyr Perepedja
Quelle: theinsider.com.ua
Übersetzerin: Olha Sydor