Parlamentsabgeordneter Alexander Dubinskij: „Wir sind eine Republik unter der Kuratel des IWF“


Nachdem Alexander Dubinskij, der als Parlamentsabgeordneter für die Partei Diener des Volkes [Sluha narodu, A.d.R.] in der Werchowna Rada sitzt, seinen Skandal-Post veröffentlicht hat, wonach seine Partei richtiger Diener des IWF [Internationaler Währungsfonds] genannt würde, wollte Strana in Erfahrung bringen, was mit einer solchen Äußerung verbunden ist.

Sie haben einen doppeldeutigen Beitrag auf Ihrer Facebook-Seite veröffentlicht. Wörtlich heißt es darin: „Der Diener des IWF. Das scheint mir die genauere Bezeichnung für unsere Partei zu sein.“ Was verstehen Sie darunter?

Das Bewusstsein, dass die Werchowna Rada vom IWF abhängt.

Und auch das Ministerkabinett? Das Büro des Präsidenten?

Das Kabinett hat – gefühlt – auch nicht das Recht einer eigenen Meinung. Sie unterschreiben, sie stimmen überein mit oben und führen dann nur noch aus. Alles entscheidet das Präsidialbüro. Dennoch war ich überzeugt, dass wir in einer parlamentarisch-präsidialen Republik leben. Jetzt bin ich nicht mehr davon überzeugt. Insbesondere nicht mehr nach dem Verhalten des Sprechers Rasumkow [Dmytro Rasumkow, Parlamentssprecher, A.d.Ü.], der die Einrichtung einer Untersuchungskommission zur Nationalbank der Ukraine und des Einlagensicherungsfonds, auf Anweisung des IWF blockiert hat. Das hat er selbst eingeräumt. Und das ist längst kein Einzelfall.

Die Vorsitzende des Antikorruptionsausschusses Krasnosselskaja [Anastassija Krasnossilska, A.d.Ü.] hat vor der Fraktion gesagt, dass sie Gesetzänderungen mit dem IWF abstimmt. Das heißt, wie sich daraus ergibt, dass wir ein Land unter der Regierung des IWF sind, der hier günstige Bedingungen für den Markteintritt transnationaler Gesellschaften und der Wiederreinholung ihrer Investitionen gewährleistet, die in der Ukraine gemacht wurden, und mit der Sicherstellung einer gewünschten Profit-Rate auf Kosten der Bereinigung des Marktes. Wenn man es vereinfacht, sagen sie: Wir geben euch zwei, drei Milliarden und wir werden nicht fragen, worein ihr sie steckt, solange ihr uns nur euren Boden, eure Straßen, Häfen und Flughäfen verkauft. Nebenbei gesagt: Wenn wir die Verbrechen einer Walerija Gontarewa [Hontarewa leitete 2014-17 die ukrainische Nationalbank. Dubinskij gilt als Abgeordneter des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, dessen notleidende Privatbank aufgrund ihrer Marktdominanz unter Hontarewa verstaatlicht wurde. A.d.Ü.], keine unabhängigen Mitglieder [von Aufsichtsräten, Gerichten, Antikorruptionsbehörden, A.d.R.] ernennen, schweigen und nichts tun – dann werden wir eine Tranche vom IWF erhalten. Aber wozu zum Teufel eine solche Tranche? Es zeigt sich, wir sind eine Republik unter der Kuratel eines Clubs von Kreditgebern, die der IWF verkörpert.

Und worin besteht diese Kuratel?

Betrachten wir zum Beispiel die Gesetzesvorhaben in den Kommissionssitzungen. Wenn die Gesetze im Präsidentenbüro oder im Ministerkabinett ausgearbeitet worden sind, dann sagen die Kommissionsvorsitzenden mit steinernen Gesichtern, dass man diese Änderungen nicht einbringen kann – weil es die Position von oben ist. Wenn die Änderung weitreichend ist, dann sagen sie: „Wir werden es dort abstimmen und werden mit einer Entscheidung zurückkommen.“

Wo ist das?

Irgendwo. Darüber weiß niemand irgendetwas.

