Geld im Austausch für Reformen



Die Ukraine beabsichtigt, sich bis zum 29. Januar mit dem IWF hinsichtlich der Bedingungen einer erweiterten Kreditfazilität (Extended Fund Facility – EFF) zu einigen.

Dies erklärte die Finanzministerin Natalja Jaresko auf dem Wirtschaftsforum in Davos.

In letzter Zeit zehrte das Finanzministerium von Meldungen aus Davos.

Am Montag wird die ukrainische Delegation mit neuen Informationen zurückkehren. Einschließlich zu den neuen Bedingungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem IWF sowie der Höhe des vereinbarten Kredits.

Früher erklärte das Ministerium, dass Kiew von ausländischen Kreditgebern 15 Milliarden USD erwartet und dies sei „eine winzige Summe verglichen mit den Geldern, die Griechenland während der Finanzkrise gewährt wurden“.

Seit 2010 haben die EU, der IWF und die Europäische Zentralbank etwa 240 Milliarden Euro für die Rettung Griechenlands vor dem Bankrott ausgegeben. Jetzt hat der Fonds das Kreditprogramm mit dem Land ausgesetzt.

Gemäß Reuters-Quellen in der griechischen Regierung hat Athen begonnen, mit dem IWF über einen Ausstieg aus dem Programm zu verhandeln. In Kiew wächst dagegen der Geldhunger. Im Finanzministerium spricht man nicht mehr von 15, sondern 27 Milliarden Dollar.

Bis jetzt arbeiten die Ukraine und der IWF im Rahmen eines Stand-by Arrangements (SBA) zusammen. Diese Bereitschaftskreditvereinbarungen werden Ländern mit vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und schwacher Reserveposition zur Verfügung gestellt.

Das Geld wird zur Aufstockung der Gold- und Währungsreserven genutzt. Die Dauer des Programms beträgt 2,5 Jahre und die Kreditlinie soll innerhalb von fünf Jahren zurückgezahlt werden.

Der EFF sieht für höchstens vier Jahre eine Mittelzuweisung vor. Das EFF-Programm ist für Länder mit ernsthaften Zahlungsbilanzschwierigkeiten infolge struktureller Probleme vorgesehen.

Die Mittel sind sowohl für die Aufstockung der Gold- und Währungsreserven als auch zur Beseitigung des Haushaltsdefizits vorgesehen. Im Gegensatz zum Stand-by-Programm, sieht der EFF aber eine längere Frist für die Rückzahlung des Kredits vor – bis zu zehn Jahre.

Aus der Perspektive des Finanzministeriums würde das neue Programm der Ukraine erlauben, zum wirtschaftlichen Wachstum zurückzukehren, genügend Devisenreserven aufzubauen, um anschließend die Wirtschafts- und Finanzstabilität herzustellen.

Die zwingende Bedingung des EFF – harte Reformen. Damit hat Kiew allerdings Probleme. Bislang waren sämtliche Maßnahmen und Verlautbarungen des Ministerkabinetts auf eines ausgerichtet: um jeden Preis Geld zu bekommen – und das so schnell wie möglich.

Programm mit Bedingungen

Gemäß Jaresko sind Verhandlungen des Finanzministeriums mit den Gläubigern, die die ukrainische Staatsverschuldung finanzieren, zur Verbesserung der mittelfristigen Finanzstabilität vorgesehen.

Hinter dieser vagen Formulierung verbirgt sich die Umschuldung von Eurobonds. Seit 2005 hat die Ukraine Bonds in Höhe von 18,15 Milliarden USD platziert.

Gemäß dem Leiter der Abteilung für die Arbeit mit Schuldtiteln auf dem lokalen Markt von Concorde Capital, Jurij Towstenko, sei eine „weichere“ Umschuldung für die Ukraine vorteilhafter.

„Worin der Vorteil besteht? Durch eine weiche Umschuldung könnte man die Schuldenfrist bei einem niedrigeren Zinssatz verlängern und einen Schuldenerlass umgehen, um so eine Herabstufung zu vermeiden“, sagt er.

Als am problematischsten werden die Verhandlungen zur Umschuldung der 3 Milliarden USD schweren Bonds, die Russland Ende 2013 aufkaufte, eingestuft. Die Anleihe wird 2015 fällig.

Seinerzeit hatte die russische Seite erklärt, dass es eine vorzeitige Tilgung fordern könne. Die Ukraine habe angeblich die Vertragsbedingungen verletzt, indem sie eine Staatsverschuldung von über 60 Prozent des BIP zugelassen habe.

Infolge der Hrywnja-Abwertung im November stieg die Gesamtverschuldung der Ukraine auf über 1,3 Billionen Hrywnja (etwa 65 Milliarden Euro).

