Ukraine steht vor Rentenreform
In der Ukraine hat die Rentenreform begonnen, die sowohl die derzeitigen, als auch die zukünftigen Rentner betrifft. Die Regierung schlug dabei unter anderem vor das Renteneintrittsalter für die Frauen und Militärangehörige anzuheben, die Inflationsanpassung/Indexierung der Sonderrenten abzuschaffen und die Renten der arbeitenden Rentner zu verringern. Experten betonen, dass diese Änderungen bereits vor zehn Jahren hätten beschlossen werden sollen. Dabei geben sie zu, dass die Vorschläge der Regierung nur schwer eine Reform genannt werden können, da die Einführung eines kapitalgedeckten Rentensystems auf unbestimmte Zeit verschoben wird.
Der Gesetzentwurf der Regierung Nr. 7455 „Über die Maßnahmen zur gesetzlichen Gewährleistung der Reformierung des Rentensystems“ wurde bereits am 13. Dezember in der Werchowna Rada registriert, jedoch wurde der Text des Dokumentes erst vorgestern Abend veröffentlicht. Ungeachtet der Verzögerung bei der Einreichung des Dokuments, rechnet das Kabinett damit, dass die Rentenänderungen zum 1. Januar 2011 in Kraft treten. Unter dem Deckmantel der Reform wird vorgeschlagen das Renteneintrittsalter von Männern und Frauen anzugleichen. Dafür wird der Zeitpunkt für den Rentenbeginn bei Frauen jedes Jahr um sechs Monate von 55 Jahren auf 60 Jahre angehoben (die erste Anhebung findet bereits ab dem 1. Februar statt). Weiterarbeitende Frauen können auf eine Erhöhung ihrer Renten um 2,5 Prozent für jedes halbe Jahr nach dem Erreichen der 55 Jahre rechnen. Der Meinung des Senior Researchers des Nationalen Instituts für strategische Forschungen, Alexander Kowal, nach verringert die Erhöhung des Renteneintrittsalters das Defizit des Pensionsfonds um 2-3 Mrd. Hrywnja jährlich.
Die Verwaltungsreform beginnend, entschied die Regierung das Höchstalter für das Verweilen im Staatsdienst bei Männern auf 62 Jahre und für Frauen auf 60 Jahre festzulegen (derzeit sind es 60 bzw. 55 Jahre mit der Möglichkeit einer Verlängerung um fünf Jahre). Richter, Staatsangestellte/Beamte, Abgeordnete und andere Bedienstete, die allein ihren Renteneintritt planen, können keine Zahlungen über dem 12-fachen des Existenzminimums erhalten (bis zu 9.000 Hrywnja). Die geltenden Sonderrenten werden solange nicht an den Inflationswert angepasst/indexiert, wie ihre Höhe nicht bei dem 12-fachen des Existenzminimums liegen. Dabei können Staatsbedienstete, Richter und Staatsanwälte nicht für jedes halbe Jahr ihrer Arbeit über zehn Jahren in den staatlichen Organen auf eine Erhöhung ihrer Renten um 1-2 Prozent ihrer Gehälter zählen. „Derzeit werden den Renten 80 Prozent des mittleren Gehalts der letzten zwei Arbeitsjahre aufgeschlagen, zukünftig wird es von den letzten fünf Jahren sein. Derart werden die Staatsangestellten bestraft, um die Gesellschaft zu beruhigen“, erläutert die leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Demografie der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Lidija Tkatschenko. „Es wäre ideal, wenn die Sonderrenten abgeschafft würden, doch auch die vorgeschlagenen Maßnahmen werden von den Leuten mit Verständnis aufgenommen, denn dieser Unterschied in den Rentenhöhen bringt (die Leute) auf“, stimmt Kowal zu. Übrigens, werden die Staatsbediensteten beim Renteneintritt eine (einmalige) Hilfe in Höhe des Zehnfachen der ihnen berechneten Rente erhalten.
Allen übrigen wird die Summe der Rentenzahlungen ausgehend von ihrem Lohn für die letzten drei Jahre und nicht des letzten Jahres, wie derzeit, berechnet, was die Auszahlungen der zukünftigen Rentner senkt. „Innerhalb eines Jahres steigt der Lohn um 10-15 Prozent und wenn wir den Mittelwert der letzten drei Jahre nehmen, dann liegt er um 15-20 Prozent unter dem des letzten Jahres“, betont Tkatschenko. Die Rentenzahlungen der arbeitenden Rentner werden neu berechnet, sich dabei an der Höhe des Gehalts beim Renteneintritt orientierend. „Nicht genug, dass wir die Rente später bekommen werden, sie wird auch noch eingeschränkt“, entrüstete sich die Analystin des Büros für ökonomische und soziale Forschungen, Natalja Leschtschenko. Länger arbeiten müssen auch die Militärangehörigen, für die das Kabinett die minimale Dienstzeit für den Erhalt von Rente nach Dienstalter von den derzeitigen 20 auf 25 Jahre zu erhöhen plant.
Lidija Tkatschenko nach wurden diese Vorschläge von Anfang der 2000er Jahre diskutiert, doch niemand der Politiker wollte sein Image verderben. „Als auf zehn Steuerzahler, neun Rentner kamen, begriffen sie, dass Änderungen notwendig sind“, meint sie. Jedoch sind diese Maßnahmen keine Reformen, sondern lediglich Änderungen in den Parametern des jetzigen Rentensystems, warnen Experten. So ist Kowal empört über die unbestimmte Aufschiebung der Einführung eines zweiten Niveaus eines kapitalgedeckten Systems/Rentenansparsystems. Die Überweisung von Beiträgen in einen Kapitalrentenfonds beginnt erst dann, wenn der Rentenfonds defizitfrei ist. Im laufenden Jahr belief sich sein Defizit auf 27 Mrd. Hrywnja, wobei die Einsparung aus allen Initiativen sich 2011 lediglich auf 1,7 Mrd. Hrywnja beläuft. „Wenn das Kabinett vor den nächsten Wahlen die Rentenzahlungen nicht erhöht, dann könnte der Fonds innerhalb von ein bis zwei Jahren defizitfrei sein“, prognostiziert Leschtschenko. Ukrainer unter 35 Jahren sollen für die persönlichen Rentenkonten 2 Prozent aus dem einheitlichen Sozialbeitrag zahlen, bei einem schrittweisen jährlichen Anstieg dieser Zahlungen um 1 Prozent auf bis zu 7 Prozent.
Natalja Neprjachina
Quelle: Kommersant-Ukraine