Kinder für den Export: Ukrainerinnen werden zu „Brutmaschinen“ für Ausländer
Immer mehr unserer Landsfrauen sind Leihmütter für ein Honorar in Höhe von 5-30.000 Dollar.
Ukrainerinnen werden aus Elend und Arbeitslosigkeit zu lebenden „Brutmaschinen“ für Ausländer und unser Land verwandelt sich in eines der Weltzentren für Leihmutterschaften. Westliche Massenmedien schreiben immer häufiger darüber. BBC widmete diesem Thema zum Beispiel eine große Reportage. Die Internet-Zeitung „Strana“ stellte klar, wie und warum unsere Landsfrauen Leihmütter werden und wie viel sie damit verdienen.
„Die Nachfrage stieg um 1000 Prozent“
Sam Everingham, der Mitarbeiter der Wohltätigkeitsorganisation aus Sydney Families Through Surrogacy, erzählte im Interview mit BBC, dass für die letzten zwei Jahre die Nachfragen für diese Dienstleistung in der Ukraine „eventuell um 1000 Prozent gestiegen seien“. Den Experten zufolge gibt es zugleich mehrere Gründe, warum Ukrainerinnen auf dem „Markt der Leihmütter“ beliebt sind. „Erstens ist das Leben in den letzten zwei-drei Jahren teuer geworden, mehr Geld und Arbeit gibt es aber nicht. Und wenn die Frau ein fremdes Kind ausgetragen hat, kann sie eine Weile nicht schlecht leben oder Schulden bezahlen, oder auch eine bescheidene Immobilie anschaffen. Zweitens ist für Ausländer eines der populären Leihmutterschafts-Zentren in Asien geschlossen. Nach dem Skandal mit dem Baby Gammy im Jahre 2014, als ein australisches Paar auf einen von einer Leihmutter geborenen Säugling wegen seines Downsyndroms verzichtete, verbot Thailand, fremde Kinder auszutragen“, erzählt Antonina Jazenko, Managerin einer Agentur, die für Kunden Leihmütter für ihre leiblichen Kinder sucht.
Außerdem wurde Leihmutterschaft in Indien für Ausländer untersagt, nachdem dieses Geschäft zu einer totalen Ausbeutung von Frauen aus armen Familien geworden ist. Jetzt kommen Tausende „Surrogat-Touristen“ aus Europa, den USA sowie reiche Asiaten in die Ukraine. Im ganzen Lande gibt es dutzende Kliniken, wo Eizellen künstlich befruchtet werden (zum Preis von 3000 Dollar). Sehr aktiv öffnen Vermittlungsagenturen. Die Ukrainerinnen werden mit den Eizellen der ausländischen Paare befruchtet, das Kind tragen sie hier aus oder die „Auftraggeber“ holen sie ins Ausland zum vollständigen Unterhalt.
Leihmutter mit Mathematiker-Diplom
„Es existiert keine Statistik der Leihmutterschaft. Nach näherungsweisen Berechnungen sind das Hunderte auf diese Art geborene Kinder in der Ukraine, viele Schwangere reisen ja mit dem fremden Kind ins Ausland aus. Überdies kommen die Ausländer in die Ukraine für Eizellspenden, in der Ukraine ist die Implantation viel billiger“, sagt Antonina Jazenko. Ihr zufolge kostet die Wahl der Leihmutter aus der Datenbank für die Kunden 1000 Dollar, die gleiche Summe muss man dem Juristen bezahlen. Den Leihmüttern bezahlt man außer dem Honorar, Unterhaltskosten und Verpflegung, medizinische Dienstleistungen und die Behandlung im Falle von Komplikationen.