Bislang kann die Russische Föderation aus einem einfachen Grund keine vorzeitige Tilgung der Bonds verlangen: Es gibt keine offiziellen Zahlen zum BIP. Diese sollte es im März geben. Dann kann Moskau Kiew erneut für wirtschaftliche Probleme sorgen.

Der Fokus liegt auf Krediten

Neben IWF-Krediten arbeitet Kiew aktiv daran, andere Kredite internationaler Organisationen zu erhalten. 2014 rechnete das Ministerkabinett mit der Hilfe der internationalen Geldgeber für den Wiederaufbau des Donbass.

Ein Spezialfonds aus diesen Geldern sowie Mitteln ukrainischer Oligarchen wurde ebenso diskutiert. Für Letztere sollten Anreize zur aktiven Finanzierung des Wiederaufbaus der zerstörten Infrastruktur geschaffen werden.

Mit der Zeit ist diese Idee in Vergessenheit geraten und die Diskussionen über die internationalen Finanzhilfen verstummten.

Das Finanzministerium erklärte der Ekonomitscheskaja Prawda gegenüber, dass man hofft, auf der internationalen Geberkonferenz den Jackpot zu ziehen. Infolge der Ereignisse im Osten wurde diese bereits um ein Jahr verschoben. Die Konferenz wird aller Wahrscheinlichkeit nach frühestens im April stattfinden.

Inzwischen legt das Finanzministerium seinen Schwerpunkt auf Kredite. Die Mittel, die Kiew 2015 erwartet, lassen sich in zwei Blöcke aufteilen: in diejenigen, die von den Vereinbarungen mit dem IWF abhängen, und diejenigen, die die Geldgeber unabhängig von den Verhandlungen mit dem Fonds zu zahlen bereit sind.

Zum ersten gehören Darlehen für den allgemeinen Fonds des Staatshaushalts. Diese Mittel können für was auch immer aufgewendet werden, unter anderem für die Beseitigung des Defizits. Zum zweiten gehören zweckgebundene Kredite, insbesondere für den Wiederaufbau des Donbass. Der Ekonomitscheskaja Prawda sind Einzelheiten zu den Verhandlungen über diese Darlehen bekannt.

Das vom Fonds abhängige Kreditpaket sieht folgendermaßen aus:

1. Kredite der Weltbank

In den Jahren der Zusammenarbeit hat die Weltbank der Ukraine 49 Kredite in Höhe von insgesamt 9,7 Milliarden USD bewilligt. Davon hat die Ukraine 7,3 Milliarden USD erhalten. 2014 allein erhielt die Ukraine 1,25 Milliarden USD von der Weltbank.

Momentan verhandelt das Finanzministerium über eine Anweisung einer weiteren Milliarde USD für 2015. Diese Mittel sollen folgendermaßen verteilt werden: 500 Millionen USD zur Stützung des Finanzsektors und die übrigen 500 Millionen USD für Entwicklungsprogramme in unterschiedlichen Bereichen.

2. Kredite der KfW Bankengruppe

Anteilseigner der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) sind zu 80 Prozent der Bund und zu 20 Prozent die deutschen Bundesländer. Die Bilanzsumme beträgt mehr als 495 Milliarden Euro. In der Ukraine agiert die KfW Bankengruppe über die KfW Entwicklungsbank im Auftrag der Bundesregierung.

Momentan befinden sich drei Projekte in der Umsetzungsphase: das Programm zur Vorzugskreditierung des ländlichen Raums in Höhe von neun Millionen Euro, Modernisierung der Kraftwerke in Höhe von 80,65 Millionen Euro sowie zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen in Höhe von 12 Millionen Euro.

Bekanntermaßen hat sich Deutschland zu einer zusätzlichen Kreditierung der Ukraine in Höhe von 500 Millionen Euro bereit erklärt. Davon gehen, wie der Ekonomitscheskaja Prawda im Finanzministerium mitgeteilt wurde, 200 Millionen Euro in den allgemeinen Fonds. Die restliche Summe ist für den Wiederaufbau des Donbass vorgesehen.

3. Kredit der Japanischen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit

Es geht um 300 Millionen Dollar. Der Ukraine wurde freigestellt, Zinssatz, Laufzeit und tilgungsfreie Zeit zu wählen. Die japanische Seite bietet vier mögliche Varianten an: einen Zinssatz von 30 Prozent für zehn Jahre, 25 Prozent für sieben Jahre, 20 Prozent für sechs Jahre und 15 Prozent für fünf Jahre.

Gemäß Quellen der Ekonomitscheskaja Prawda tendiert die ukrainische Regierung zur ersten Variante. Am 17. Januar hat das Finanzministerium ein entsprechendes Schreiben an die japanische Botschaft gesandt. Die nächsten Schritte sind die Ausarbeitung der Dokumente, Verhandlungen und die Ratifizierung der Vereinbarung in Form eines Noten-Austauschs.

