Nicht zum Kaffee, sondern auf die Felder: Deutschland plant, die Arbeitsaufnahme von Ukrainern zu vereinfachen. Wer wird gerufen?
Die Grenzen zu Europa bleiben geschlossen, und in naher Zukunft wird es den Ukrainern unmöglich sein, in die EU-Länder einzureisen. Eine Ausnahme wird nur für bestimmte Kategorien unserer Wanderarbeiter gemacht. Unsere Leute werden nur zur Ernte nach Europa kommen können und überhaupt nicht zum „Kaffee nach Wien“. Und dies auch nur in einem streng begrenzten Zeitraum.
Deutschland plant ab dem 1. April, die Beschäftigung von Ukrainern für die Saisonarbeit zu vereinfachen, da es zu wenig helfende Hände im eigenen Land selbst in Quarantäne gibt.
In der deutschen Landwirtschaft fehlen nach Angaben der Financial Times 300.000 Arbeitskräfte.
„Meine Kollegen hier und in Deutschland arbeiten intensiv daran, dass Arbeitsmigranten nach Deutschland gehen können, um beispielsweise auf Farmen zu arbeiten, Obst und Erdbeeren zu pflücken“, sagte die deutsche Botschafterin in der Ukraine, Anka Feldhusen, in einem offenen Online-Gespräch.
Es sind neue für die Wanderarbeiter extra bereitgestellte Charter-Flüge „zu den europäischen Feldern“ möglich (letztes Jahr, zu Beginn der Pandemie, versuchten die ukrainischen Behörden, Flüge mit unseren Arbeitern nach Europa zu blockieren, unter Berufung auf die Bedrohung durch das Coronavirus).
Wir haben herausgefunden, was die Ukrainer erwartet, um in Deutschland zu arbeiten und wie viel können sie dort verdienen.
Maximal – bis zu drei Monate
Seit vielen Jahren reisen Ukrainer traditionell ins nah gelegene Polen, um bei der Ernte zu helfen. Deutschland, wo für die gleiche Arbeit zwei- oder dreimal mehr bezahlt wird (im Durchschnitt für ungelernte Arbeitskräfte einschließlich Erntehelfer – von 40 bis 60.000 Hrywnja), blieb wegen Schwierigkeiten mit der offiziellen Beschäftigung unerreichbar.
Wie uns eine vertrauenswürdige Quelle in diplomatischen Kreisen erklärte, will Berlin in der Ukraine ein Schema anwenden, das mit dem identisch ist, das dieses Jahr erstmals für Georgien angewendet wurde.
Von nun an kann man über die staatliche Arbeitsagentur für drei Monate nach Deutschland gehen und offiziell in der Landwirtschaft arbeiten. Wir sprechen jedoch nur von zeitlich begrenzter Arbeit ausschließlich als Erntehelfer.
„Genauso wie mit Georgien plant man, dies in naher Zukunft mit der Ukraine zu tun“,- sagt die Quelle. „Für eine befristete Beschäftigung müssen Sie sich auf einem speziellen Portal für Arbeitsmigranten registrieren. Bewerber müssen körperlich fit und gesund sein und über Erfahrung und Motivation für die Arbeit als Erntehelfer verfügen, zugelassener Altersgruppen – von 18 bis 60 Jahren. Darüber hinaus sollten die registrierten Personen keine Verstöße haben, die sie daran hindern könnten, in das Land einzureisen. Es ist wünschenswert, Deutsch oder Englisch mindestens auf einem Anfängerniveau zu können, um kommunizieren zu können (obwohl alles von dem jeweiligen Arbeitgeber abhängt). Was die eigentliche Arbeit angeht, ist die Rede von der Beschäftigung als Erntehelfer für ein bis drei Monate in verschiedenen Jahreszeiten. Es sind fünf bis sechs Tage die Woche für 8-10 Stunden am Tag zu arbeiten. Der Mindestlohn beträgt 9,5 Euro pro Stunde (320 UAH), von denen Steuern und Kosten für Verpflegung und Unterkunft abgezogen werden. Informationen über Antragsteller werden an Arbeitgeber in Deutschland weitergeleitet, die die endgültige Entscheidung treffen. Wenn dies genehmigt wird, sendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag, der vor der Reise nach Deutschland ausgestellt wird.“
“Es wird viel abverlangt“
Noch vor Beginn der Pandemie versprach Deutschland, die Beschäftigung der Ukrainer zu vereinfachen, doch die Quarantäne stellte diese Pläne auf Eis. Deutsche stellen heute nur noch selten Visa aus und gleichzeitig wird ein Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache verlangt.
Dann, im vergangenen Frühjahr, organisierte Berlin nach dem Skandal mit nicht zugelassenen Charterflügen mehrere Flüge mit Ukrainern „auf die Felder“ – sie erhielten eine Sozialerlaubnis anstelle eines Arbeitsvisums.
Die meisten Saisonarbeiter in Deutschland kommen aus Rumänien und Polen. Vor kurzem forderten Rumänen und Polen jedoch höhere Löhne und gingen, ohne eine Lohnerhöhung zu erhalten, in andere europäische Länder oder blieben zu Hause. Es gibt also immer noch einen Mangel an Erntehelfern.
Die Beschäftigung für Länder, die nicht Mitglied der EU sind zu vereinfachen, haben in erster Linie Landwirte gefordert. Den besonders hohen Bedarf haben sie für die Spargelernte, die die Deutschen in großen Mengen anbauen.
