In Jalta stellten sich die drei aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten der Weltöffentlichkeit vor


Am letzten Wochenende fand in Jalta der VI. Gipfel der “Europastrategie” statt. An diesem nahmen Premierministerin Julia Timoschenko, der Führer der Partei der Regionen, Wiktor Janukowitsch, und der Parlamentsabgeordnete, der Führer der Gesellschaftsinitiative “Front Smin/Front der Veränderung”, Arsenij Jazenuk, teil. Jeder von ihnen erzählte davon, womit er zu den Präsidentschaftswahlen antritt und es erwies sich, dass es keine Unterschiede zwischen den zukünftigen Kandidaten gibt – alle treten für eine Konsolidierung der Gesellschaft, notwendige Reformen des Systems und pragmatische Beziehungen in der Außenpolitik ein.

Die offizielle Eröffnung des VI. Gipfels der “Jaltaer Europastrategie” (YES) unter der Bezeichnung “Die Ukraine und die Welt nach der Krise”, fand am Freitag im Liwadija-Palast statt.

“Die globale Wirtschaftskrise begann in einem Land, in einem Wirtschaftssektor, doch breitete sie sich sehr schnell über alle Länder und alle Sektoren aus”, erklärte der Gründer des Gipfels, der Unternehmer Wiktor Pintschuk. Unter diesen Bedingungen ist offensichtlich, dass die einzig mögliche Lösung die Vereinigung der Anstrengungen und das gemeinsame Handeln ist, sowohl im Weltmaßstab, als auch in jedem einzelnen Lande.”??

Der Gipfel dauerte zwei Tage, an diesem nahmen insbesondere der Präsident Israels – Schimon Peres, der Milliardär Georg Soros, der Expräsident der Weltbank – James Wolfensohn und der ehemalige Chef der Federal Reserve – Alan Greenspan und die Leiterin der IWF-Mission in der Ukraine Ceyla Pazarbasiolu teil. Übrigens wurden auf dem YES-Gipfel nicht nur ökonomische Fragen diskutiert – dorthin wurden ebenfalls drei der aussichtsreichsten ukrainischen Politiker eingeladen, die in weniger als einem Monat offizielle Kandidaten für den Präsidentschaftsposten werden: Premierministerin Julia Timoschenko, der Vorsitzende der Partei der Regionen – Wiktor Janukowitsch und der Führer der Gesellschaftsinitiative “Front Smin”, Arsenij Jazenjuk. Jeder von ihnen legte seine Sicht der Zukunft der Ukraine dar. Später bezeichnete der ehemalige Botschafter Russlands in der Ukraine, Wiktor Tschernomyrdin, die Vorgänge als “Vorwahlbrautschau”.

Krisenkandidat

Nach dem Programm von YES trat Timoschenko als erste auf. In der ihr zugeteilten Stunde schaffte es die Premierin sowohl von den Bedingungen, in denen die Ukraine sich seit dem Krisenbeginn befindet, als auch von den Plänen zur Herausführung des Landes aus der Krise zu erzählen. Diesen Weg teilte Julia Timoschenko in zwei Etappen ein: was man bis zu den Präsidentschaftswahlen machen kann und was danach. Bis zu den Wahlen, ist sich Timoschenko sicher, muss man Ordnung in das Finanzsystem bringen und vor allem die problematischen Systembanken rekapitalisieren; eine Haushaltsreform durchführen, dabei die Selbstständigkeit der lokalen Machthaber erhöhend, und eine Reform zur Energieeinsparung; sowie ein günstiges Investitionsklima schaffen.

“Ich denke, dass wir dies (die Reformen) alles bis zur Krise, entschuldigen Sie, bis zu den Wahlen machen können”, versprach sich Julia Timoschenko. Die Premierin nannte so viele Aufgaben, dass sofort Zweifel an ihrer Umsetzung in den bis zu den Präsidentschaftswahlen bleibenden Monaten aufkamen. Später wurde klar, dass Julia Timoschenko selbst auch nicht daran glaubt.

