Ministerialkabinett fordert Absetzung Tschernowezkijs
Gestern unternahm das Ministerialkabinett Schritte zur Amtsenthebung des Kiewer Bürgermeisters Leonid Tschernowezkijs. Die Regierung richtete an den Präsidenten Wiktor Juschtschenko den Antrag zur Entlassung Leonid Tschernowezkijs vom Posten der Leitung der Kiewer Stadtverwaltung, an den Generalstaatsanwalt den Antrag Tschernowezkij zeitweise von seinem Posten zu entheben, an die Werchowna Rada die Bitte um Einberufung von vorgezogenen Wahlen für den Bürgermeister und den Stadtrat Kiews. Tschernowezkij ist, wie vorherzusehen war, gegen diese Entscheidung des Kabinetts und versprach sich an den Präsidenten mit der Bitte um Entlassung der Regierung zu wenden.
Gestern morgen fand die Anhörung des Berichtes der Arbeitsgruppe der Regierung zu den Ergebnissen der Überprüfung der Tätigkeit der Kiewer Stadtverwaltung beim Kabinett der Minister statt. Den Bericht hörend nahm die Regierung sofort drei Entscheidungen an, deren Ziel die Entfernung des Bürgermeisters von Kiew, Leonid Tschernowezkij, von der Macht ist, der gemäß dem Gesetz “Über die Hauptstadt” in der Funktion des Vorsitzenden der Kiewer Stadtverwaltung und des Vorsitzenden des Kiewer Stadtrates ist.
Die strittigste Entscheidung war die, dem Präsidenten Wiktor Juschtschenko eine Dokument mit der Bitte um Entlassung Leonid Tschernowezkijs von Posten der Kiewer Stadtverwaltung zu senden. Von den 21 anwesenden Mitgliedern der Regierung, nahmen fünf, darunter der Justizminister, Abstand von diesem Schritt. “Der Präsident, welcher das Kiewer Stadtoberhaupt zum Vorsitzenden der Stadtverwaltung ernennt, kann diese Entscheidung nicht einseitig treffen.”, erläuterte der Justizminister Nikolaj Onischtschuk.
Die politischen Mitstreiter Julia Timoschenkos versicherten gestern dem “Kommersant-Ukraine“, dass es eine juristische Grundlage für die Unterzeichnung des entsprechenden Erlasses des Präsidenten gibt und diese in den nächsten Tagen auf der Seite des Ministerialkabinetts veröffentlicht wird. “Die Entscheidung der Regierung entspricht vollständig der Verfassung und den Gesetzen.”, sagte dem “Kommersant-Ukraine“ der Abgeordnete Wiktor Schwez (BJuT; Block Julia Timoschenko). “Wenn zu den Pflichten der Regierung das Einbringen von Vorschlägen für die Ernennung von Leitern staatlicher Verwaltungen gegenüber dem Präsidenten gehört, dann kann die Regierung auch Vorschläge zu deren Entlassung einbringen.”
Vermutlich, um beim Präsidenten keine Zweifel an der Notwendigkeit der Entlassung Tschernowezkijs zu lassen, versprach Julia Timoschenko gemeinsam mit dem Vorschlag Wiktor Juschtschenko eine Kopie des Berichtes der Regierungskommission im Umfang von 52 Seiten zu schicken. “Der Präsident der Ukraine ist nicht in vollem Umfang darüber informiert, was im Rathaus vor sich geht.”, sagte Julia Timoschenko auf der Pressekonferenz, welche nach der Sitzung der Regierung stattfand. “Ich glaube, dass wir lernen werden wie man adäquat auf alle Gesetzesübertretungen reagiert.” Außerdem, erklärte die Premierministerin, dass die Regierung entschied “dem Generalstaatsanwalt zu empfehlen Leonid Tschernowezkij von den ausführenden Pflichten des Bürgermeisters während der Periode der Untersuchung der Strafsachen zu entbinden”, welche, ihrer Meinung nach, aufgrund der Fakten des Amtsmissbrauchs eingeleitet werden wird.
Die dritte Entscheidung des Kabinetts betraf die Entsendung des Vorschlages an die Werchowna Rada unverzüglich die Frage der Durchführung von außerordentlichen Wahlen des Bürgermeisters von Kiew und des Leiters des Kiewer Stadtrates zu untersuchen. Der Meinung von Timoschenko nach, soll die Koalition diese Entscheidung bis zum 12. April treffen. “Ich wünsche mir sehr, dass bis zum Tag der Kosmonauten vorgezogene Wahlen des Bürgermeisters von Kiew verkündet werden und denke, dass es so sein wird.”, erklärte die Premierministerin sicher.