„Die Deutschen selbst wollen so nicht arbeiten – es ist für sie einträglicher, Sozialhilfe zu beziehen, besonders jetzt werden noch Corona-Zahlungen an diejenigen ausgezahlt, denen aufgrund des Lockdowns gekündigt wurde. Die Ernte verrottet, und die Ukrainer sind als billige Arbeitskräfte bekannt. Obwohl es in Deutschland einen Mindestlohn gibt (etwas mehr als 9 Euro pro Stunde), zahlen manche Landwirte weniger (indem sie unsere Studenten rekrutieren und sie als Praktikanten anstellen und ihnen sechs Euro pro Stunde bezahlen). Im Großen und Ganzen werden Arbeitsrechte in Deutschland im Vergleich zu Polen viel seltener verletzt. Die meisten zahlen ehrlich, aber verlangen auch viel“, – erzählt Oxana Malomusch, eine in Berlin lebende Ukrainerin, Strana.
Den Angaben des Unternehmens Personal Service suchen 40 Prozent der Ukrainer Arbeit in Deutschland.
Und während Vereinfachung immer noch nur versprochen wird, reisen die meisten mit gefälschten Dokumenten und bekommen illegal einen Job (hauptsächlich als Hilfsarbeiter und Bedienstete).
Es ist fast unmöglich, legal einen Job zu finden, ohne die Sprache zu können und ohne ein Arbeitsvisum zu haben.
In Deutschland wird in diesem Jahr noch versprochen, neben der Saisonarbeit viele offene Stellen für Ausländer im Dienstleistungssektor anzubieten: Kellner, Hauswirtschaftskräfte, Küchenhilfe (wenn Restaurants und Hotels nach dem Lockdown wieder öffnen). Das Gehalt der Kellner und Verkäufer beträgt 1.200-1.800 Euro (42.000-62.000 Hrywnja).
„Bereits jetzt werden in Deutschland Altenpfleger, Fliesenleger, Klempner, Elektriker und Packer benötigt. Es ist realistisch umgerechnet etwa 50.000 Hrywnja zu verdienen. In einigen Fällen sind nicht einmal Kenntnisse der deutschen Sprache erforderlich. Am häufigsten werden Ukrainer genau für diese Jobs eingestellt, aber meistens illegal. Jemand reist mit gefälschten polnischen Dokumenten, jemand mit rumänischen und ungarischen Pässen. Einige gehen nach Deutschland, um angeblich für ein polnisches Unternehmen zu arbeiten, aber in Wirklichkeit werden sie illegal beschäftigt. Dieser Trend wird sich in diesem Jahr fortsetzen“, so die Expertin für Migration Inna Myz.
Mit Beginn der Erntezeit wird massiv für die Ernte und Sortierung von Spargel im Frühjahr, im Sommer – für die Ernte von Beeren und Früchten und im Herbst – für Kürbisfarmen rekrutiert.
Außerdem gibt es in Deutschland jede Menge Arbeit für Fahrer, Krankenschwestern und Bauarbeiter, das Durchschnittsgehalt liegt bei 1.500 Euro.
„Tausend Euro auf die Hand“
In der Zwischenzeit rekrutieren Vermittler aktiv Menschen mit polnischen Arbeitsvisa nach Deutschland, die leichter zu bekommen sind (d.h. illegal). Zum Beispiel auf einem Bauernhof, um sich um das Vieh zu kümmern.
Es wird ein Gehalt von 1.600 Euro netto versprochen, von denen 150 Euro für die Unterkunft abgezogen werden.
„Nach den Kosten für Unterkunft und Essen bleiben vielleicht tausend Euro auf die Hand. Und das ist Arbeit bis zur ersten Razzia der Polizei und dann – Deportation. Das ist Sklaverei. Die Arbeit auf den deutschen Feldern ist sehr schwer. Im Grunde geht es um die Ernte von Spargel, Erdbeeren, Gurken – von April bis Juni. In Polen wird schwer gearbeitet und in Deutschland ist diese Arbeit noch härter. Ohne freie Tage, mit bezahlter Unterkunft, außerdem ist es verboten, Telefone zu benutzen, ist verboten. Es wird ab 5 Uhr morgens und oft bis zum Sonnenuntergang gearbeitet“, – erzählt Strana Galina Marunjak, eine Lwiwerin, die bei der Ernte in Polen und Deutschland gearbeitet hat.
In sozialen Netzwerken interessieren sich Ukrainer aktiv dafür, wie sie mit polnischen Visa in Deutschland arbeiten können.
„Ich möchte einen Job für einen längeren Zeitraum bekommen und nicht für drei Monate, wie bei der Ernte. Und auf einer Baustelle, wo ich als Fachmaurer eingesetzt bin und nicht auf dem Feld“, gibt Alexander Barbil aus Iwano-Frankiwsk zu, er arbeitet jetzt in einem Werk in Polen und sucht einen Job in Deutschland.
Während Deutschland ein vereinfachtes Beschäftigungssystem nur für Saisonarbeit plant, ist es für andere schwierig, dorthin zu gelangen.
„Um ein deutsches Arbeitsvisum zu erhalten, wird ein deutscher Vertrag vom Arbeitgeber, Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 benötigt, und dann ab in die Botschaft, ein Visum beantragen. Ein Interview wird auf Deutsch geführt. Und das ist noch keine Sicherheit, dass es ein Visum gibt. Es sei denn, dass es um einen guten Spezialisten mit höherer Ausbildung geht. Es ist illegal, mit einem polnischen Visum nach Deutschland einzureisen“, sagt der Migrationsspezialist Leonid Mawrow.
21. Februar 2021 // Alexandra Chartschenko
Quelle: Strana.ua