Die Wahl von Viktor Janukovyč zum Präsidenten der Ukraine – Teil IV und Schluss
Teil IV und Schluss: Rückkehr zu bi-vektoraler Außenpolitik?
von Winfried Schneider-Deters
1. Die NATO – ein Unthema
2. „Euro-Isolation
3. Wiederannäherung an den „strategischen Partner“ Russland
Bisher erschienen:
Die Wahl von Viktor Janukovyč zum Präsidenten der Ukraine – Teil II: Machtwechsel in der Ukraine
Die Außenpolitik ist die Domäne des Präsidenten; er vertritt die Ukraine in internationalen Angelegenheiten, führt internationale Verhandlungen und schließt internationale Verträge; doch die Prinzipien der auswärtigen Politik bestimmt nach der ukrainischen Verfassung das Parlament. Der Präsident ernennt den Minister für auswärtige Angelegenheiten; seine Ernennung bedarf aber der Bestätigung durch das Parlament, das diesen auch seines Amtes entheben kann.
Präsident Janukovyč ist „Innenpolitiker“; die für Außenpolitik zuständige Journalistin der Wochenzeitung „Zerkalo Nedeli“, Tetjana Sylina, spricht ihm „eigene Ideen“ ab; er habe keine Vorstellungen von den globalen politischen Prozessen. Auf seinen Besuch in Brüssel, der ersten Auslandsreise, die Präsident Janukovyč unternahm, hat ihn der letzte noch von Präsident Juščenko eingesetzte Außenminister Petro Porošenko vorbereitet; er begleitete den Präsidenten auf seiner ersten offiziellen Auslandsreise am 1. März – nach Brüssel, wo er den unter „Russophilie“Verdacht stehenden Janukovyč als „Europragmatiker“ einführte. Auf seinen Besuch in Moskau bereitete ihn der bisherige Botschafter der Ukraine in Russland, Kostjantyn Hryščenko, vor, den er nach seinem Amtsantritt zum Außenminister ernannte. Bis dahin hatte sich niemand aus seiner Partei der Regionen für das Amt des Außenministers oder für die Leitung der außenpolitischen Abteilung des Präsidialsekretariats profiliert. Für seine Interviews mit amerikanischen und russischen Medien wurde Janukovyč von seinen Beratern professionell auf die betreffende Leser bzw. Hörerschaft vorbereitet. In seinem Interview mit E. Revenko vom staatlichen TV-Kanal „Rossija 24“ kam er russischen Erwartungen entgegen, während er in seinem Interview mit CNN1 westliche Befürchtungen zu zerstreuen suchte.
1. Die NATO: ein Unthema
Bei seinem Besuch in Brüssel erregte Verwunderung, dass sich der neue ukrainische Präsident nicht auch mit dem Generalsekretär der NATO, Anders Fogh Rasmussen, traf. Gegenüber Journalisten begründete Janukovyč dies damit, dass die weitere Zusammenarbeit der Ukraine mit der NATO gesonderter Gespräche bedürfe.
Die NATO war auch im Jahre 2009 kein Thema im Wahlkampf; sie tauchte nur in Interviews mit ausländischen Journalisten auf. In keinem Wahl-Programm wurde die NATO auch nur erwähnt.2 Janukovyč machte in der Vergangenheit (als Premierminister und als Vorsitzender der Oppositions-Partei der Regionen) einen eventuellen Beitritt der Ukraine zur NATO von einem Referendum abhängig; er konnte sich eines negativen Votums der Bevölkerung sicher sein. Für den militär-diplomatischen Kontakt zum Westen genügt dem Präsidenten Janukovyč die „Partnerschaft für den Frieden“ und die „Charta über eine besondere Partnerschaft NATO-UA“ vom 09.07.1997. In einem Interview, das Janukovyč am 12. Januar 2010 der New York Times gab,3 sagte er: „Die Ukraine hat immer mit der NATO zusammengearbeitet; die Ukraine hat immer die (vereinbarten) Programme realisiert. Wir meinen, dass dieses Niveau der Zusammenarbeit zur Zeit ausreicht…“. Das ukrainische Volk unterstütze gegenwärtig nicht einen NATO-Beitritt der Ukraine.4
Andererseits wird Präsident Janukovyč dem Druck des Kreml widerstehen, der auf einen Beitritt der Ukraine zur Organisation des Vertrages über Kollektive Sicherheit drängt. Auf dem Nominierungskongress seiner Partei verkündete Janukovyč zum ersten Mal seine neue Vorstellung von der Ukraine als einem „blockfreien“.5 “Angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Realitäten, ist […] der blockfreie Status6 der Ukraine das Schlüssel-Element ihrer nationalen Sicherheit …“. Wiederholt sprach sich Janukovyč für die „Initiative Russlands und Frankreichs“ aus, und befürwortete eine Beteiligung der Ukraine an der „Schaffung eines neuen Systems kollektiver europäischer Sicherheit“.7
„Euro-Isolation“8 ?
Der Abschluss des Assoziierungsabkommens sei die vordringlichste Aufgabe “auf der Tagesordnung der EU-ukrainischen Beziehungen“, hatte der scheidende Präsident Juščenko auf seiner offiziellen Website verlauten lassen;9 zur großen Überraschung sieht der neue Präsident das auch so: „Die Schlüsselaufgabe (in der Zusammenarbeit mit der EU) ist die Fortsetzung der Verhandlungen über den Abschluss des Assoziierungsabkommens…“, sagte Janukovyč in Brüssel.10 Mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, erörterte er die Möglichkeit, diese bis zum Jahresende unter Dach und Fach zu bringen. Alles nur „Täuschung“ – kommentierte Julija Tymošenko. Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel traf sich Präsident Janukovyč auch mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek.