Die Intrige darum, ob Wiktor Juschtschenko den Vorschlag des Kabinetts unterstützt, existierte nur wenige Stunden. Einen Endpunkt in dieser Frage setzte der Leiter des Präsidialamtes Wiktor Baloga, eine offizielle Stellungnahme auf die Seite des Präsidenten stellend. “Der Vorschlag der Regierung L. Tschernowezkij vom Posten des Leiters der Kiewer Stadtverwaltung zu entlassen ist ohne Rechtsgrundlage und daher unannehmbar.”, erklärte Wiktor Baloga. “Natürlich können es viele nicht abwarten den hauptstädtischen Bürgermeister in die Wüste zu schicken. Doch dafür muss man nach dem Gesetz agieren und nicht nach politischen Zielsetzungen.”
Die Reaktion des Leiters der Kiewer Stadtverwaltung Leonid Tschernowezkij ließ nicht lange auf sich warten. “Die vollständige Ignorierung von Basisgesetzen und anderen Gesetzesakten von der Seite des Ministerialkabinetts zeigt die absolute Rechts- und Regierungsunfähgkeit einiger ihrer Mitglieder.”, erklärte Tschernowezkij auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. “Die erdachten Resultate der ‘Arbeits-‘Kommission bewerte ich als Versuch der Druckausübung auf den Präsidenten, den Bürgermeister Kiewers und alle Kiewer Bürger mit dem Ziel der Annahme einer nicht verfassungsgemäßen Entscheidung, welche die Rechte aller missachtet.” Dabei Julia Timoschenko Gesetzesverletzungen vorwerfend, entschied Tschernowezkij mit den gleichen Methoden vorzugehen. “Vor dem Angesicht aller Kiewer beabsichtige ich mich an den Präsidenten als Garant der Verfassung mit der Bitte um Entlassung der Regierung zu wenden.”, informierte Leonid Tschernowezkij.
Keiner der vom “Kommersant-Ukraine“ befragten Abgeordneten entschied sich zu bestätigen, dass die Werchowna Rada bis zum 12. April ein Datum für außerordentliche Wahlen in Kiew festlegen kann. “Es ist heute schwierig, aus politischer und juristischer Sicht heraus, über Fristen zu reden.”, sagte dem “Kommersant-Ukraine“ der Leiter der parlamentarischen Kommission für Fragen des staatlichen Baus, Alexander Omeltschenko (“Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung”). “Ich vermute, das gemeinsam mit dem Vorschlag der Neuwahlen uns das Kabinett das Dokument geschickt hat, welches die Grundlage für die Entscheidung bildet.”, erklärte dem “Kommersant-Ukraine“ der Abgeordnete Oleg Sarubinskij (Block Litwin) ausweichend.
Dem “Kommersant-Ukraine“ wurde von Vertretern der Fraktion “Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung” bereits vorher erklärt, dass es keine juristische Handhabe für die Ausrufung von Neuwahlen in Kiew gibt. Diese gibt es auch jetzt nicht. Über das Fehlen von Strafanzeigen in Bezug auf Leonid Tschernowezkij informierte der erste Stellvertreter des Generalstaatsanwalts, Sergej Winokurow, auf der Regierungssitzung.
In Verteidigung des Kiewer Bürgermeisters traten lediglich die Abgeordneten der Partei der Regionen im Parlament auf. “Es gibt keine wirtschaftlichen Grundlagen für den Rücktritt des Bürgermeisters”, erklärte dem “Kommersant-Ukraine“ Inna Bogoslowskaja. “Dies ist eine rein politische Attacke, welche die Partei der Regionen unter keinen Umständen unterstützen wird”. “Das Ministerialkabinett hat überhaupt keine Vollmachten Initiativen dieser Art zu unterstützen.”, denkt der Abgeordnete Alexander Lawrinotwitsch.
Übrigens, eindeutig die Möglichkeit Neuwahlen ausschließen, wollten nicht alle bei der Partei der Regionen. Der Leiter der Kiewer Parteiorganisation der Partei der Regionen, der Abgeordnete Wassilij Gorbal, erklärte am Abend, dass im Fall der Verkündung von vorgezogenen Neuwahlen die Partei der Regionen einen eigenen Kandidaten für das Bürgermeisteramt aufstellen wird.
Quelle: Kommersant-Ukraine