„Einige Kunden haben ihre „Schrullen“, erzählt Frau Jazenko. „Ein Paar aus Irland bat einmal um eine blauäugige, brünette Frau mit Hochschulausbildung im Mathematik-Bereich. Sie sagten, sie wollten das, damit ihr Kind klug wird. Obwohl das Baby mit der Leihmutter genetisch nicht verbunden ist, doch meinen einige, dass sie ihm doch ein Teil von sich selbst übergibt, denn sie trägt es neun Monate unter dem Herzen..“
Anna Nakonetschna, Ärztin für Reproduktionsmedizin einer der Kliniken in der westlichen Ukraine, sagt, dass für den weiblichen Organismus die Leihmutterschaft großer Stress ist. „Bei meisten Frauen stellt sich das Muttergefühl ein, das Kind wird als eigenes wahrgenommen, es wegzugeben ist später sehr schwer. Viele bedürfen danach der Hilfe von Psychologen“, sagt die Fachfrau im Interview. Nakonetschnas Worten nach werden als Leihmütter Frauen ohne schlechte Angewohnheiten im Alter von 18 bis 35 Jahren gewählt, die schon eigene Kinder haben, gesund und stark sind. „Eine solche zu finden ist nicht leicht. Diejenigen, die kein Geld haben, führen gewöhnlich keine gesunde Lebensweise, rauchen, trinken Alkohol. Das alles hat einen negativen Einfluss auf die Leibesfrucht. Solche Bewerberinnen werden noch in der Auswahletappe aussortiert. Diejenigen, die keine Schwierigkeiten mit den Finanzen haben, stimmen ja selten einer Leihmutterschaft zu. Normalerweise entschließt man sich dazu aus Armut oder in schwierigen Lebenssituationen“, sagt die Medizinerin.
Leihmutter für Deutsche wegen Verschuldungen und Behandlung des leiblichen Sohnes
In einer solchen Situation fand sich Halyna L., 24 Jahre, Einwohnerin des Kreises Jaworiw im Gebiet Lwiw, wieder. Sie trug ein Kind aus und gebar einen Jungen für ein deutsches Paar, das lange keine eigenen Kinder kriegen konnte. „Die ganze Prozedur wurde in einer Klinik in Lwiw durchgeführt, zunächst wurde mir eine gute Wohnung gemietet, 500 Dollar monatlicher Unterhalt gegeben und die medizinische Untersuchung bezahlt. Ulrich und Erika sind beide 40 Jahre alt, sie haben ihr eigenes Geschäft in der Fensterherstellung, die Ehefrau hatte gesundheitliche Probleme, sie ließ sich lange behandeln, aber es half nichts“, teilte Halyna der Internet-Zeitung „Strana“ mit.
Als Halyna das Kind zur Welt brachte, sagte sie sich vom Kind los und erteilte die Erlaubnis auf seine Ausreise zum Vater (gemäß deutscher Gesetzgebung wird der genetische Vater als gesetzlich anerkannt, als Mutter – die gebärende Frau). In Deutschland hat Erika den Sohn adoptiert, nach den Unterlagen ist sie die Pflegemutter. Die Deutschen zahlten der Frau für den Sohn 20.000 Euro. „Wir schreiben uns noch weiter, sie schicken mir Geschenke zu Festen. Natürlich zerriss es mir das Herz, als ich das Kind weggegeben habe. Es war für mich wie mein eigener Sohn, ich weinte später sehr lange, konnte nicht schlafen. Es ist ein Jahr vergangen, ich träume aber noch bis heute davon, dass mir das Kind weggenommen wird“, seufzt die Leihmutter.
Die Frau verheimlichte den Verwandten, wie sie das Geld verdient hat. „Leuten aus meinem Dorf sagte ich, dass ich nach Polen zur Arbeit gefahren bin, und selbst wohnte ich in Lwiw“, erzählt Halyna. „Das wusste nur meine Mutter, sie war dagegen, aber ich hatte keinen anderen Ausweg. Ich wohne mit ihr und dem vierjährigen Sohn, mit dessen Vater leben wir schon lange getrennt. Es gibt keine Arbeit, wir stürzten uns in Schulden, uns wurde das Gas wegen der Nichtbezahlung abgeschaltet. Dazu wurde noch mein Sohn sehr krank, wir brauchten Geld für die Behandlung, niemand wollte Geld borgen. Eine Bekannte erzählte mir, dass ihre Schwester Zwillinge für Italiener geboren hatte und sich eine Wohnung kaufte. Sie gab mir die Kontaktangaben der Klinik, ich ging alle Untersuchungen durch, und nach zwei Monaten kamen meine Deutschen. Jetzt denke ich noch einmal so zu verdienen, das ist doch besser, als für einen armseligen Lohn in Polen zu schuften.“
„Nach der Geburt des Kindes – 35.000 Dollar. Für Zwillinge – 50.000 Dollar“
Es gibt Hunderte solcher Geschichten. Im Internet kann man viele Anzeigen von Frauen finden, die sich als Leihmütter anbieten. Ihren Preis nennen sie sofort, dabei ist er höher für „doppeltes Glück“.