Die Europäische Union enthielt sich – anders als im Jahre 2004 – jeglicher Parteinahme während des Wahlkampfes: „Berlin, Paris und London unterstützen keinen der Kandidaten“, sagte der französische Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, Pierre Lellouche; doch ermahnten europäische Politiker die Ukraine, friedliche Beziehungen zu Russland zu unterhalten. Nach der Stichwahl aber gratulierten die Präsidenten der Institutionen der Europäischen Union – Rat, Parlament und Kommission – und die europäischen Staats- und Regierungschefs dem Präsidentschaftskandidaten Janukovyč noch vor der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses durch die Zentrale Wahlkommission, die der russische Präsident Medvedev wenigstens abwartete.
Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Verchovna Rada und „Schatten-Außenminister“ der Partei der Regionen, Leonid Kožara, der selbst nicht als Außenminister im Gespräch war, präsentierte im Dezember 2009 auf einer Pressekonferenz – mündlich – eine „außenpolitische Plattform“ des Präsidentschaftskandidaten Janukovyč. Darin war laut Tetjana Sylina von dem strategischen Ziel der Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union die Rede, und von der Einführung europäischer Standards in allen Bereichen des ukrainischen Staates und der ukrainischen Gesellschaft.11 Das Team des Präsidenten (in spe) Janukovyč werde an dem Abkommen über die Assoziierung der Ukraine mit der mit der Europäischen Union weiter arbeiten – mit dem Inhalt vor Augen, nicht dem Datum der Unterzeichnung. Diese Ankündigung fand in der Folge keine weitere Beachtung; sie wurde für Kožaras persönliche Meinung gehalten. Mit seinen eigenen Aussagen gab sich der Präsidentschaftskandidat Janukovyč eher als Euroskeptiker zu erkennen.
Im Wahlkampf um das Amt des Präsidenten befand sich Janukovyč mit seiner Euro-Skepsis im Einklang mit einem neuen Trend – und dies zu einer Zeit, als das Etappen-Ziel der „Assoziierung“ der Ukraine mit der Europäischen Union bereits in Sicht war.12 Die Kritik an pro-europäischen Positionen gehöre heute zum guten Ton, schrieb der Politologe Kostjantyn Bondarenko.13 Die ukrainische Euro-Skepsis resultiere aus der Not der “Nicht-dazu-gehörigen”, d. h., der von der EU ausgegrenzten Nachbarn. Das geflügelte Wort „in Europa wartet niemand auf uns“14, mit dem Präsident Kučma im Jahre 2004 seine Abkehr von Brüssel und seine Reorientierung nach Moskau begründete, finde wieder Anklang in der Ukraine – sogar bei Politikern, die gestern noch zu den „Euro-Integrationisten“ gehörten. Präsident Juščenko und Premierministerin Tymošenko waren die einzigen, die gegen diesen Trend die Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union zu ihren Ziele erklärten.15
Die Euro-Skeptiker blieben nicht bei der Forderung nach einer Revision des bisherigen außenpolitischen Kurses der Integration in „euroatlantische“ Strukturen stehen; sie propagierten ein alternatives, „osteuropäisches“ Integrationsprojekt „vom Pamir bis zu den Karpaten“ mit „Kiew als Hauptstadt“ – angesichts der Unfähigkeit der politischen Klasse der Ukraine, Ordnung im eigenen Lande zu schaffen, ein Irrwitz. Und es waren nicht nur Außenseiter, die eine Neuorientierung der Ukraine ins Spiel brachten. Spektakulär war der Kurswechsel des – jungen – Präsidentschaftskandidaten Arsenij Jacenjuk, dem zeitweilig zugetraut wurde, in die Stichwahl mit Janukowitsch zu kommen. Der Günstling Präsident Juščenkos galt als „pro-westlicher“ Politiker;16 im Wahlkampf aber sprach er von einem Kiew-zentrierten Integrationsprojekt, einer Union der Ukraine mit Russland, Weißrussland und Kasachstan – inklusive Serbien.17 Die megalomanen Phantasien ukrainischer Politiker decken sich räumlich mit den realen „eurasischen“ Integrationsprojekten Moskaus. Der ukrainische Anspruch auf das Zentrum einer „neuen Rus’“ aber würde durch die Macht des Faktischen relativiert: Mehr als die Rolle einer Ehrenhauptstadt käme Kiew bei deren Realisierung nicht zu.
