Mehr Steuern, weniger Vergünstigungen



Der Haushalt wird auf der geltenden Steuergesetzgebung beruhen, Einsparungen wird es bei Lehrern, Ärzten und Rentnern geben.

Am 17. Dezember 2015 wurde mit dreimonatiger Verspätung im Parlament der Entwurf des Staatshaushalts für das Jahr 2016 eingebracht. Gemeinsam mit dem Haushalt behandelten die Abgeordneten auch ein ganzes Paket begleitender Gesetzesvorlagen, angefangen von einer neuen Steuergesetzgebung bis hin zu Änderungen am Gesetz über den Staatshaushalt. Keines dieser Papiere fand die Zustimmung der Parlamentarier. Die Arbeit des Finanzministers wurde durchgehend kritisiert – vom Parlamentspräsidenten Wolodymyr Hrojsman (der Finanzminister verbiegt die Dezentralisierung des Etats) bis zum Chef der propräsidialen Fraktion, Jurij Luzenko (im Haushalt fehlt die Finanzierung der Organe zur Korruptionsbekämpfung, insbesondere die der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft).

Am Ende wurde der Haushalt zur Entscheidung angenommen und zu allen anderen Initiativen eine Arbeitsgruppe gebildet. Die Regierung rechnet damit, dass sich die Abgeordneten im Laufe einer Woche zu allen strittigen Fragen einigen und bereits am nächsten Donnerstag, dem 24. Dezember, über das Gesamtpaket in erster und letzter Lesung abstimmen werden. Anderenfalls wird das Land ohne Staatshaushalt Neujahr feiern und der IWF einen Vorwand haben, die Bereitstellung der nächsten anstehenden Kreditrate erneut zu verschieben.

Die Abgeordneten streiten darüber, wo es Einsparungen geben soll:

Bei den Staatsangestellten

Die Regierung will Einsparungen bei den Staatsangestellten. Die Gehälter von Lehrern und Ärzten sowie die Pensionszahlungen werden im nächsten Jahr – angepasst an die im Haushalt verankerte prognostizierte Inflationsrate von 13,1 Prozent – um 12,5 Prozent anwachsen. Allerdings wird die Inflation nach diesjährigem Ergebnis 45-50 Prozent betragen. Somit werden Staatsdiener und Rentner am Ende dieses Jahres um ein Drittel ärmer sein, denn ihre Einkünfte wachsen entsprechend der prognostizierten, ihre Ausgaben aber entsprechend der realen Inflation. Für das nächste Jahr wird eine ähnliche Situation erwartet. Experten rechnen im Jahre 2016 mit einer Inflationsrate von 25 Prozent. Für die Angestellten des Staates und die Rentner bedeutet das einen Verlust von noch einmal zehn Prozent. Bestenfalls.

Bei den Rentnern

Bei ihnen will das Finanzministerium ganze 8,1 Milliarden Hrywnja (knapp 307 Millionen Euro) einsparen. Den größten Posten bildet dabei die sogenannte Verifizierung der Rentenzahlungen (Einsparungen in Höhe von 4,6 Milliarden Hrywnja). Ab dem 1. Januar 2016 beginnt die Überprüfung aller Sonderrentenempfänger: Bergleute, Piloten und Invaliden. Diese werden aufgefordert nachzuweisen, dass sie zum Empfang einer Sonderrente berechtigt sind. Alle, die diesen Nachweis nicht erbringen können (wenn sich z. B. der Bergbaubetrieb und dessen Archiv auf okkupiertem Territorium befindet), erwartet eine Rentenkürzung.

Im nächsten Jahr bleibt es auch bei der Beschränkung, dass arbeitende Rentner nur 85 Prozent ihrer Rente beziehen können. Eine Neuberechnung der Renten anhand des Durchschnittslohnwachstums wird es nicht geben. Stark gekürzt werden auch die sogenannten Listen Nr. 1 und Nr. 2. – Register gefährlicher Berufe mit Recht auf eine Zusatzrente. Ihre Zusatzrente verlieren Mähdrescherfahrer und Traktoristen, Kipperfahrer und Melkerinnen. Außerdem wird den Empfängern einer Zusatzrente verboten, vor Erreichung des Rentenalters in Dienstrente zu gehen und eine Höchstrente von 10.740 Hrywnja (etwa 407 Euro) festgelegt.

