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Die verschlossene Tür zum Balkon

Der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch darf bereits nicht mehr auf dem europäischen Balkon neben anderen Führungssitzen der zivilisierten Welt stehen. Der Gipfel in Chicago, zu welchem er nur zähneknirschend eingeladen wurde, nachdem er endgültig sein Renommee als ukrainische Führungsspitze ruiniert hatte, könnte das letzte respektable internationale Treffen gewesen sein, auf welchem Janukowitsch und seinen Vertrauten die Hände geschüttelt wurden. Davon zeugt die regelrechte Lawine an Signalen direkt nach der Abreise Janukowitschs nach Meschigorje in der Ukraine, die eine unveränderte westliche Position bestätigt. Das Europäische Parlament, das State Department der USA, das Außenministerium Frankreichs – die Liste der Gegner des Fürstentums von Meschigorje wird stetig länger. Im Übrigen würde ich noch nicht einmal sagen wollen, dass die Position sich überhaupt nicht verändert hat. Sie wird konkreter und rigoroser. Bei der Anhörung im Europäischen Parlament versprachen die Sozialisten, die sich durch ihre Zusammenarbeit mit der Partei der Regionen nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, jegliche partnerschaftlichen Beziehungen zu den Weggefährten Wiktor Janukowitschs abzubrechen, sollten nicht die richtigen Rückschlüsse aus der internationalen Kritik gezogen werden. In diesem Zusammenhang wurde sogar ein möglicher Zeitpunkt für die Entscheidung genannt – die kommenden Parlamentswahlen in der Ukraine.

Im Übrigens ist die Verknüpfung eines endgültigen Bruchs mit den „Regionalen“ mit den Parlamentswahlen nicht zufällig und erklärt in vielerlei Hinsicht, warum sich der Westen bislang ausschließlich auf Ermahnungen beschränkt hat und sich nicht mit greifbaren Sanktionen beeilt sowie auch, warum viele europäische und amerikanische Politiker auf der Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit unserem Land bestehen. Sie rechnen mit einem Einsehen seitens der ukrainischen Elite, nicht nur mit dem der Opposition, sondern vor allem auch seitens der Führungssitze. Die Wahlen – sie sind die letzte Chance die Situation im Land zu ändern.

Natürlich wird allein durch die Tatsache, dass Politiker, die aus politischen Erwägungen verurteilt wurden – wie die frühere Ministerpräsidentin Julija Timoschenko und der frühere Innenminister Jurij Luzenko – an diesen Wahlen nicht teilnehmen werden, die Anerkennung des Wahlergebnisses äußerst unwahrscheinlich. Sollte jedoch die Opposition an den Parlamentswahlen teilnehmen und, was am wichtigsten ist, gewinnen, dann wird ein neuer Dialog möglich werden. Dabei sollte ein Sieg der Opposition nicht nur auf dem Papier stehen. Den oppositionellen Kräften sollte ermöglicht werden, eine neue Landesregierung zu bilden – und diese Regierung sollte zusammen mit der neuen Führung der Werchowna Rada die Korrektur der politischen Fehler lancieren, die sich Wiktor Janukowitsch während seiner Zeit im Präsidentschaftsamt erlaubt hatte.

Es sollten Beschlüsse gefasst werden, die die Freilassung der politischen Gefangenen ermöglichen, Möglichkeiten geschaffen werden, den Auswirkungen des letzten konstitutionellen Richtungswechsels, der von den „Regionalen“ nach dem Sieg ihrer Führung bei den Präsidentschaftswahlen durchgesetzt worden war, vorzubeugen (einfacher ausgedrückt, bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung wird eine Rückkehr zu den bis 2010 bestehenden präsidialen Vollmachten und zu einem Mechanismus der Regierungskoalitionsbildung im Parlament unumgänglich), die Ahndung korruptionsbedingter Tätigkeiten seitens der früheren Machtspitze in Angriff genommen werden.

All dies, und das versteht sich von selbst, sollte den Weg sowohl für ökonomische Reformen wie auch für die Integration mit Europa ebnen und, darüber hinaus, zu einem Einvernehmen mit Russland führen.