Und dennoch: Wessen Einfluss ist größer – Bogdans [Andrij Bohdan, Chef des Präsidentenbüros, A.d.Ü.], Gontscharuks [Ministerpräsident Olexij Hontscharuk, A.d.Ü.], der des IWF?

Der des IWF. Ich glaube, dass dies, auf der einen Seite, ein Ergebnis der kolossalen Schuldenlast ist. Auf der anderen Seite – ein geeigneter Schutzschirm für die Entscheidung zum Ausverkauf der Heimat.

Worum geht es?

Die massenweise Privatisierung von allem und jedem, was auch das Kabinett plant.

Was genau planen sie? Die Einkünfte aus Privatisierungen, wie sie im Staatshaushalt 2020 festgehalten sind, sind unbedeutend.

Ich glaube, es geht um Folgendes: Wenn man jetzt Pläne für Gewinne aus Privatisierungen im geplanten Staatshaushalt festschreibt, dann erhalten wir ein ungeheures Wachstum der Einkünfte und ihre Transformierung in Wirtschaftswachstum, was Zahlungen auf die umstrukturierten Schulden der Jaresko-Zeit ankurbelt [Natalija Jaresko, Finanzministerin unter dem vorherigen Präsidenten Poroschenko; Unter ihrer Ägide wurde eine Umschuldung beschlossen, welche die Schuldscheininhaber bis 2040 zusätzlich zu den vereinbarten Zinszahlungen noch am Wirtschaftswachstum der Ukraine beteiligt. A.d.R.]. Und die Ausgaben für diese Zahlungen müssten sich hier im Budget widerspiegeln, und das sind Milliarden Dollar. Und abgesehen davon glaube ich, das Ministerkabinett zeigt mit Absicht die zukünftige Privatisierung auch deshalb nicht im Haushalt, um die Bürger nicht mit dem Ausverkauf des Staates zu beunruhigen.

Was gibt es noch außer dem Ausverkauf des Bodens?

Ja, alles. Wir haben doch schon das Gesetz über Konzessionen, wir sind bereit, alles in den Ausverkauf zu geben. Sogar die Waldwirtschaft. Das Kabinett will alle Forstwirtschaften privatisieren. Und so stellt sich heraus: Wir privatisieren den Boden, die Wälder, die Eisenbahn, die Post, die Häfen, die Wege. Bleibt nur noch, Wasser und Luft zu privatisieren.

Haben Sie versucht, mit der Regierung über ideologische und konzeptuelle Fragen zu diskutieren, zum Beispiel bei einem persönlichen Treffen mit Gontscharuk oder auf andere Art?

Ich habe versucht, mit dem Ministerpräsidenten eine Diskussion zu führen und ihm Fragen zu stellen zur Pyramide Staatsanleihenmarkt. [Im Frühjahr und vor allem im Sommer wurden in Hrywnja notierte ukrainische Staatsanleihen mit kurzer und mittelfristiger Laufzeit zu zweistelligen Zinssätzen im Gegenwert von mehreren Milliarden Dollar verkauft, was ein Faktor bei der starken Aufwertung der Hrywnja in dieser Zeit ist. A.d.R.] Und es wurde erklärt, dass die Pyramide im Binnenanleihenmarkt – nach Meinung Gontscharuks – Wirtschaftswachstum ist und die Stärkung des Griwna-Kurses über spekulative Investitionen in Wertpapiere ist ein Indikator für das Vertrauen ausländischer Investoren in die Griwna.

Und wie schätzen Sie, der Sie ja früher Finanzjournalist waren, überhaupt die Kompetenz des Ministerpräsidenten ein, die sich aus seiner Antwort an Sie, was die Situation der Kurse ablesen lässt, herauslesen lässt …?

Als verwunderlich …

Wie lange wird sich Gontscharuk im Amt des Ministerpräsidenten halten?

Ich glaube, dass er ein Jahr hat. Deshalb will ich, dass das Programm des Kabinetts ein Jahr umfasst und nicht fünf Jahre. Wenn sie ein Programm für die ganzen fünf Jahre vorstellen, werde ich nicht abstimmen.
[Bei der Abstimmung am 4. Oktober fehlte Dubinskij. A.d.R.]

