Drei Jahre ohne VKontakte: Wo unterhalten sich die Ukrainer im Internet und was wird aus dem Verbot der russischen sozialen Netzwerke
Die Besucherzahl der sozialen Netzwerke VKontakte und Odnoklassniki ist in der Ukraine auf ein Drittel bis ein Fünftel gefallen und Facebook und Instagram legen zu. Die Ekonomitschna Prawda hat untersucht, wie sich die Netzprioritäten der Ukrainer verändert haben.
In den letzten drei Jahren fiel die Besucherzahl des sozialen Netzwerks VKontakte in der Ukraine um mehr als 80 Prozent und die von Odnoklassniki um mehr als zwei Drittel.
Diese beiden sozialen Netzwerke, einst die beliebtesten im Lande, werden jetzt von zehn Prozent der ukrainischen Internetnutzer besucht. Zugleich damit stiegen die Besucherzahlen von Facebook und besonders von Instagram.
Die Besucherzahlen der russischen sozialen Netzwerke brachen nach dem Ukas von Ex-Präsident Petro Poroschenko über die Sanktionen gegen russische juristische Personen ein.
Der Ukas wurde damit motiviert, dass den Angaben des Geheimdienstes SBU nach, russische Geheimdienste einen hybriden Krieg gegen die Bevölkerung der Ukraine führen, dabei in ihren Geheimoperationen die Internetressourcen von VKontakte, Odnoklassniki und Mail.ru nutzend [die Yandex-Dienste sind in der Ukraine ebenso gesperrt, A.d.Ü.].
Gemäß dem Ukas sind die ukrainischen Internetprovider dazu verpflichtet den Zugang zu russischen Internetressourcen zu sperren, die auf die Sanktionsliste geraten sind.
Die Ekonomitschna Prawda hat untersucht, wie sich die Vorlieben der Ukrainer im Bereich der Nutzung der sozialen Netzwerke verändert haben und was die Vertreter der neuen Regierung über das Verbot denken.
Warum in der Ukraine die russischen sozialen Netzwerke verboten wurden
Darüber, dass das Internet, die sozialen Netzwerke und Mobiltelefone sich in ein effektives Instrument der Innen- und Außenpolitik verwandelt haben, schrieb der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin in seinem Artikel „Russland und die sich ändernde Welt“ zwei Jahre vor der Entfachung des aggressiven Krieges gegen die Ukraine – im Februar 2012.
„Im Umlauf sind immer öfter auch solche Begriffe, wie ‚Softpower‘ – ein Komplex an Instrumenten und Methoden zur Erreichung außenpolitischer Ziele ohne die Anwendung von Waffen und über informationelle und andere Wirkungshebel“, schrieb Putin.
Seinen Worten zufolge werden diese Methoden für die Heranzüchtung und Provozierung von Extremismus, Separatismus, Nationalismus, manipuliertem gesellschaftlichen Bewusstsein, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten genutzt.
Als bezeichnendes Beispiel für die Einmischung Russlands in die Innenpolitik eines souveränen Staates mit Hilfe des sozialen Netzwerks VKontakte wurde die Anfrage des FSB an den Generaldirektor des sozialen Netzwerks Pawel Durow mit der Bitte die Registrierungsdaten der Autoren und Administratoren proukrainischer Gruppen zur Verfügung zu stellen.
Damals verweigerte Durow das dem Geheimdienst, doch einen Monat später war er gezwungen seinen Anteil am sozialen Netzwerk „aufgrund eines Konflikts mit dem FSB“ zu verkaufen. Infolgedessen wurde das Netzwerk VKontakte komplett vom Putin-Freund Alischer Usmanow, dem Mitbesitzer von Odnoklassniki und der Mail.ru Group aufgekauft.
Das russische Gesetz zu Informationstechnologien verpflichtet die örtlichen sozialen Netzwerke den gesamten durch Nutzer generierten Inhalt zwischen sechs Monaten und einem Jahr zu speichern. Die sozialen Netzwerke sind verpflichtet, diesen Inhalt auf Anforderung der föderalen Organe der Exekutive zur Verfügung zu stellen.
Wie sich in den vier Jahren die Besucherzahl der sozialen Netzwerke verändert hat
Den Angaben der Internetassoziation der Ukraine nach fiel der Anteil der ukrainischen Internetnutzer, die täglich VKontakte nutzen, von September 2016 bis September 2019 von 54 auf 10 Prozent. Wenn man nach der jährlichen Dynamik urteilt, setzt sich der Rückgang 2020 fort. In der gleichen Periode fiel der Anteil der täglichen ukrainischen Nutzer von Odnoklassniki von 35 auf 10 Prozent.
Gleichzeitig stiegen die Besucherzahlen von Facebook und Instagram.
Die Reichweite (die Zahl der Internetnutzer, die diese Ressource mindestens einmal im Monat besuchen) der russischen sozialen Netzwerke bei den Internetnutzern der Ukraine fiel in den drei Jahren um zwei Drittel. Dabei stieg die Reichweite der alternativen Facebook und Instagram dabei weniger deutlich.
Im Ergebnis verschlechterten sich die Positionen der sozialen Netzwerke der Russischen Föderation im Rating der 25 meistbesuchten Internetseiten in der Ukraine und die Positionen der Seiten anderer Länder verbesserten sich.
Die ukrainischen Nutzer von Android-Geräten interessieren sich mit jedem Jahr weniger für das soziale Netzwerk Vkonktate, während Facebook und Instagram eine geringfügige positive Dynamik zeigen.