Auch der Parlamentspräsident und Präsidentschaftskandidat Lytvyn schwadronierte auf dem VII. Kongress seiner „Volkspartei“ (Narodna Partija) von einem „eigenen Weg“ der Ukraine – und davon, die „Krücken“ – EU und NATO – wegzuwerfen. Lytvyn sieht die Ukraine als “regionalen Leader”.18 Umringt von der Europäischen Union und Russland ist allerdings – außer vielleicht dem „überseeischen“ Georgien – kein Land in Sicht, das ukrainischer „Führung“ folgen wollte.19 Der politische Hoffnungsträger des neuen Mittelstandes, Serhij Tihipko, thematisierte als erster die mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union verbundene Übertragung von Souveränität an Brüssel und forderte dazu auf, darüber nachzudenken – was bisher in der Ukraine in keinster Weise getan wurde. Er riet, die Ukraine solle von ihrer Lage zwischen den zwei integrierten Wirtschaftsräumen, der EU und der neuen eurasischen Zollunion20 profitieren. Laut seinem Presse-Dienst befürwortet Tihipko eine „multilaterale Außenpolitik“ und sowohl einen Neuanfang in den Beziehungen zu Moskau, als auch ein Assoziierungsabkommen und eine Freihandelszone mit der EU. Die “Rolle eines Bindeglieds zwischen dem alten Europa und unseren östlichen Nachbarn“ sei eine „sehr starke und profitable Position“.21
Nach dem ersten Wahlgang am 17. Januar 2010 nahm sich Janukovyč auch des ihm fremden, „pro-europäischen“ Elektorats von Julija Tymošenko an22: „…ich werde die Ukraine nach Europa führen,“ behauptete er. „Aber wir kommen nach Europa als ein starkes und unabhängiges Land, in welchem europäische Lebensverhältnisse herrschen.“ [23] Die vorausgesetzte Erreichung eines europäischen Lebensstandards impliziert allerdings eine sehr langfristige Perspektive. Präsident Kučma’s „Europa-Politik“ war Außenpolitik – losgelöst von seiner Innenpolitik. Präsident Janukovyč hat begriffen, dass europäische Integrationspolitik in erster Linie Innenpolitik ist; in dem Interview mit der New York Times verwies er auf die unabdingbaren Reformen: In den vergangenen fünf Jahren sei nichts getan worden, um die Ukraine der EU anzunähern; es werde seine Aufgabe sein, als neuer Präsident diese Reformen durchzuführen und die Verpflichtungen, welche die Ukraine gegenüber der EU eingegangen sei, zu erfüllen.24
In einem Artikel, der unter seinem Namen im Wall Street Journal erschien,25 heißt es:
„Wir sind eine Nation mit einer europäischen Identität; aber wir haben auch historische, kulturelle und wirtschaftliche Verbindungen mit Russland. […] Wir sollten nicht gezwungen werden, eine falsche Wahl zwischen den Vorteilen des Ostens und denen des Westens zu treffen. […] Als Präsident werde ich bestrebt sein, eine Brücke zwischen beiden zu bauen, nicht eine Einbahnstraße in die eine oder andere Richtung. […] Die Wiederherstellung der Beziehungen mit der Russischen Föderation ist kompatibel mit unseren europäischen Ambitionen. […] Und das ist meine Agenda […] eine wirtschaftlich und politisch freie und offene Ukraine vorzubereiten, die der Europäischen Union beitritt, wenn die Zeit gekommen ist.“
Bei aller Skepsis gegenüber solch trefflichen Formulierungen – Fakt ist, dass sich die Interessen-Lage der Montan-Magnaten des Donbass, die Janukovyč vertritt, geändert hat: Russland liefert Energie nicht mehr zu privilegierten Preisen, und auf dem heimischen Markt müssen sie sich russischer Konkurrenten erwehren. Sie drängen mit ihren Erzeugnissen auf globale Absatzmärkte und expandieren mit Investionsprojekten „nach Westen“, für deren Realisierung sie auf die internationalen Finanzmärkte angewiesen sind. Präsident Janukovyč wird den bisherigen „Kurs auf Europa“ – mit Abweichungen – beibehalten, ohne das Ziel der ukrainischen Mitgliedschaft in der Europäischen Union anzusteuern. Das Tempo seiner Politik der ziellosen „Annäherung“ an Europa, d. h., die diplomatischen Bemühungen um freien Zugang zu den Märkten der EU, wird von den protektionistischen Interessen des ukrainischen Big Business („krutoj biznes“) bestimmt werden. Die Übernahme der Normen der Europäischen Union liegt nicht in dessen Interesse.
Die bisherigen Aussagen des neuen Präsidenten Janukovyč zur zukünftigen auswärtigen Politik der Ukraine waren unstimmig – ja widersprüchlich: In seinen Texten waren verschiedene Handschriften erkennbar; und Janukovyč drückt diesen Vorlagen nicht einen eigenen Stempel auf. Seine Berater haben dieses Manko erkannt: In seiner Antrittsrede26 vor der Verchovna Rada am 25. Februar versicherte der neue Präsident Janukovyč „eine klare Vorstellung“ davon zu haben, „welche außenpolitische Strategie heute den nationalen Interessen der Ukraine entspricht.“ Jetzt sieht Janukovyč die Ukraine „als einen blockfreien Staat“ im „politisch-militärischen“ Sinne, also weder der NATO noch der OVKS angehörig. „Als Brücke zwischen Ost und West, als integraler Teil Europas und der ehemaligen UdSSR entscheidet sich die Ukraine für eine Außenpolitik, die unserem Staat erlaubt, ein maximales Ergebnis aus der Entwicklung gleichberechtigter und gegenseitig vorteilhafter Beziehungen mit der Russländischen Föderation, der Europäischen Union, den USA und mit anderen Staaten, welche die Lage in der Welt beeinflussen.“ Er wolle diese Konzeption dem Parlament „zur Erarbeitung der Grundlagen der auswärtigen Politik der Ukraine vorlegen; er hoffe, dass „das höchste gesetzgebende Organ“ ihn unterstütze.