“Bis zu den Wahlen bleiben vier und ein halber Monat und die Schlüsselfragen, die wir zu lösen haben, die, bei denen eine Konsolidierung aller Machtflügel notwendig ist, können wir sofort nach den Wahlen angehen”, sagte die Regierungschefin aufatmend, damit einen Schlusspunkt hinter die Maßnahmen der vor ihr definierten “ersten Etappe” setzend.

Die erste Frage, die der Premierministerin gestellt wurde, betraf die weiteren Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland. Timoschenko erklärte, dass sie die Fragestellung: “Hältst du es mit Papa oder mit der Mama; mit dem Westen oder Russland”, für nicht richtig hält. Sie schlägt vor mit dem nördlichen Nachbarn “gutnachbarliche, doch dabei pragmatische Beziehungen” zu errichten. Und derzeit, so meint Julia Timoschenko, gelingt ihr das, es zu tun, insbesondere bei der Regelung der Gasfragen.

“Das (die Gasfragen) ist ein Test für unsere Beziehungen. Wir haben einen sehr schwierigen Weg hinter uns, von der Änderung des Systems, gegensätzlicher, ungesunder, korrumpierter Beziehungen zu transparenten, deutlichen und strategischen. Der Übergang war schmerzlich”, erinnerte Timoschenko. “Es wurde die halbe Welt erschüttert und dies schwer. Und ich möchte im Namen Russlands, entschuldigen Sie, im Namen der Ukraine trotzdem eine Entschuldigung allen Ländern gegenüber vorbringen, die zeitweilig Unbequemlichkeiten durch die Regelung der Gasfragen zwischen der Ukraine und Russland erfuhren”.

Timoschenko versicherte allen Anwesenden, dass es zukünftig sich die Situation der Gaslieferungsunterbrechungen nicht wiederholen wird und sie, und ebenfalls die Vertreter der NAK (Nationalen Aktiengesellschaft) “Naftogas Ukrainy” Silvester und Weihnachten zu Hause, und nicht bei den Verhandlungen in Moskau, feiern werden.

Letzten Endes erinnerte ein Vertreter des Europarates Timoschenko ein weiteres Mal an ihre Fehler, als er sie bat die Fehlkalkulationen zu nennen, die sie, sich an der Macht befindend, zuließ.

“Das ist eine Antiwerbung während des Präsidentschaftswahlkampfes”, sagte Timoschenko kichernd, dabei unterstreichend, dass für einen Politiker “nichts schwieriger ist, als öffentlich die eigenen Fehler zu analysieren”.

??“Wir haben Fehler gemacht. Ich denke, dass ein großer Fehler des demokratischen Teams die Tatsache ist, dass es keine Inspiration, keine Instrumente und Plattformen für eine vollständige Konsolidierung seiner Arbeit gefunden hat. Ich denke, dass dies zur größten Enttäuschung sowohl in der Ukraine, als auch in der Welt führte.

Als einen weiteren Fehler bezeichnete Timoschenko die Formierung der Regierung “auf der Grundlage politischer Konfigurationen und politischer Angebote”.

“Mir scheint, dass einer meiner großen Fehler darin liegt, dass ich in bestimmten Maße Konformistin war, als ich meine erste und die zweite Regierung bildet. Sie hätten, meiner Ansicht nach, stärker sein können”, sagte die Premierin.

Ein großer Europäer

Der Führer der “Front Smin”, Arsenij Jazenuk, traf auf dem Gipfel früher ein, als man ihn erwartete und verbrachte in Liwadija mehr Zeit, als die anderen Präsidentschaftskandidaten. Im Unterschied zu Timoschenko, welche bilaterale Treffen nach ihrem Auftritt durchführte, entschied Jazenjuk mit diesen zu beginnen. Von diesen zurückkehrend, stellte er eine unerwartete Frage.

“Wer erinnert sich, in welchem Jahr das ??“Wiener System der internationalen Beziehungen” begründet wurde (Ergebnis des Wiener Kongresses 1815-1815, in Deutschland eher als System Metternich bekannt), jenes, welches es nach dem Westfällischen Frieden gab?”??, fragte er die Journalisten, die auf ihn an der Tür des Arbeitszimmers erwarteten, welches während der Konferenz von Jalta 1945 von Franklin D. Roosevelt belegt wurde.