4. Hilfe der Europäischen Kommission

Kiew verhandelt mit der Europäischen Kommission über eine Makrofinanzhilfe in Höhe von 250 Millionen Euro. Diese ist der „Schwanz“ von insgesamt 610 Millionen Euro, den Löwenanteil hat die Ukraine bereits erhalten.

Ebenso hat Kiew die Zuweisung einer neuen Tranche bei der Europäischen Kommission beantragt. Ursprünglich ging es um 1,8 Milliarden Euro. Mittlerweile wird bereits von einer Erhöhung der Summe auf 2,4 Milliarden Euro gesprochen.

Zusätzlich zu den bereits genannten 300 Millionen Euro von der KfW will die Europäische Investitionsbank 200 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Donbass bereitstellen. Die Mittel sollen ausgewählten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.

Zudem möchte das Finanzministerium 2015 von der EBRD 150 Millionen Euro für zweckgebundene Investitionsprojekte erhalten. Parallel soll für die Ukraine ein Fonds in Höhe von 15-20 Millionen Euro geschaffen werden.

Bislang wurde dieses Vorhaben, wie der Ekonomitscheskaja Prawda im Finanzministerium erklärt wurde, nicht in die Wege geleitet. Es wird davon ausgegangen, dass diese Mittel für Projekte im Banken-, Energie- und Unternehmenssektor sowie zur Wiederherstellung der Infrastruktur und Verbesserung des Investitionsklimas vorgesehen sind.

„Zum Wiederaufbau des Donbass werden die Gläubiger Geldmittel bereitstellen, ohne das Ende des Kriegs abzuwarten. Sie sind bereit, die Wiederherstellung der Infrastruktur in den von Kiew kontrollierten Gebieten sowie in den an die ATO-Zone angrenzenden Gebieten zu finanzieren“, sagte eine Quelle im Finanzministerium.

Eine Geldspritze für die abtrünnige Region vor Ende des Krieges ist ein risikoreiches Vorhaben. Die Grenze zwischen dem von Kiew kontrollierten und nicht kontrollierten Gebiet ist vorläufig und kann sich noch in die eine oder andere Richtung verschieben. Fertiggestellte Bauprojekte könnten wieder zerstört werden.

Werden stärkere Kontrollen hinsichtlich der Verteilung der Mittel veranlasst? Wer genau wird über diese verfügen? Ohne eine stärkere Kontrolle und einem Ende des Krieges im Donbass könnten hunderte Millionen Dollar internationaler Hilfe in einem schwarzen Loch verschwinden.

Zuerst das Geld, dann die Reformen

Vor der Auszahlung von Tranchen fordern die Geldgeber Reformen. In dieser Frage ist vor allem der IWF ein „Kontrollfreak“.

Hinsichtlich der Reformen hat sich eine paradoxe Situation ergeben. Ende 2014 hat das Parlament blindlings einen scheinbar ausgeglichenen Haushalt verabschiedet, der auf der Steuerreform und Dezentralisierung beruht.

Diese Reformen können faktisch Anlass zu Diskussionen hinsichtlich der Auszahlung der Tranchen werden. Das Problem ist, dass diese in Rohform verabschiedet wurden und eingebrachten ad hoc Nachbesserungen versprechen Haushaltslöcher.

Ebenso sieht der Haushalt keine Lösung für das Defizit von Naftogas oder eine bedeutende Reduzierung der Sozialausgaben vor. Dies wird aber vom IWF gefordert. Zudem fordert der Fonds laut Jaresko die Umsetzung der Antikorruptionsinitiativen – und zwar nicht nur auf dem Papier.

„Grundsätzlich interessiert den IWF die Umstrukturierung des Staatlichen Steuerdienstes, insbesondere die Behandlung wichtiger Steuerzahler. Im März müssen wir einen entsprechenden Umstrukturierungsplan einreichen“, sagte der Leiter des Staatlichen Steuerdienstes der Ukraine, Igor Bilous.

Hinsichtlich des Steuersystems fordert der IWF unter anderem die Überführung der Landwirte in das allgemeine Steuersystem. „Wir unterstützen die Überführung der Großunternehmen in das allgemeine System, während Vergünstigungen für Kleinunternehmen beibehalten werden sollen. Es wurden auch andere Möglichkeiten diskutiert. Bislang gibt es aber keine Entscheidung“, sagt er.

Auch die Weltbank knüpft die Gewährung von Mitteln an bestimmte Bedingungen. Viele von diesen wurden bislang nicht erfüllt. So wurden bis dato weder das Gesetz zum Rechnungshof, noch das zur Stärkung der Unabhängigkeit der lokalen Regulierungsbehörden oder zum Anlegerschutz verabschiedet.

24. Januar 2015 // Galina Kalatschowa

Quelle: Ekonomitscheskaja Prawda

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