Das politische Schicksal von Janukowitsch selbst wird in diesem Kontext von seiner persönlichen Einsicht abhängen. Wenn der Präsident begreift, was geschehen ist und Regierung und Parlamentarier im Rahmen seiner gesetzlichen Vollmachten unterstützen wird, könnte er seinen Posten bis 2015 beibehalten und seine persönliche und familiäre Sekurität von den Partnern der Ukraine im Ausland gewährt bekommen. Sollte Janukowitsch hingegen, ähnlich wie sein Vorgänger und Mitstreiter Wiktor Juschtschenko, danach streben, die Macht des Landes zu destabilisieren und die Arbeit der neuen Regierung zu behindern, wird sich die Frage nach seinem Rücktritt und nach vorzeitigen Parlamentswahlen stellen. Ausgangspunkt einer solchen Entscheidung könnte zumindest die Arbeit einer der Untersuchungskommissionen sein, die sich mit der Korruption innerhalb der Führungssitze auseinandersetzt: ihre Bilanz könnte dermaßen aufsehenerregend sein, dass der Präsident freiwillig zurücktreten muss, ohne ein Impeachment abzuwarten – im Austausch für eben jene Sicherheitsgarantien.

Ist eine solche Entwicklung der Ereignisse realistisch? Nein, das ist sie nicht. Das ist schlichtweg ein Plan zum Erhalt der Macht sowie der Besitztümer in den Händen der bestehenden Elite, und wie sie sich selbst in Sicherheit bringen könnte. Ich bezweifle im Gegensatz zu einer Reihe von westlichen Politikern und Beobachtern, mit denen ein Austausch stattgefunden hat, dass die „Regionalen“ überhaupt auf die Idee kommen werden, ehrliche Wahlen zu gewährleisten und noch viel weniger diese zu verlieren. Selbst wenn sie versteht, dass dies eine endgültige Isolation der Ukraine zur Folge haben würde, wird die Machtspitze die Wahlen fälschen und gewinnen. Teilweise aus immenser Angst vor Janukowitsch, teilweise wegen eines fehlenden strategischen Verständnisses bei der Mehrheit der ukrainischen „Oligarchen“ und ihren politischen Vasallen, zum Teil wegen der absoluten Gleichgültigkeit gegenüber der Meinung der Umwelt. Der „regionale“ Bulldozer rollt einfach weiter und beschießt all diese Erwägungen und Kalkulationen – nicht jedoch für seine Passagiere. Wenngleich sie irgendwelche Experten anheuern – auch für viel Geld – dann nicht, damit sie von diesen gesagt bekommen, wie alles gut wird.

Entsprechend sollte man sich nicht darauf einstellen, dass die Machtelite den europäischen und amerikanischen Wünschen entgegen kommen wird, sondern darauf, dass sie alles so handhaben wird, wie Janukowitsch es benötigt. Und man sollte begreifen, dass sich auf die Auswirkungen dessen nicht nur die ukrainische Gesellschaft einstellen sollte, sondern auch unsere russischen Freunde, die die Mentalität Wiktor Fjodorowitsch und seiner Mannschaft um einiges besser verstehen als Angela Merkel oder Hillary Clinton und die bereits jetzt darüber nachzudenken begonnen haben, welchen Nutzen Russland aus der totalen Isolation der Ukraine ziehen könnte. In diesem Fall wird Janukowitsch doch nicht wissen, wohin – und in die russische Umarmung stürzen wie eine überreife Birne?

Und er wird eben nicht stürzen – hier irren sich die Russen genauso wie die Europäer und Amerikaner, die versuchen, die „Burschen“ auf den richtigen Weg zu bringen und einmal im Leben dazu bringen wollen, einen ehrlichen Schritt für sie zu tun. Da eine Isolation im gegebenen Fall auch eine Destabilisierung mit sich bringen würde. Die Partei der Regionen wird trotz allem – unabhängig von jeglicher Fälschung – keinen überzeugenden Sieg erringen, trotz allem wird eine Mehrheit nur durch „Überläufer“ möglich sein, trotz allem wird die Führungsspitze nicht als legitim angesehen werden. Zumal sie auch im Westen genauso aufgefasst würde – als illegitime Führungsspitze von Usurpatoren. Und irgendwelche abrupten Bewegungen wird sie sowieso nicht machen können, weil jeder Beschluss des Rates von Lwiw legitimer erscheinen würde als ein Beschluss der Werchowna Rada, und weil jeder Gang auf die Straße – als Protest der Menschen gegen die Usurpation und nicht als Aufmarsch gegen eine legitime Machtspitze verstanden würde. Und all zu lang wird diese Situation sowieso nicht andauern. Sie werden einfach gemeinsam abtreten – sowohl Janukowitsch als auch das Parlament. Nur zu diesem Zeitpunkt ohne irgendeine Gewähr. Und ironischerweise ist genau dieses Szenario, das unsere westlichen Freunde so verzweifelt zu verhindern versuchen, das realistischere – und bei weiten kathartischere – als der mögliche Wechsel der Machtspitze in die Opposition.

25. Mai 2012 // Witalij Portnikow

Quelle: Lewyj Bereg

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Jahrgang 1978. Yvonne Ott hat Slavistik und Wirtschaftswissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg studiert. Seit 2010 arbeitet sie als freie .

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