Es schien, als ob die Europa-Müdigkeit der ukrainischen „Jevrointegratoren“ – wie auch die Ukraine-Müdigkeit der „Freunde der Ukraine“ in den Hauptstädten der EU und in Brüssel – die Mitgliedschaft der Ukraine in der EU unter Präsident Janukovyč zu einem „Unthema“ werden lassen würde, wie es die NATO bereits geworden ist. Doch ein rascher Entschluss des Europäischen Parlaments, der fast schon ein „Coup“ zu nennen ist, ließ dieses Thema wieder aufleben: Die Anerkennung der Präsidentschaftswahlen des Jahres 2010 als frei und wahr durch die Wahlbeoachter der Parlamentarischen Versammlungen der OSZE, des Europa-Rates, der NATO und des Europäischen Parlaments wurde in Brüssel prompt prämiert: In seiner „Entschließung zur Lage in der Ukraine“27 vom 25. Februar 2010 gesteht das Europäische Parlament der Ukraine expressis verbis das Recht zu, einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union stellen zu können, ein Recht, das zu bestätigen der Europäische Rat und die Europäische Kommission bisher immer vermieden haben. Unter Punkt „B“ heißt es, dass die Ukraine: “in der Erwägung, dass die Ukraine ein europäischer Staat ist und gemäß Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union so wie jeder europäische Staat, der sich auf die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit stützt, einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellen kann,“ – ein Recht, das in Berlin sogar in Abrede gestellt wurde. Was die Europäische Union dem bekennenden „Euro-Integrator“ Juščenko fünf Jahre lang verweigerte, schenkte sie dem erklärten „Euro-Skeptiker“ Janukovyč – am Tage seiner Inauguration als Präsident der Ukraine.28
Ebenso kurz entschlossen unternahm Präsident Janukovyč seine erste Auslandsreise – nicht wie für den 5. März geplant – nach Moskau, sondern am 1. März nach Brüssel. Anders als sein Vorgänger Juščenko nervte Janukovyč die Europäische Kommission nicht mit der Forderung nach einer Integrationsperspektive für die Ukraine. Die pragmatische „Europapolitik“ des neuen Präsidenten der Ukraine kommt der praktizierten Ukraine-Politik der EU entgegen: Die Brüsseler Position, nämlich „dass wir konkrete Schritte identifizieren, gemeinsam über sie befinden und sie gemeinsam umsetzen“, entspricht voll und ganz unserer Auffassung, betonte Janukovyč: „Darin unterscheidet sich Europragmatismus von Euroromantizismus“29 – seines Vorgängers Juščenko, versteht sich. Der Wahlsieg von Janukovyč wird deshalb in Brüssel und Berlin mit „klammheimlicher“ Freude aufgenommen worden sein.30 In der Tat kam Präsident Janukovyč in Brüssel gut an; davon zeigt die Bereitschaft der Europäischen Kommission, einen Fahrplan („road map“) für den für die visafreie Einreise ukrainischer Bürger in die Europäische Union zu erstellen. Kommissionspräsident Barroso sagte in seiner Erklärung gegenüber der Presse: Die Aufhebung der Visa-Pflicht31 wäre ein klares Signal an die Ukraine als „Mitglied der europäischen Nationen-Familie“ – Barrosos Standardformel für europäische Staaten, denen die Europäische Union keine Integrationsperspektive bieten will: “Die Europäische Union schätzt die Ukraine als einen sehr engen europäischen Partner…“32. Er habe mit dem ukrainischen Präsidenten die Reform-Agenda der Ukraine erörtert; sobald sich die Ukraine mit dem IWF geeinigt habe, könne die EU eine halbe Milliarde Euro an finanzieller Unterstützung freigeben. In dieser Zusage, die für die neue Regierung der Ukraine lebenswichtig ist, mag das Motiv für den „vorgezogenen“ Besuch in Brüssel liegen; in Moskau hätte der drohende Staatsbankrott der Ukraine wohl eher dazu gedient, den neuen ukrainischen Präsidenten unter Druck zu setzen. Und für die ukrainischen Oligarchen ist Barrosos Hinweis darauf interessant, dass nämlich ein „Tiefes und Umfassendes Freihandelsabkommen“ (Deep and Comprehensive Free Trade Agreement / DCFTA) Teil des gegenwärtig verhandelten Assoziierungsabkommen sei, welches der Ukraine einen Markt von 500 Millionen Verbrauchern öffne – mit der Perspektive, innerhalb kurzer Zeit ihre Ausfuhr in die EU zu verdoppeln. Präsident Janukovyč versicherte in seiner Erklärung, dass „für die Ukraine ihre europäische Integration die vorrangige Priorität ihrer auswärtigen Politik und die Strategie für die Realisierung von Reformen“ sei. „Wir sind Realisten, wir verstehen, dass wir Reformen realisieren müssen, wir müssen (unsere) Gesetzgebung harmonisieren, (unsere) technischen Standards…“, sagte Präsident Janukovyč in einem Interview mit der Agentur Interfax-Ukraina.33 „Wir werden uns Schritt für Schritt integrieren.“
Wiederannäherung an den „strategischen Partner“ Russland
Beobachter des Kreml wollen Anzeichen dafür erkannt haben, dass Präsident Medvedev einen Präsidenten Janukovyč favorisierte, während Premierminister Putin einen modus vivendi auch mit einer Präsidentin Tymošenko gefunden hätte.34 Im August 2009 hatte Medvedev in einem offenen Brief [35] an Präsident Juščenko die ukrainische Führung einer „anti-russischen“ Innen- und Außen-Politik bezichtigt. Die Breitseite gegen die „nationalistischen“ Politiker der Ukraine war eine unverhohlene Werbung für den genehmeren Präsidentschaftskandidaten Janukovyč.36 Andererseits wurde in der Nachsicht des russischen Premierministers Putin in puncto einer fälligen Vertragsstrafe eine Wahlhilfe für seine Kollegin Tymošenko gesehen. Julija Tymošenko hatte in ihren Verhandlungen mit Putin erreicht, dass die Ukraine weniger als die in den – von ihr ausgehandelten – Verträgen festgelegten Mengen an Erdgas abnehmen muss.37 Doch in der Folge verhielten sich Medvedev und Putin ostentativ neutral.38 Nicht so Boris Gryzlov, der Präsident der Gosudarstvennaja Duma und des Obersten Rates der Partei „Jedinaja Rossija“ (Geeintes Russland):39„In der ersten Runde der ukrainischen Präsidentschaftswahlen erlitt die anti-russischen Politik Viktor Juščenkos eine Niederlage“, erklärte er befriedigt.40 Prasident Janukovyč hat nicht nur das Plazet Moskaus, sondern auch den Segen Gottes, den Kirill, der Patriarch Moskaus und der ganzen Rus’ am 25. Februar in einem Gottesdienst im Kiewer Höhlenkloster – vor seiner Inauguration in der Verchovna Rada – auf ihn herabrief.
Janukovyč erklärte die „Wiederherstellung normaler, nachbarlicher, gleichberechtigter und gegenseitig nützlicher Beziehungen mit unserem strategischen Partner Russland“ als seine erste Aufgabe nach seiner Wahl zum Präsidenten.41 Zur atmosphärischen Verbesserung gehört die angedeutete Bereitschaft, den Vertrag über die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol über das Jahr 2017 hinaus zu verlängern. Dazu bedarf es allerdings einer verfassungsändernden Mehrheit von mindestens 300 Stimmen im Parlament (zwei Drittel), die aus der gegenwärtigen Warte nicht in Sicht ist.
