Die Ukrainskaja Prawda an Pintschuk
Die Kolumne Wiktor Pintschuks, die Ende vorigen Jahres im Wall Street Journal unter dem Titel „Die Ukraine muss schmerzvolle Kompromisse für einen Frieden mit Russland machen“ erschien, rief eine stürmische Diskussion und einen Schwall an Kritik in der ukrainischen Gesellschaft hervor.
Ein Kompromiss in der Variante Pintschuks sieht de facto einen Verzicht auf die Prioritäten in der Außenpolitik hervor, an welche die Ukraine sich in den vergangenen Jahren gehalten hat und eben an die Absicht der EU beizutreten und sich in die Nato zu integrieren.
Die Thesen Pintschuks über die Krim und den Donbass haben viele als Vorschlag einer Kapitulation vor Russland aufgefasst.
Die Diskussion, die sich in der Ukraine nach dem Erscheinen des Artikels entfaltete hat anschaulich gezeigt:
Es gibt rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen, wenn du dein Land achtest und seine Unteilbarkeit bewahren willst.
Für die Redaktion der Ukrainskaja Prawda ist es absolut offensichtlich, dass ein „vorübergehender Ausschluss der EU-Mitgliedschaft aus den erklärten Zielen der Ukraine“ ein äußerst unrichtiger Schritt ist und eben diese These wurde zu einer der Schlüsselthesen in der Kritik an die Adresse Pintschuks.
Das Anstreben der Mitgliedschaft ist der Hauptmotor der Reformen in der Ukraine und diese These wurde von niemandem infrage gestellt.
Es ist schwer darüber zu debattieren, da es oftmals nichts Beständigeres gibt, als das Vorübergehende.
Das Gleiche betrifft die Frage der Krim, die Wiktor Pintschuk in seinem Artikel als mögliches „Hindernis auf dem Weg zu der Lösung benannte, die dem Krieg im Osten der Ukraine ein Ende setzt“. Wenn die Ukraine auch nur zeitweilig die Frage der Krim in Klammern setzt, dann verunmöglicht das eine Rückkehr der Halbinsel in jeglicher zeitlichen Perspektive. Zudem wird das ein äußerst negatives Signal für den Teil der Krimbevölkerung, der die Annexion von 2014 nicht akzeptierte.
Nichtsdestotrotz, als Wiktor Pintschuk sich an die Ukrainskaja Prawda mit dem Vorschlag wandte, eine neue Kolumne mit Erklärungen seiner Thesen zu veröffentlichen, stimmten wir zu. Denn wir meinen, dass dies wichtig für unsere Leser und für die Fortsetzung der öffentlichen Diskussion ist.
Jetzt zu den Thesen, die in der neuen Kolumne dargelegt wurden.
Viele von ihnen klingen der Meinung der Redaktion nach, wie eine Rechtfertigung.
Für uns bleibt die Tatsache offensichtlich, dass die erste Publikation nicht an den ukrainischen Leser gerichtet war, sondern an die neue Administration der USA, das Team von Präsident Trump. Es ist kein Geheimnis, dass Wiktor Pintschuk lange Zeit den Fonds der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton finanziell unterstützt hat. Und die neue Realität, auf die sich Pintschuk unvorbereitet erwies, zwingt ihn zu derartigen Varianten der Aufmerksamkeitserlangung zu greifen. Hier urteilt er als Geschäftsmann.
Das Problem besteht lediglich darin, dass eine derartige Verteidigung seiner Interessen gegen die staatlichen Interessen geht.
Die neue Kolumne ist für den ukrainischen Leser geschrieben und ihr Ziel – das Gesicht zu wahren. Dabei sind wir uns dessen bewusst, dass sie am Vorabend der jährlichen Veranstaltung Pintschuks in Davos „Ukrainisches Frühstück“ geschrieben wurde, schon allein deswegen, weil viele ukrainische Politiker bisher noch nicht entschieden haben, ob sie nach Davos fahren sollen oder nicht.
Wir haben den neuen Artikel gelesen und es tauchten einige Fragen und ein gänzlich konkreter Vorschlag für Wiktor Pintschuk auf.