Bei Empfängern von Vergünstigungen

Die Regierung will bei kinderreichen Familien, bei von Kindesalter an behinderten Menschen sowie bei behinderten Kindern 1,5 Milliarden Hrywnja (etwa 57 Millionen Euro) einsparen – ihre Vergünstigungen verlieren all jene, deren Einkommen das Existenzminimum übersteigt. Alle Empfänger von Vergünstigungen werden überprüft, müssen also eine Prozedur zum Nachweis ihrer elenden Lage durchlaufen.

Die Regierung will bei Ermäßigungen bei Abgaben an die Wohnungs- und Kommunalwirtschaft für pensionierte Militärs, ATO-Veteranen, pensionierte Piloten, Polizisten und Seeleute acht Milliarden Hrywnja einsparen. Ihre Ermäßigungen verlieren all jene, deren Einkommen das Existenzminimum übersteigt.

Außerdem lehnt es die Regierung ab, Ermäßigungen im Personenverkehr zu finanzieren – alle Aufwendungen gehen zu Lasten der örtlichen Haushalte. Die Höhe von Ermäßigungen bei der Personenbeförderung wird also vollständig von den Beschlüssen der Gemeinderäte und dem Zustand ihrer Haushalte abhängen.

Bei Ärzten und Lehrern

Das Ministerkabinett hat am 25. Oktober die Verordnung „Über den Standard der Versorgung mit stationären Krankenhaus Betten je Zehntausend Einwohner“ verabschiedet und fällte damit ein Urteil über die noch verbliebenen ländlichen Krankenhäuser. In den Dörfern wird es nur noch Arzthelfer- und Hebammenstützpunkte sowie Ambulatorien geben, alle Krankenhausbetten werden in die Krankenhäuser der Kreis- oder Gemeindeverbände überführt. Ein Urteil wurde zugleich aber auch über die betriebliche Medizin gefällt – Eisenbahn- und ähnliche Betriebskrankenhäuser werden schrittweise und mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen in die Bilanz der Gemeinderäte überführt.

Die Lehrer traf es nicht minder hart: Alle Zwergschulen mit weniger als 25 Schülern sollen geschlossen werden. Berufsschulen und Colleges gehen in die Bilanz der Organe der örtlichen Selbstverwaltung über, wobei nur die Hälfte der Unterhaltskosten durch Subventionen gedeckt werden wird.

Auf diese Weise spart die Regierung 5,7 Milliarden Hrywnja bei Berufsschulen und etwa 4 Milliarden Hrywnja bei Colleges ein. Wie viele Berufsschulen und Colleges es am Ende des nächsten Jahres noch geben wird, ist im Moment schwer vorherzusagen – vermutlich wird die Hälfte geschlossen werden.

Über die Erhöhung der Steuern

Die Abgeordneten und die Regierung stritten nicht nur darüber, wo und wie eingespart werden soll, sondern auch darüber, von wem und wie man neue Steuern erheben kann. Ein neues Steuergesetz wird es wohl nicht geben, Änderungen an der Steuergesetzgebung aber schon, und zwar mit nur einem Ziel – Steuererhöhungen.

Die Regierung will die Sprit- und Alkoholsteuer faktisch verdoppeln und somit zusätzliche 18 Milliarden Hrywnja (etwa 682 Millionen Euro) einnehmen. Die billigste Flasche Wodka wird mehr als 100 Hrywnja (3,79 Euro) kosten und eine Schachtel Zigaretten mehr als 20 Hrywnja (etwa 76 Cent). Wenn diese Initiative des Finanzministeriums von den Abgeordneten unterstützt wird, erleben wir im nächsten Jahr die Wiedergeburt des Schnapsbrennens, und viele erinnern sich noch, was „Samosad“ bedeutet – Selbstgedrehte mit Tabak aus eigenem Anbau.