In der „Aufarbeitung“ der gemeinsamen Geschichte wird Janukovyč die den Kreml irritierende „nationalistische“ Interpretation des Präsidenten Juščenko verurteilen und wie Russland die sowjetische Geschichtsbild weiter pflegen;42 die Erinnerung an den „Holodomor“ hat Janukovyč bereits von der offiziellen Website des Präsidenten entfernen lassen. Der sowjetisch (re-)sozialisierte43 Präsident Janukovyč demonstrierte in Moskau Übereinstimmung mit der gegenwärtigen russischen Führung, die eine Revision der sowjetischen Historiographie nicht zulassen will. Um den geschichtlichen Schulterschluss wiederherzustellen, ist die Synchronisierung der Militärparaden anlässlich des 65. (Jahres-)“Tages des Sieges“ am 9. Mai 2010. geplant.
Nach dem ersten Wahlgang, in welchem er selbst schon aus dem Rennen ausgeschieden war und in der Westukraine nichts mehr zu gewinnen hatte, verlieh Präsident Juščenko posthum dem in der Ost- und Südukraine höchst umstrittenen UPA-Führer Stepan Bandera den Titel eines „Helden der Ukraine“; dem anderen UPA-Führer Šuškevič hatte er bereits im Oktober 2007 diesen Titel verliehen. Präsident Janukovyč versprach seine russischen Gastgebern, die Auszeichnung zurück zu nehmen – und zwar noch vor dem 9. Mai 2010. Durch diese Identifikation mit der sowjetischen historischen Orthodoxie, die im post-sowjetischen Russland des Duumvirats Medvedev und Putin wieder dominiert, bringt Präsident Janukovyč die Bevölkerung der Westukraine gegen sich auf, wo Stepan Bandera als Kämpfer für die Unabhänggkeit der Ukraine verehrt wird. So wenig wie sein Vorgänger Juščenko ist Präsident Janukovyč fähig, die ambivalenten Figuren der ukrainischen Geschichte in ein in Ost und West akzeptables Bild zu intergrieren.
Doch Janukovyč, der im Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2004 als „Kandidat des Kreml“ galt, wird sich als Präsident der Ukraine sicher nicht zum Vasallen des Kreml machen lassen. In einem Interview mit CNN nach der Stichwahl betonte Janukovyč, dass er nicht „am Zügel Russlands“ gehen werden, und dass er keine Marionette Russlands sei. Er werde sich in seiner Politik nur von den „nationalen Interessen“ der Ukraine leiten lassen.44 Und auch die ukrainischen Oligarchen, die in seine Präsidentschaftskandidatur investiert haben, werden sich nicht von Moskau an die Kandare nehmen lassen.45 Eine wirtschaftliche „Re-Union“ der Ukraine mit der Russischen Föderation lehnt Präsident Janukovyč ab. Mit der am 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Zollunion Russland, Weißrussland und Kasachstan sollte die Ukraine auf der Basis „3 plus 1“ selektiv kooperieren, sagte Janukovyč.
Irina Akimova, die Erste Stellvertretende Leiterin der Administration des Präsidenten Janukovyč, sagte einen Tag nach ihrer Berufung in dieses Amt unmissverständlich, dass die Ukraine dieser Zollunion Russland, nicht beitreten werde; diese Zollunion widerspreche der Mitgliedschaft der Ukraine in der Welthandelsorganisation. „…neue Schritte in der internationalen Zusammenarbeit können nur unter der Bedingung unternommen werden, dass bereits geschlossenene Verträge nicht verletzt werden“.46 Bereits im Jahre 2006 hatte es der damalige Premierminister Janukovyč abgelehnt, den Beitrittsprozess der Ukraine zur WHO mit Russland zu „koordinieren“. Julija Tymošenko behauptete, Janukovyč habe bereits mit Moskau vereinbart, dass die Ukraine der Zollunion, die sie mit dem – virtuellen – „Einheitlichen Wirtschaftsraum / EWR“ (Edinoe Ėkonomičeskoe Prostranstvo / EĖP) gleich setzte, beitrete. Ihm sei dafür eine Senkung des Gaspreise um 20 bis 30 Prozent angeboten worden.47 Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass Präsident Janukovyč die Ukraine in den EWR einbringt. Als Premierminister hat er bereits im Jahre 2004 die volle Mitgliedschaft der Ukraine in Putins und Präsident Kučmas („Exil“)Projekt verzögert. Für die Industrie und Finanzmagnaten ist der freie Handel mit der Europäischen Union wichtiger als der Handel mit Russland hinter einem gemeinsamen Zolltarif. Bis zum Besuch des Präsidenten Janukovyč in Brüssel war nicht auszuschließen, dass eine wie auch immer geartete „Kooperation“ der Ukraine mit der „eurasischen Zollunion“ den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union (und damit des Abkommens über eine EU-Assoziierung) zumindest verzögern würde.