“Wozu brauchen Sie das? Wollen Sie damit etwa ihren Auftritt beginnen? Vielleicht, beginnen Sie trotzdem mit Churchill – ihrem Lieblingspolitiker?”, fragte der “*Kommersant-Ukraine nach.

“Dann muss man erst einmal mit Roosevelt anfangen”, sagte der Führer der “Front Smin”, in Richtung “seines” Arbeitszimmers nickend. “Wie hat es sich bei uns ergeben? Julia Wladimirowna (Timoschenko) – ist im Arbeitszimmer Churchills, ich – bei Roosevelt und Wiktor Fjodorowitsch (Janukowitsch), entsprechend …”

“Im Arbeitszimmer Stalins”, vervollständigte der Reporter des “Kommersant-Ukraine“ Jazenjuk.

“Eben!”

Der Führer der “Front Smin” war der einzige der Kandidaten, der sich an die Anwesenden auf Englisch wenden konnte. Ins Ukrainische wechselnd (“Ich möchte ja nicht ins britische Parlament gewählt werden!”, erklärte er den Journalisten), erzählte er weiter nicht mehr von der Wirtschaft, sondern von der Integration der Ukraine in das “Große Europa” (ein nichtexistierendes kontinentales politökonomisches Gebilde) und von der Demokratie. Dabei betonte er drei Fragen, welche die Europäer am meisten interessieren: Ökologie, Bildung und Gesundheitswesen. Auch die Kritik vergaß Jazenjuk nicht.

“Das Land hat bis zum heutigen Tage keine wirklichen politischen Parteien. Derzeit sind es eher Clubs, die einen charismatischen Führer haben und der Form nach geschlossene Aktionärsgesellschaften sind. Gibt es etwa bei diesen Parteien ideologische Unterschiede? Nein! Sie haben eine allgemeine Ideologie – ‘Wir möchten an die Macht’”, entrüstete er sich.

Arsenij Jazenjuk selbst möchte eine Partei gründen, deren Hauptziel die Ausarbeitung des Projektes “Ukraine” ist – der Plan der Entwicklung des Landes. Eigentlich ist der Plan bereits fertig und dessen Thesen kann man auf den Werbetafeln mit dem Abbild Jazenjuks sehen. Die Gründung der Partei zu verkünden, beabsichtigt Jazenjuk vor den Präsidentschaftswahlen. Wie er bekräftigt, wird es in ihr “wirkliche Helden der Ukraine und wirkliche Generale geben”.

Nebenbei gesagt, einen genauen Termin für die Festlegung des Systems des “Wiener Systems für internationale Beziehungen” erwähnte der Führer der “Front Smin” nicht.

“Es gibt für mich nichts wichtigeres, als die Frage der europäischen Integration der Ukraine im Rahmen des gesamten Europas, ich kann die Eurointegration nicht nur auf den Rahmen der EU reduzieren. Daher sollte derzeit auf der Tagesordnung etwas in der Art des ‘Wiener Systems’ stehen, das schon fast 200 Jahre vergangen ist”, erklärte Arsenij Jazenjuk.

Wahl der Unzufriedenen

Die Vermutungen Arsenij Jazenjuks bezüglich Wiktor Janukowitschs bewahrheiteten sich nicht – er hielt sich im Arbeitszimmer Winston Churchills auf. Seine Zeit vor dem Auftritt auf dem YES Gipfel erwies sich buchstäblich auf die Minute vorgeschriebem. Den Führer der Partei der Regionen trauten sich nicht einmal seine Begleiter zu stören.

“Also sind alle hier”, sagte Sergej Ljowotschkin, Parlamentsabgeordneter der Partei der Regionen, aus dem Arbeitszimmer heraustretend, der mit allen organisatorischen Fragen betraut war. “Alle bleiben hier festgefroren in Erwartungspose”.

Wiktor Janukowitsch, sein Oberteil ablegend, setzte sich in einen der Sessel im historischen Arbeitszimmer. In die Hände die Papiere mit der für ihn vorbereiteten Rede nehmend, begann er diese zu studieren. Mit dieser Aufgabe verbrachte er 20 Minuten.

“In fünf Minuten kann er/sie reinkommen und die Schminke auftragen”, erklärte einer der Begleiter, auf die Uhr blickend. Nach vier Minuten fragte er beunruhigt den Reporter des “Kommersant-Ukraine“: “Sind fünf Minuten noch nicht vorbei?”