In der neuen Kolumne schreibt der Geschäftsmann im Einzelnen: „Den europäischen Vektor als strategischen beibehalten.“
Dennoch, Wiktor Michajlowitsch (Pintschuk), schlagen Sie vor den europäischen Vektor beizubehalten oder ihn zur Seite zu legen? Schaffen Sie Klarheit!
In den Erläuterungen vergaßen Sie ebenfalls Ihre These über die Wahlen in den besetzten Gebieten, die in der Kolumne des Wall Street Journals keine geringe Resonanz in der Ukraine hervorrief. Wir erinnern Sie daran:
„Jedoch müssen wir möglicherweise diese Wahrheit ignorieren und einer Abhaltung von regionalen Wahlen (im Donbass) zustimmen. Derartige Kompromisse könnten die Ostukrainer enttäuschen, die unglaublich gelitten haben, doch demonstriert es das Streben der Ukraine zu einer friedlichen Wiedervereinigung.“
Sie unterstützen die Idee einer Abhaltung von Wahlen im Donbass in einer Zeit, wo die Region de facto unter russischer Kontrolle verbleibt, nicht mehr? Oder meinen Sie, dass sie stattfinden können?
Ebenso haben wir Ihrem Pressedienst unsere Informationsanfrage übergeben und hoffen Antworten auf unsere Fragen zu bekommen.
Jetzt zu dem, was den Vorschlag anbelangt. In den Erläuterungen schreiben Sie insbesondere:
„Doch einige der Vorwürfe an meinen Artikel nehme ich sicherlich mit einem Gefühl der Schuld wahr. Ich meine die scharfe Reaktion der Krimtataren und anderer Bürger der Ukraine, die auf der Halbinsel leben, doch dem Lande treu blieben. Für sie ist die Frage „wann kehrt die Krim zurück“ keine geopolitische Gleichung, sondern reales Leiden an der Okkupation oder eine Wunde der verlorenen Heimat. Ich hätte das bei der Wahl meiner Worte berücksichtigen sollen. Jeder Tag ohne Heimat ist Schmerz und ich schreibe von 15-20 Jahren. Ich habe es so gesagt, wie ich es sagte, denn ich bin kein Diplomat, sondern Ingenieur.“
Ein Schuldgefühl ist schlecht und als Philanthrop, und eben als solcher unterschrieben Sie den Artikel im WSJ, verstehen Sie das.
Sie können es mit ganz realen Handlungen an die Adresse der Bewohner der okkupierten Halbinsel wiedergutmachen – mit Hilfe für die Familien der politischen Gefangenen auf der Krim oder mit finanzieller Unterstützung des einzigen krimtatarischen Fernsehsenders, der zurzeit auf der Krim sendet – ATR.
Die letzten drei Jahre nach der Annexion hängt sein Schicksal am seidenen Faden aufgrund fehlender Finanzierung. Der Preis für ein Arbeitsjahr des Fernsehsenders liegt bei etwa fünf Millionen Dollar. Das ist bedeutend weniger, als seinerzeit Ihre wohltätigen Beiträge für den Fonds der Clintons (8,1 Millionen Dollar).
Wir sind überzeugt, dass die Krimbewohner diesen Schritt von Ihrer Seite schätzen werden. Die Unterstützung der Krim bringt ihre Befreiung näher und 15-20 Jahre brauchen wir überhaupt nicht dafür.
Zur gleichen Zeit erkennt die Ukrainskaja Prawda an, dass eine positive Agenda für die Lösung der ukrainischen Frage fehlt. Und wenn Wiktor Pintschuk darüber geredet hätte und nicht eine negative Agenda vorgeschlagen hätten, dann wären in der ukrainischen Gesellschaft nicht so viele Fragen aufgekommen.
Die Diskussion, die von der Veröffentlichung des Geschäftsmannes verursacht wurde, hat gezeigt, dass vor uns allen – Journalisten, Experten und natürlich der Regierung – eine schwierige, doch wichtige Aufgabe steht: Eine solche Agenda so schnell wie möglich vorzulegen.
13. Januar 2017 // Redaktion der Ukrainskaja Prawda
Quelle: Ukrainskaja Prawda