Ebenso werden die Zahlungssätze für die Sondernutzung von Naturrohstoffen erhöht: Holz, Wasser und Funkfrequenzen. Zusätzliche Einnahmen – 1,4 Milliarden Hrywnja. Ergebnis – Verteuerung von Wasser (geplante Einnahmen: 800 Millionen Hrywnja), Holz und Mobilfunk.

Die Haushaltslöcher will das Finanzministerium mit Hilfe der Legalisierung zweier Wirtschaftszweige stopfen, die im Moment ein Schattendasein führen: die Gewinnung von Bernstein und das Glücksspiel. Wie man die Bernsteinsucher legalisieren will, ist bislang unklar. Im Gesetz steht darüber kein Wort, lediglich, dass es zur Regelung der Gewinnung von Bernstein einen Beschluss der Regierung geben wird. Indes wird im Haushalt eine Summe genannt, die man von den Bernsteinsuchern bekommen will – 1,5 Milliarden Hrywnja. Vermutlich bekommt jeder aktive illegale Bernsteinsucher ein bestimmtes „Billet“ ausgehändigt – eine Fördergenehmigung mit der Verpflichtung zur nachträglichen Rekultivierung des Bodens und zum Verkauf des gesamten Ertrages über einen bevollmächtigten Staatsbetrieb.

Durch die Legalisierung der Glücksspiel-Salons will das Finanzministerium 5 Milliarden Hrywnja einnehmen. Die Tätigkeit der Buchmacher wird erlaubt, das Glücksspiel in Kasinos sowie nichtstaatliche Lotterien. „Einarmige Banditen“ und andere Spielautomaten bleiben weiterhin verboten. Genauer gesagt: Sie bekommen den Status von Lotto-Automaten. Und die Spielsalons werden ihre Genehmigungen von Lottounternehmen erhalten.

Auf diese Weise will die Regierung durch Erhöhung der Akzisen und der Legalisierung eines Teils der Schattenwirtschaft 26 Milliarden Hrywnja (etwa eine Milliarde Euro) einnehmen. Was sich daraus ergibt, wird die Zeit zeigen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Steuern zwar steigen, aber die Haushaltseinkünfte nur sinken werden. Auch die Legalisierung illegaler Glücksspielsalons mit als Lotto-Automaten getarnten Spielautomaten garantiert nicht das Anwachsen der Haushaltseinnahmen.

Wo nicht eingespart wird

Sämtliche hier beschriebenen Neuerungen riefen heftige Diskussionen sowohl zwischen Opposition und Koalition als auch innerhalb der Regierungsmehrheit hervor. Im Übrigen sind im Haushalt traditionsgemäß einige Ausgabeposten eingeflossen, die weder bei Abgeordneten noch bei Ministern Fragen aufwarfen – die Kosten für das Parlament und den Präsidenten.

Für die Renovierung des Marienpalasts im nächsten Jahr sind 95 Millionen Hrywnja vorgesehen. Veranschlagte Gesamtkosten für die Renovierung – mehr als 1,3 Milliarden Hrywnja. Für Parlamentsfernsehen und Presse – 26 Millionen Hrywnja. Für Sanatorien und Kurheime der Verwaltung des Staates – 72 Millionen Hrywnja. Für die Residenzvillen des Präsidenten – 34 Millionen Hrywnja. Für die Unterhaltung der Krankenhäuser für Abgeordnete und Mitarbeiter der Präsidialverwaltung – 379 Millionen Hrywnja.

Insgesamt kosten die sozialen Vergünstigungen für das Staatsoberhaupt und die Abgeordneten (deren Urlaub, Reisen, medizinische Behandlung und Weiterbildung) dem Land knapp 2 Milliarden Hrywnja (knapp 76 Millionen Euro).

Die Hauptkennziffern des Entwurfes des Staatshaushalts für das Jahr 2016

201120122013201420152016Anstieg
(faktisch)(faktisch)(Prognose vom November)(Prognose)+/-%
Budget398,5445,5442,8460,7617,8744,3126,5120,5
allgemeiner Fonds334,7369,7375387,2582,8693,8111119
Spezialfonds63,875,867,873,53550,515,5144,3

18. Dezember 2015 // Wassyl Jazenko

Quelle: Reportjor

Übersetzer:    — Wörter: 1480

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und per täglicher oder wöchentlicher E-Mail.