„Wita, 22 Jahre, ich habe einen vierjährigen Sohn, das Kind ist gesund. Ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol, Bezahlung für jeden Monat der Schwangerschaft – 400 Dollar. Nach der Geburt – 35.000 Dollar. Für Zwillinge – 50.000 Dollar. Ich wohne in der Westukraine.“
„Ich heiße Oxana, bin 28, bin bereit Leihmutter zu werden. Habe zwei gesunde Töchter, drei und sieben Jahre alt. Bin äußerlich angenehm, ohne schlechte Gewohnheiten, Blutgruppe 2+, braunäugig, Haarfarbe – dunkelblond. Habe selbstständig geboren, ohne Komplikationen.“
„Halja. Bin 26. Blutgruppe 1+, habe ein gesundes Kind von 2,7 Jahren. Vollständig gesund, ohne Abtreibungen und Kaiserschnitte. Ohne schlechte Gewohnheiten. An das Programm gehe ich verantwortungsvoll heran, erfülle alle Empfehlungen des Arztes. Ein Vertrag ist obligatorisch. Das Honorar beträgt 25.000 Dollar und 600 Dollar jeden Monat.“
Experten sagen dennoch, dass in der Realität die Auszahlungen, welche die Leihmütter bekommen, meistens wesentlich niedriger sind. Meistens variieren sie zwischen 5-20.000 Dollar. Selten erreichen sie 30.000.
Zweimal teures Kind wegen der Inflation
Im Internet kann man viele Erzählungen über Unannehmlichkeiten finden, auf die sowohl leibliche Eltern als auch Leihmütter stoßen. Zum Beispiel wenn Frauen die Auftraggeber erpressen, damit drohen eine Abtreibung zu machen oder das Kind nicht wegzugeben, ohne mehr Geld zu bekommen.
Es gibt auch Betrüger, die sich mit Hilfe von „schwarzen“ Vermittlern schwanger stellen und sich nach einiger Zeit, drei bis vier Monaten, Geld für Untersuchungen und Unterhalt sofort von mehreren Paaren ausbitten und dann verschwinden. Selten kommt es aber auch umgekehrt vor, wenn ein Paar auf das Kind verzichtet, falls es zum Beispiel krank geboren wurde.
„Es gab einen Fall, als ein Mädchen aus Ternopil von englischen Kunden einen doppelt so hohen Betrag verlangte, denn die Hrywnja sei gesunken, alles sei teurer geworden“, erinnert sich Frau Jazenko von der Leihmutterschafts-Agentur. „Obwohl man am Anfang die Bezahlung in Dollar vereinbarte, wollte sie den Preis eben in dieser Währung erhöhen. Manchmal entstehen auch Probleme mit den leiblichen Eltern. Ein Paar aus Großbritannien weigerte sich für die Dienstleistungen der Frau zu bezahlen, als sie eine Fehlgeburt hatte.“
Fachleute sagen, dass der Vertrag in solchen Situationen keine der Parteien schützt. „Das ist ein einfacher Vertrag über die Erteilung von Dienstleistungen, denn es gibt nicht einmal eine Definition der Leihmutterschaft im juristischen Bereich. Deswegen ist es unmöglich, etwas vor Gericht zu beweisen, falls es dazu kommt. In meiner Praxis stoße ich auf keine Fälle eines unverhohlenen Betrugs. Die Surrogat-Schwangerschaft ist sogar in der Ukraine keine billige Prozedur, die bestellen Leute, welche sehr auf ein Kind warten. Sie überprüfen hundert Male sowohl Leihmutter, als auch Klinik und Vermittler. Obgleich unzuverlässige Agenturen und Kliniken den Kunden Frauen mit Problemen und instabiler Psyche, mit Krankheiten oder Alkoholkonsum aufbinden“, setzt Jazenko fort.