Facebook in der Ukraine
In einer Untersuchung des ukrainischen Auditoriums von Facebook bekräftigt die Agentur PlusOne, dass das amerikanische soziale Netzwerk in der Ukraine dynamisch wächst.
Anfang 2019 nutzten 13 Millionen Ukraine das Netzwerk. 2018 stieg ihre Zahl um drei Millionen oder um 30 Prozent und innerhalb von fünf Jahren um 9,8 Millionen oder um 306,2 Prozent. „Facebook wurde zu einem der wichtigsten Kommunikationskanäle in der Ukraine. Das betrifft sowohl die Wirtschaft als auch das politische Segment“, behauptet PlusOne.
In der Ukraine gibt es 42,2 Millionen Einwohner, von denen 21,4 Millionen das Internet nutzen und 13 Millionen Facebook.
Die Ukraine steht merklich hinter den Ländern Westeuropas beim Durchdringungsniveau von Facebook zurück, doch liegt sie bedeutend vor der Russischen Föderation und Weißrussland.
8,8 Millionen Ukrainer gehen ins soziale Netzwerk nur über das Mobiltelefon, 1,2 Millionen lediglich per Desktopcomputer und 3 Millionen sowohl von Desktop als auch per Mobiltelefon. In der Altersgruppe von 18-24 Jahren nutzen das Netz 2,1 Millionen Menschen, von 25-35 Jahren – 4,6 Millionen, zwischen 36 und 45 Jahren – 3 Millionen. Zudem ist die Ukraine führend in der Welt beim Anteil der weiblichen Nutzer von Facebook – 59 Prozent.
Die populärsten Smartphone-Marken unter den ukrainischen Facebook-Nutzern sind Samsung (3,9 Millionen), Xiami (2,7 Millionen) und iPhone (2,5 Millionen).
Instagram in der Ukraine
Instagram wächst in der Ukraine dynamisch, heben die Experten von PlusOne hervor. Wenn 2017 das Netzwerk 3,8 Millionen Menschen nutzten, dann 2018 bereits 7,3 Millionen.
2018 stieg die Zahl der Nutzer um 50,7 Prozent – von 7,3 Millionen auf 11 Millionen und die mobile Anwendung Instagram belegte den ersten Platz im Land bei der Zahl der Downloads unter den Anwendungen sozialer Netzwerke.
Im März 2019 nutzten das Netzwerk bereits elf Millionen Einwohner.
Instagram wächst bedeutend schneller als Facebook. Wenn das Wachstumstempo des ukrainischen Auditoriums von Instagram beibehalten wird, dann wird dieses soziale Netzwerk Ende 2019 in der Ukraine sich eng dem Umfang des Auditoriums von Facebook annähern.
Beim Durchdringungsniveau hat Instagram in der Ukraine die Werte von Frankreich und Deutschland erreicht. Wenn der Trend beibehalten wird, dann übertrifft die Ukraine sie bis Ende 2019.
Bemerkenswert ist, dass Tscherniwzi beim Durchdringungsniveau von Instagram Kyjiw übertrifft. Dafür sieht im Hinblick auf die Nutzung der mobilen Anwendung die Führungstroika logisch aus: die Gebiete Kyjiw, Odessa und Charkiw.
Instagram kann in der Ukraine mit Recht als jugendliches soziales Netzwerk bezeichnet werden.
2,6 Millionen Nutzer gehen in Instagram von ihren mobilen Geräten mit dem Betriebssystem iOS, 8,5 Millionen von Android, 100.000 von beiden Systemen. Die Popularität der Marken ist bei den Geräten so aufgeteilt: 3 Millionen – Samsung, 2,5 Millionen – iPhone, 2,5 Millionen – Xiaomi, 1,6 Millionen – Huawei.
Die Zukunft der russischen sozialen Netzwerke in der Ukraine
Drei Jahre nach der Ausgabe des Ukas zu Blockierung der russischen sozialen Netzwerke kann man behaupten, dass er sein Ziel erreicht hat. Die Besucherzahl der unter Kremlkontrolle stehenden Ressourcen sank um zwei Drittel bis 80 Prozent und sinkt weiter.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bisher seine Position zur Blockierung der russischen Ressourcen nicht deutlich artikuliert.
Bis zum Amtsantritt gab er keine deutliche Antwort auf die Frage, ob das Verbot der sozialen Netzwerke der Russischen Föderation aufgehoben wird. Seinen Worten nach führte die Blockierung dazu, dass die Leute das Verbot zu umgehen begannen.
Selenskyj fügte hinzu, dass die Ukrainer eine Diskussionsplattform brauchen.
„Worin besteht unser Problem? Wir haben der Gesellschaft nichts vermittelt. Erkläre und erzähl den Menschen: ‚Leute, Ihr meint also, dass das weiter arbeiten soll, nachdem was dort geschrieben wurde?‘ Die gesamte Gesellschaft sagt: ‚Danke, dass du mich gefragt hast.‘
Und stimmt der Schließung zu. Doch zuerst muss man bei jeder Entscheidung die Gesellschaft einigen, erklären why, ein Modell vorschlagen und dann schließen“, sagte Selenskyj.
Unterdessen haben die letzten drei Jahre gezeigt, dass die Zahl der Leute, die das Verbot für den Zugang zu den sozialen Netzwerken der Russischen Föderation umgehen, um zwei Drittel bis 80 Prozent gesunken ist und als Diskussionsplattform haben die Ukrainer Facebook und Instagram gewählt.
14. November 2019 // Wsewolod Nekrassow
Quelle: Ekonomitschna Prawda