Heute wird das Regierungsprogramm im Parlament vorgestellt, werden Sie Fragen zum IWF stellen?

Das wird kaum gelingen. Sie haben uns im Voraus gewarnt, dass das Wort (für zwei Minuten) nur den Ausschussvorsitzenden erteilt wird. Nach meinen letzten Informationen werden sie eingehen auf das Büro des Präsidenten, die Nationalbank und das Finanzministerium, um mich aus der Auswahlkommission für die Mitglieder der Aufsichtsräte der Staatsbanken zu entfernen. Sie möchten, dass dort loyale und von ihnen abhängige Menschen sind.

Sie sind einer von den Abgeordneten aus der Medienbranche, die öfter als andere Gesetzentwürfe kommentieren, aber es herrscht das Gefühl, dass Sie nicht im Prozess sind und als Außenseiter arbeiten. Haben sie Sie, wie andere Abgeordnete, auch in die Parteiangelegenheiten eingeführt?

Sie haben niemanden besonders eingeführt. Viele Gesetzesvorhaben, die sie im Saal vorstellen, sind Gesetze, bei denen unklar ist, wo und von wem sie geschrieben wurden, die anschließend loyale Abgeordnete unterschreiben. Zum Beispiel Gesetz 1053 (über die Kassenapparate) [Das Gesetz schreibt nun bis auf wenige Ausnahmen das Vorhandensein von Geräten/Registerkassen zur Ausgabe von Rechnungen mit Steuernummer vor, um die Schattenwirtschaft zurückzudrängen. A.d.R.]: Zum Ausschuss kam schreiend ein Abgeordneter gelaufen, der seinen Namen unter den Entwurf gesetzt hatte: „Verdammt, sie haben mich gebeten zu unterschreiben. Ich hab unterschrieben, es durchgelesen und hab große Augen bekommen.“

Hat er seine Unterschrift zurückgezogen?

Nein, er hat Änderungen eingebracht. Hat versucht, die Situation zu korrigieren.

Lesen die Abgeordneten die Gesetzesvorlagen überhaupt, für die sie stimmen?

Im Wesentlichen nicht.

Aber Sie lesen sie?

Das, was ich verstehe, lese ich. Wenn ich etwas nicht verstehe, berate ich mich mit Kollegen. In meiner Reihe sitzt ein hervorragender Rechts-Spezialist.

Und wenn Sie es nicht schaffen, es zu lesen – stimmen Sie dann ab?

Nein. Entweder ich stimme gar nicht ab oder ich enthalte mich. Dort, wo ich nicht überzeugt bin, stimme ich nicht ab. Wenn ich etwas nicht unterstützen will, enthalte ich mich.

Werden Ihnen Grüße nach solchen kurzen Einsprüchen bestellt?

Umgehend.

Wie konkret, wenn es kein Geheimnis ist?

Der Kurator meiner Abgeordnetengruppe. Bei uns gibt es kein Recht auf Abweichung. Wenn du nicht abstimmst oder dich enthältst – kommt die Reaktion umgehend.

Und wie reagieren Sie?

Sie wissen nicht, wie ich normalerweise darauf reagiere? Das ist nicht nur der persönliche Wunsch der Leute, mir derartige Fragen zu stellen. Das ist ihre Aufgabe. Am ehesten f… sie irgendjemand für meine Nichtabstimmung.

Stimmt es, dass damit begonnen wurde Abgeordneten, damit sie sich weniger entrüsten, „in Briefumschlägen“ in drei Größenordnungen Geld zu zahlen: 5.000, 10.000, 15.000?

Dazu kann ich Ihnen gar nichts sagen.

Wird Ihnen gezahlt?

Ich glaube, sogar wenn es so wäre, würde keiner mit so einem Vorschlag zu mir kommen.

4. Oktober 2019 // Swetlana Krjukowa, Julia Korsun

Quelle: Strana

Übersetzerin:    — Wörter: 1406

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