Am 5. März, vier Tage nach seinem Besuch in Brüssel, reiste Präsident Janukovyč auf Einladung seines russischen Kollegen Medvedev zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Moskau. Es sei erwogen worden, diesen Besuch zu einem Arbeitsbesuch herabzustufen, weil er „nach Brüssel“ erfolgte, was vom russischen Außenministerium dementiert wurde.48 Der Besuch des neuen ukrainischen Präsidenten Janukovyč in Moskau am 5. März49 brachte den vorhergesagten Wärmeeinbruch im politischen Klima im meteorologisch spätwinterlichen osteuropäischen Tiefland; konkrete Resultate zeitigte er nicht. Die „ernste Revision“ der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine soll nach der Bildung der neuen Regierung erfolgen, welche die abgezehrte „ukrainisch-russische zwischenstaatliche Kommission“ für diesen Zweck wiederbeleben wird.50 Präsident Janukovyč erwartet qualitative Veränderungen in den Beziehungen der Ukraine zu Russland.51 Als Präsident sehe er ein Ziel darin, die Russländische Föderation in der sozialen und ökonomischen Entwicklung einzuholen, den Lebensstandrad auf russisches Niveau anzuheben… Die Möglichkeiten Russlands und der Ukraine erlaubten beiden Staaten, durch Synergieeffekte ihre Wirtschaft auf ein neues qualitatives Niveau zu heben. „Wer schrieb die Thesen für die Gespräche […] mit der Führung der Russländischen Föderation?“ frug Tatjana Sylina in der Wochenzeitung Zerkalo Nedeli.52
Dem ersten Auslandsbesuch des Präsidenten Janukovyč wurde von politischen Beobachtern eine richtungweisende Bedeutung beigemessen. Präsident Janukovyč erklärte, warum er zuerst nach Brüssel gereist sei – und fügte – sinnigerweise – hinzu: „Alle Wege führen nach Moskau.“53 Der russische Präsident Medvedev wird den Besuch des ukrainischen Präsidenten am 17. / 18. Mai 2010 erwidern.54 Doch „die (Außen-) Politik der Ukraine wird ausgeglichen sein; […] an erster Stelle wird das nationale Interesse stehen“, erklärte Janukovyč selbst – vor seiner Wahl zum Präsidenten der Ukraine.55 Janukovyč wird sich für die Ukraine mit dem Status eines „Nachbarn der EU“ begnügen und gleichzeitig die Beziehungen zu dem strategischen Partner Russland „normalisieren“ – ohne den von Moskau erhobenen Anspuch auf „privilegierte Interessen“ in der Ukraine zu akzeptieren. Das heißt, Präsident Janukovyč wird die „bi-vektorale“ Politik des ehemaligen Präsidenten Kučma wieder aufleben lassen: Um die Achse „nationales Interesse“ – wie auch immer definiert – wird die Schaukel mal zur einen, mal zur anderen Seite schwingen.
1 Metthew Chance Kiev, Ukraine, CNN exclusive: Ukraine’s Yanukovich: I’m no Kremlin stooge. http://www.cnn.com/2010/WORLD/europe/02/09/yanukovich.ukraine/index.html.
2 Taras Kuzio, EDM, Vol 6, Issue 211, 16.11.09, “Ukrainian Presidential Candidate Yulia Tymoshenko’s Foreign Policy: „Traditionally, NATO is not mentioned in any election program by even the staunchest pro-NATO political forces, such as Our Ukraine and Yushchenko in 2004.” Nicht einmal der ehemalige Minister für Verteidigung und Präsidentschaftskandidat Anatolij Hrycenko erwähnt in seinem Programm die NATO.
3 Clifford J. Levy: Toppled in Ukraine but Nearing a Comeback, Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten Janukovyč, in: The New York Times, Europe, Dniprodzeržyns’k, 14.01.2010; http://www.nytime.com/2010/01/15/world/europe/15ukraine.html. Interfax-Ukraine (en), 12.01.2010. Ukrainskaja Pravda (ru), 12.01.2010 mit Verweis auf OBKOM (Obščestvennaja Kommunikacija; http://obkom.net.ua/news/2010-01-2010/1513.shtml).
4 Der Erste Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für nationale Sicherheit und Verteidigung, Serhiy Hrynevecky (Fraktion des „Block Lytvyn“), erklärte, dass laut seinem Gesetzentwurf aus allen außenpolitischen Dokumenten die Formel „euro-atlantische Integration“ gestrichen werden soll. Verchovna Rada Press Service; Interfax-Ukraine, Kiew, 27.11.2009.
5 Interfax-Ukraine, Kiew, 23.10.2009.
6 Auch der Parlamentspräsident Lytvyn kündigte für die Zeit nach der Wahl eine Debatte über ein Gesetz an, in welchem der „blockfreie Status“ der Ukraine verankert werden soll
7 Clifford J. Levy, Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten Janukovyč, in: The New York Times, Europe, Dniprodzeržyns’k, 14.01.2010; http://www.nytime.com/2010/01/15/world/europe/15ukraine.html.
8 „Euro-Integration oder Euro-Isolation“ („Euro-Integraciaja ili Euro-izolacija“); mit dieser Alternative (eingeblendet auf der Website der Ukrainskaja Pravda) insinuierte Julija Tymošenko, dass nach der Wahl von Janukovyč zum Präsidenten die Ukraine auf Distanz zur EU gehen werde.
9 Press Office of President Jushchenko, official website; http://www.president.gov.ua/en/news/15896.html.
10 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 01.03.2010.
11 Tetjana Sylina (Tat’jana Silina, russ): Mnogotočečnost’ vmesto mnogovektornosti ?, in: Zerkalo Nedeli (russ. Version), Nr. 5 (785), 13.02.2010, S. 3.
12 Präsident Juščenko hoffte vergeblich, seine Amtszeit mit der Unterzeichnung dieses Abkommens auf dem EU-Ukraine Gipfeltreffen am 4. Dezember 2009 krönen zu können.
13 Kostjantyn Bondarenko, in der Zeitschrift: „Levyj Bereg“ (russ. Version), Nr. 72, 23 – 29. 10 2009, S. 3. Bondarenko ist Direktor des Kiewer Horšenin-Instituts für Management (Kievskij institut problem upravlenija imeni Goršenina) und Redakteur der Zeitschrift „Levyj Bereg“ („gesellschftlich-politische Wochenzeitung“, ein Projekt des Goršenin Instituts); www.lb.ua.
14 „V Evrope nas ne ždut“.