“Sind vorbei – wahrscheinlich ist es Zeit”.

“Nein, es ist noch Zeit”, sagte er ruhig, auf die Uhr blickend und sich des Startpunktes entsinnend.

“Ist es wirklich so wichtig – vier Minuten oder fünf?”, wunderte sich der “Kommersant-Ukraine“.

“Natürlich”, antwortete der Gesprächspartner erregt. “Merk dir: für den Vorsitzenden/Führer sind fünf Minuten eben genau fünf Minuten und nicht drei, nicht vier und nicht sechs – nur fünf!”

Der Auftritt Wiktor Janukowitschs enthielt wenig Überraschungen. Er erklärte den Anwesenden, dass wenn die Regierung Julia Timoschenkos professionell wäre, sich die Weltkrise nicht so stark auf die Ukraine ausgewirkt hätte. Dabei entrüstete er sich ob der Tatsache, dass das Kabinett alle Fristen zur Erhöhung der Sozialstandards überzogen hat und sich überhaupt nicht um das Volk sorgt.

“Wenn wir an die Investitionsressourcen denken, die in die Ukraine im laufenden Jahr gelangt sind – mehr als 11 Mrd. $ vom IWF, die Mittel der Zentralbank, die Emissionen, die im Lande stattfanden, dann sind das mehr als 100 Mrd. $! Und das Programm, von dem wir reden (Erhöhung des Niveaus der Sozialstandards), dessen Preis liegt bei 10 Mrd. Hrywnja (ca. 0,8 Mrd. €). Das Gesetz sieht eine Erhöhung (der Sozialstandards) seit April dieses Jahres vor, doch die Regierung blockiert diese über verschiedene Wege. Die Erhöhung der Sozialstandards ist eine Forderung unserer Wähler, der Staat sollte seine Pflichten erfüllen”, ist Janukowitsch überzeugt.

Wie sich herausstellte, wirkte sich diese “Handlungslosigkeit der Staatsmacht” heilsam auf das Volk aus. Wie der Vorsitzende der Partei der Regionen vermutete, gibt es deswegen, weil die Regierung und der Präsident nicht für eine Verbesserung des Lebens taten, im Lande keine Teilung in Westen und Osten mehr. Der Meinung von Wiktor Janukowitsch nach, hat alle der fehlende Glauben an die amtierende Macht geeint. Daher sind deren Vertreter jetzt dazu bereit zum Äußersten zu gehen, nur um die Macht nicht zu verlieren.

“Die Versuche die Gesellschaft von den Informationen darüber abzuschneiden, was die Staatsmacht tu, begannen vom ersten Tag der Tätigkeit der derzeitigen Regierung. Heute wurde dies bereits zu einem politischen Problem – ein Gericht traf eine Entscheidung, nach es verboten ist, die Tätigkeit der Regierung zu kritisieren! Und warum hat das Gericht nicht überhaupt verboten zu reden oder zu atmen?!”, entrüstete sich der Führer der Partei der Regionen. “Die Wähler sind nicht schuld daran, dass sie den ‘orangen’ Führern glaubten – diese haben nur nicht das erfüllt, was sie im Jahre 2004 versprachen. Diese Versprechen haben sie weggeworfen und vergessen.”

Nach diesen Worten drängte sich die Schlussfolgerung von selbst auf: Wiktor Janukowitsch verspricht im Falle seiner Wahl zum Präsidenten nicht so ein Führer zu werden und seine Versprechen nicht zu vergessen. Es bleibt nur noch eine kleine Aufgabe – bei den Wahlen zu gewinnen.

“Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass eben Sie am 17. Januar gewinnen werden?”, interessierte sich später der “Kommersant-Ukraine“ bei Janukowitsch.

“Ich kenne die Stimmung der Leute, sie sind enttäuscht. Sie unterstützen die Vertreter der derzeit amtierenden Macht nicht. Ich habe bereits davon geredet und sage es auch jetzt – die Regierenden haben keinerlei Chancen in ihren Sesseln zu bleiben”.

Walerij Kalnysch

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 2131

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