Produktwerbung auf Regierungsebene
Die Grippeepidemie in der Ukraine hat Möglichkeiten für die Einführung von Präparaten zur Bekämpfung des Virus A/H1N1 eröffnet. Beim Gesundheitsministerium erklärte man, dass man den Empfehlungen der WHO folgt – jede Grippeart kann man mit Präparaten gegen die kalifornische Grippe behandeln. Heute ist infolge der Handlungen des Ministerkabinetts das Produkt der Schweizerfirma F. Hoffmann-La Roche das bekannteste Mittel in der Ukraine. Auf diese Weise hat das Unternehmen einen bedeutenden Vorteil, obgleich auch ukrainische Firmen bereit sind analoge Arzneien zur Verfügung zu stellen.
Gestern hatte der Erste Stellvertreter des Gesundheitsministers, Wassilij Lasorischinez, erklärt, dass gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Falle des Auftauchens von auch nur einem Erkrankungsfall mit dem Virus A/H1n1, die Behandlung gemäß dem Protokoll für eben diese Erkrankung erfolgen soll. Das bedeutet, dass für die Behandlung aller Patienten mit Grippesymptomen und Symptomen “heftiger Virusinfektionen” Präparate genutzt werden sollen, die effektiv bei der Bekämpfung der kalifornischen Grippe sind. Gemäß den Empfehlungen der WHO sind das Oseltamivir or Zanamivir. “Wir haben speziell nicht auf die kommerzielle Bezeichnung der Arzneien hingewiesen, um allen Arzneimittelherstellern gleiche Chancen zu geben. Eine der kommerziellen Bezeichnungen von Oseltamivir ist – Tamiflu”, erläuterte dem “Kommersant-Ukraine“ der Leiter des WHO Büros in der Ukraine, Igor Pokanewitsch. Beim Pressedienst des Gesundheitsministeriums konkretisierte man gegenüber dem “Kommersant-Ukraine“, dass man sich von den Empfehlungen der WHO leiten ließ.
Das Präparat des Schweizer Unternehmens wurde breit von der ukrainischen Staatsmacht beworben. Gestern trafen in der Ukraine 300.000 Dosen des Präparates Tamiflu ein, die auf Staatskosten von dem Schweizer Unternehmen F. Hoffmann-La Roche gekauft wurden. Dabei erklärte Premierministerin Julia Timoschenko über die Fernsehschirme, dass das Präparat in die Krankenhäuser übergeben wird, wo dieses den Bürgern gratis ausgegeben wird. Bis Ende des Monats plant die Regierung, Timoschenkos Worten nach, von dem Unternehmen weitere 700.000 Dosen Tamiflu zu kaufen. F. Hoffman-La Roche verkauft das Präparat im Rahmen staatlicher Bestellungen für 67 Hrywnja (ca. 5,58 €) pro Packung. Wo dies Distributoren, die direkt eine Bestellung in der Schweiz machen, zum Preis von 31$ (248 Hrywnja) pro Packung verkauft wird. Die Einsparungen des Staatshaushaltes betrugen 140 Mio. Hrywnja (ca. 11,6 Mio. €), erklärte man beim Außenministerium. “Wir verkaufen das Präparat zu einem Vorzugspreis an Staaten, die im Rating der Weltbank als Länder mit niedrigem Einkommen ausgewiesen sind”, erzählte die Leiterin der ukrainischen Vertretung von F. Hoffmann-La Roche, Alla Tschobanu. Vorher kaufte die Ukraine bereits 67.000 Dosen Tamiflu und erhielt 60.000 von der WHO.
Die Mitteilung über die Effektivität von Tamiflu bei der Bekämpfung von A/H1N1 rief eine aufgeregte Nachfrage nach diesem Präparat in den Apotheken hervor, sagen Marktteilnehmer. Jedoch verkaufen viele Apotheken dieses bislang nicht, da sie dieses nicht von den Lieferanten kaufen können, hebt die Geschäftsführerin des Unternehmens “Apteka gormonalnych Preparatow”, Natalja Schutjak, hervor. Ihren Worten nach, wird Tamiflu mit einem 25-prozentigen Zuschlag in den Apotheken ihres Netzes 350 Hrywnja (ca. 29,16 €) pro Packung kosten.
Wiktor Marijewskij, Direktor des Institutes für epidemiologische und infektiöse Krankheiten der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Wiktor Marjewskij, warnt, dass Tamiflu nur für die Behandlung von Grippe verwendet werden kann und nicht für die Prophylaxe: “Ob ein Mensch erkrankt oder nicht hängt von seiner Immunisierung ab – niemand gibt eine hundertprozentige Garantie dafür, doch es gibt hinreichend viele bekannte prophylaktische Maßnahmen gegen die Grippe, darunter den Gebrauch von Zwiebeln und Knoblauch”. Dabei ist Tamiflu nicht das einzige Mittel für die Behandlung der Grippe, die durch das Virus A/H1N1 hervorgerufen wird, betont der Geschäftsführer von “Kreoma-Farm”, Wladimir Semenow: “Aus dem Spektrum der antiviralen einheimischen Präparate kann ‘Amiksin IS’ (wird in Apotheken zum Preis von 122,5 Hrywnja – ca. 10,21 € – für die Verpackung verkauft) eine Konkurrenz darstellen. Doch diese Präparate werden von den Vertretern der Staatsmacht nicht erwähnt”.
Indem F. Hoffmann-La Roche den Staatsauftrag für die Lieferung der Arzneien von der Regierung erhielt, hat es einen bedeutenden Vorteil vor den Konkurrenten erhalten, betonen Experten. “Der Bekanntheitseffekt über dieses Produkt wird noch viele Jahre nach Ende der Epidemie wirken”, sagt der Generaldirektor der Publicis Groupe Ukraine, Oleg Popenko. Seinen Worten nach hat das Präparat eine Einführung erhalten, “die effektiver ist, als eine direkte Werbung”: “In einer Situation in der ein Lebensgefahr besteht, wirkt die mächtigste Stimulanz – die Todesangst, die zum höchsten Erinnerungswert des Produktes führt”.
Der Direktor für Marktforschungen bei “FarmExpert”, David Melik-Gusejnow, bekräftigt, dass für F. Hoffmann-La Roche der ukrainische Arzneimittelmarkt, der auf 2 Mrd. $ im Jahr geschätzt wird, wichtig ist, doch nicht strategisch. “Das Unternehmen hat Milliardenumsätze in der Welt – allein das genannte Präparat verkauft es für 30 Mrd. $ im Jahr”, sagt er. “Doch Nutzen von den Diensten der Regierung bei der Einführung könnten Distributoren und Apotheken ziehen”.
Aljona Golubewa, Maria Zaturjan, Irina Mironowa
Quelle: Kommersant-Ukraine