15 Tymošenko nannte den Abschluss eines Assoziierungsabkommens und die Bildung einer Freihandelszone mit der Europäischen Union die prioritären Ziele der ukrainischen Außenpolitik. Interfax-Ukraine, Davos, 29.01.2010.
16 Jacenjuk zog seine Unterschrift unter den „Brief der Drei“ zurück, in welchem er als Präsident des Parlaments, Präsident Juščenko und Premierministerin Tymošenko vor dem Gipfeltreffgen der NATO in Bukarest den NATO-Generalsekretär ersuchten, sich für die Gewährung eines Membership Action Plans (MAP) für die Ukraine einzusetzen.
17 In einer Wahlkampfrede, die er Anfang Oktober 2009 in Černivci hielt, sagte Jacenjuk: „Die Ukraine kann und soll die Initiatorin einer neuen Vereinigung – der Osteuropäischen Vereinigung – werden, die ich vor Augen habe, und die von Užgorod (an der ukrainisch-slowakischen Grenze) bis Wladiwostok reichen wird. Und Kiew wird das Zentrum sein.“ Zitiert nach Kostjantyn Bondarenko, in: Levyj Bereg, Nr. 72, 23.-29. Okt 2009, S. 3.
18 Die Vorstellung von der Ukraine als eines regionalen „leaders“ hat auch im ukrainischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten seine Anhänger; der Stellvertretende Außenminister Kostjantyn Jelyseev bekannte sich dazu auf einer Veranstaltung der Heinrich Boell Stiftung: Ukrainian Civil Society: Experiences of the Orange Revolution and a look at the EUropean Future; Kiew, 01.12.2009.
19 Vasilij Filipčuk: Wie sollte man sich da nicht verirren zwischen panukrainischem Imperialismus und Eurokritizismus, in: Zerkalo Nedeli (russ. Version), Nr. 46 (774), 28.11. – 04.12.2009, S. 1 und 6. Filipčuk ist Leiter des Pressedienstes des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten der Ukraine.
20 Die Präsidenten Russlands , Weißrusslands und Kasachstans unterzeichneten am 27.11.2009 in Minsk das Gründungsprotokoll einer Zollunion, die am 01.01.2010 in Kraft trat. Ein einheitlicher Zolltarif wird ab dem 01.07.2010 angewendet werden.
21 Interfax-Ukraine, Kiew, 23.11.2009.
22 Im Gegensatz zu Julija Tymošenko unterhält Janukovyč keine Kontakte zu europäischen Politikern.
23 Gespräch mit Journalisten im Kiewer Höhlenkloster am orthodoxen Epiphanie-Feiertag. Ukrainskaja Pravda (russ. Version), Janukovyč nimmt sich des pro-europäischen Elektorats an, 19.01.2010. Interfax-Ukraine, Kiew, 19.01.2010.
24 Der Autor der Antrittsrede des Präsidenten Janukovyč am 25. Februar 2010 erlaubte sich ein albernes Spiel mit der Abkürzung für die Europäische Union in ukrainischer Sprache: „JeS“ für Jevropejs’kij Sojuz („Je“ für ukr. „Є“ laut DIN 1460): „Die Menschheit, die Ukraine eingeschlossen, braucht die JeS […] damit meine ich die Jedynyj Svit…“; d. h., die „Vereinigte Welt“, etwa in dem Sinne: „EU…damit meine ich das Einige Universum.“ Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 25.02.2010: Inauguracionnaja reč’ Janukovyča.
25 Opinion Europe: By Victor Yanukovych, The Wall Street Journal, NY, NY, Wed, Feb 17, 2010: Ukraine will be a Bridge between East and West, zitiert nach Action Ukraine Report (AUR), Number 951,
Washington, D.C., 20.02.2010.
26 Antrittsrede vom 25.02.2010. Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 25.02.2010: Inauguracionnaja reč’ Janukovyča. http://www.pravda.com.ua/rus/articles/2010/02/25/4809133.
27 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. Februar 2010 zur Lage in der Ukraine, P7_TA-PROV0035. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2010-0035+0+DOC+XML+VO//DE.
28 In derselben Resolution bedauert das Europäische Parlament die posthume Verleihung des Titels „Held der Ukraine“ an Stepan Bandera durch den scheidenden Präsidenten Juščenko, den Führer der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN), der zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion im Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine mit dem nationalsozialistischen Deutschland kollaborierte, und von 1941 bis Jahresende 1944 im Konzentrationslager Sachsenhausen gefangen gehalten wurde, in welchem zwei seiner Brüder umkamen. Dieser Punkt 13 der Resolution wurde von polnischer Seite initiiert – und von den in dieser Sache ignoranten Mitgliedern des Europäischen Parlaments ohne Diskussion pauschal angenommen. Fakt ist, dass polnische Zivilisten unter der „Ukrainischen Aufständischen Armee“ (UPA), dem „bewaffneten Arm“ der OUN litten; aber Fakt ist auch, dass ukrainische Zivilisten unter der polnischen Untergrund-Armee „Armia Krajowa“ zu leiden hatten.
29 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 01.03.2010.
30 João Soares, der President der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, sagte in einem Gespräch mit dem ukrainischen Außenminister Petro Porošenko: „We, as members of the EU, want to see Ukraine in this union, because it’s not only Ukraine that needs the EU, but the European Union that needs Ukraine.“ Interfax-Ukraine, Kiew, 18.01.2010. Diese Meinung wird sicher nicht von der Mehrheit der europäischen Staats- und Regierungschefs geteilt.
31 Sie setzt die definitive Delimitierung der russisch-ukrainischen Grenze voraus, die noch in bestimmten strittigen Abschnitten nocht nicht erfolgt ist.