Der Kyjiwer Jurist Ihor Kidalow sagt, dass Kliniken die medizinischen Daten über die Gesundheit einer Leihmutter nicht selten fälschen. „Oder sie verheimlichen die bei den Untersuchungen festgestellten Daten über die Gesundheit der Leihmutter, weil es praktisch unmöglich ist, die Klinik für solche Taten zur Verantwortung zu ziehen“, berichtet Kidalow. „Nicht selten beginnen die Leihmütter, die leiblichen Eltern des Kindes zu erpressen. Noch während der Schwangerschaft verlangen sie höhere Summen, als im abgeschlossenen Vertrag, das mit der Inflation, Abwertung, anderen wirtschaftlichen Gründen erklärend. Solchen Situationen gegenüber sind Ehepaare einfach machtlos. Es kann auch sein, dass Ehepaare, die sich für die Leihmutterschaft entschieden, Betrügergruppen zum Opfer fallen, die so tun, als ob sie Kandidatinnen gesucht, medizinische Prozeduren durchgeführt hätten, und die Unterlagen über die angeblich erfolgreich vollzogene Befruchtung fälschen.“
Homosexuelle aus Belgien haben ihre Vaterschaft auf dem Gerichtsweg bewiesen
Es passieren auch nicht vorgesehene Fälle mit Ausländern, die die Unterlagen nicht ordentlich vorbereiten. Es gibt auch Fälle, wenn versucht wird, Babys heimlich auszuführen, um sich mit den offiziellen Unterlagen nicht abzumühen. An der Grenze werden die Kinder weggenommen und ihre ausländischen Eltern können der Entwendung des Kindes oder des Menschenhandels beschuldigt werden.
Der berühmteste Fall war im Jahre 2010 mit dem Kind, das eine Ukrainerin in einer der Charkiwer Kliniken für ein schwules Paar aus Belgien geboren hatte. Den Samuel genannten Jungen versuchten auf ihre Bitte und gegen Bezahlung eine bekannte Belgierin mit einer Polin über den Grenzübergang „Krakowez“ im Gebiet Lwiw auszuführen. Das war ein großer Skandal, das Kind wurde weggenommen, aber im Ergebnis gestattete ein Gericht Samuel nach Belgien mitzunehmen. Der Beweggrund für die Erlaubnis war die Tatsache, dass der leibliche Vater des Jungen einer der Männer war.
Der zweite große Fall wurde in der Ukraine 2007 bekannt, aber bereits ohne Happy End. Die Amerikanerin Jeanette Runyon versuchte, die von einer Leihmutter für 18.000 Dollar geborene Tochter Wika in die USA mitzunehmen. Aber Runyon wurde wegen des Versuchs der Ausfuhr des angeblich fremden Kindes mit gefälschten Unterlagen festgenommen. Es misslang, die Tatsache der Leihmutterschaft offiziell zu bestätigen, denn in der privaten Klinik fand man keine einzige Unterlage über die künstliche Befruchtung.
Runyon und Wika wohnten einige Zeit bei der damaligen stellvertretenden Bürgermeisterin (Kyjiws) Irena Kiltschizka, aber die Mutterschaft beweisen konnte die Amerikanerin nicht. Die Verhandlung dieses Falls hätte Jahre dauern können, Runyon hatte aber keine finanziellen Möglichkeiten, solch einen langen Prozess zu führen. Im Ergebnis bekam eine kinderlose Familie aus Kyjiw die Vormundschaft für Wika, die Amerikanerin fuhr ohne irgend etwas in die USA.
Solche Fälle kommen nur sporadisch vor und die Ukraine bleibt auch weiter attraktiv für „Surrogat-Touristen“. „Dabei hat die Ukraine einen wesentlichen Vorteil für Ehepaare, da das Gesetz die Präsumtion der Herkunft des Kindes von den Eltern, den Spendern des genetischen Materials festlegt“, informiert Kidalow. „Im Unterschied zum Beispiel zu Russland, wo sogar bei Abwesenheit irgendeiner genetischen Verwandtschaft die Leihmutter Prioritätsrecht auf die Entscheidung des Schicksals des Kindes hat. Die Rechte der leiblichen Eltern werden nur nach der Lossagung der Leihmutter vom Kind anerkannt.“
3. März 2018 // Wiktorija Wenk
Quelle: Strana