32 José Manuel Durão Barroso, President of the European Commission, Statement following the meeting with the President of Ukraine Viktor Joint Press Point, Brussels, 1 March 2010; Reference: SPEECH/10/50. Kommissionspräsident Barroso sagte in seiner Erklärung nach dem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Janukovyč am 1. März, er sei erfreut darüber, dass dieser seine erste Auslandsreise nach Brüssel unternommen habe.“Hier sind Sie unter Freunden, Herr Präsident, die sich verpflichtet haben, Stabilität und Prosperität in Ihrem Lande zu unterstützen.“
33 Interfax-Ukraina, 04.03.2010, wiedergegeben in Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 04.03.2010.
34 Pavel Korduban: “Yanukovych and Tymoshenko courting Moscow ahead of election”, in: EDM, Vol 6, Issue 164, 09.09.2009.
35 Der Brief wurde am 11.08.2009 auf der offiziellen Website des russischen Präsidenten Veröffentlicht http://www.kremlin.ru/news/5158 und im Video Blog des russischen Präsidenten vom 11.08.2009 kommentiert http://blog.kremlin.ru/post/30/transcript.
36 Auf der Tagung des Valdai Clubs in Moskau wies Medvedev diese Deutung allerdings zurück: Mit seinem Brief an Präsident Juščenko habe er nicht „die politische Landschaft in der Ukraine beeinflussen wollen“. Interfax, Moskau, 15.09.2009. Unmittelbar nach dem Sieg von Janukovyč im ersten Wahlgang wies Medvedev vor laufenden Kameras den bereits im August 2009 ernannten Botschafter Michail Zurabov an, seinen Posten in Kiew anzutreten.
37 Statt der stipulierten 41 Milliarden Kubikmeter importierte die Ukraine im Krisenjahr 2009 nur 27 Milliarden Kubikmeter.
38 Nachdem Janukovyč aus dem ersten Wahlgang als Sieger hervorgegangen war, bevorzugten die russischen Medien den „pro-russischen“ Kandidaten in ihrer Berichterstattung über die Wahlen in der Ukraine. Taras Kuzio: Russia Backs Yanukovych in Ukraine’s 2010 Elections, in: Eurasia Daily Monitor, Vol. 7, Issue 20, 29.01.2010. Nach der Abwahl von Präsident Juščenko begannen sie, sich auf das Feindbild Julija Tymošenko einzuschießen (“Marionette des Westens”).
39 Die Partei der Regionen der Ukraine hat ein Abkommen über Zusammenarbeit mit der russischen Regierungspartei “Jedinaja Roccija”.
40 Interfax, Moskau, 18.01.2010.
41 Clifford J. Levy, Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten Janukovyč, in: The New York Times, Europe, Dniprodzeržyns’k, 14.01.2010; http://www.nytime.com/2010/01/15/world/europe/15ukraine.html.
42 Als eine seiner letzten Amtshandlungen verlieh Präsident Juschtschenko am 22.01.2010 Stepan Bandera posthum den Titel „Held der Ukraine“. Stepan Andriyovych Bandera (geboren am 01.01.1909 – ermordet vom KGB in München am 15.10.1959) – war der Führer der Oraganisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die am 30.06.1041 in Lviv (Lemberg) die Unabhängigkeit eines ukrainischen Staates erklärte. Bandera ist eine umstrittene Figur: in der Westukraine wird er als Unabhängigkeitskämpfer verehrt; in der Ostukraine, wo die sowjetische Indoktrination kaum erschüttert nachwirkt, gilt er als Kollaborateur mit dem nationalsozialisten Deutschland und „Terrorist“.
43 In seiner „bewegten“ Jugend wurde er zweimal straffällig.
44 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 10.02.2010.
45 Demokratie ist für ihre Geschäfte ein günstiges Umfeld. „Demokratie“, sagte der reichste aller reichen Oligarchen, Rinat Achmetov, „ist der konstituierende Wert unseres Staates.“ Zitiert nach Julija Mostovaja: Vor dem Sprung, in: Zerkalo nedeli (russ. Version), Nr. 2 (782), 23.01.2010, S. 2.
46 Anna Akimova in der politischen Show „Velika Politika“ des TV-Kanals „INTER“, 26.02.2010. Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 26.02.2010: V administracii Janukovyča otkrestilis’ ot sojuza s Rossiej.
Die Ukraine unterstütze die Aufnahme der anderen GUS-Länder in die WTO, sagte Akimova.
47 Julija Tymošenko soll dies bei ihrem Besuch in der Fraktion NU-NS behauptet haben, um die „patriotischen“ Parlamenatrier von der „anti-ukrainischen“ Politik des gewählten Präsidenten Janukvič zu überzeugen. Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 16.02.2010, mit Verweis auf Interfax.
48 Interfax, Moskau, 03.03.2010. Ukrainskaja Pravda, 03.03.2010, mit Verweis auf die russische Zeitung „Vedomosti“. Janukovyč sei bedeutet worden, dass sein Besuch in Moskau verschoben werden würde, hätte er sich in Brüssel auch mit dem Generalsekretär der NATO, Anders Fogh Rasmussen, treffen wollen.
49 Nach Brüssel sei er für den 1. März eingeladen worden, nach Russland für den 5. März. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, wäre er zuerst nach Russland gefahren. Interfax-Ukraina, 04.03.2010, wieder gegeben in Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 04.03.2010.
50 Janukovyč, Interfax, Moskau, 05.03.2010.
51 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 05.03.2010.
52 Tat’jana Silina: Pokazatel’nye vystuplenija, in: Zerkalo Nedeli (russ. Version), Nr. 9 (789), S. 2. Wie allgemein bekannt, lese „Viktor Federovyč“ (Janukovyč) bei wichtigen Treffen von einem Blatt ab, was ihm seine „Umgebung“ aufgeschrieben habe.
53 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 05.03.2010: Nobyj perl Janukovyča: Vse puti vedut v Moskvu. Nicht auszuschließen ist auch eine gewisse Verstimmung des neuen ukrainischen Präsidente Janukovyč darüber, dass der russische Präsident Medvedev nicht selbst zu seiner Inauguration nach Kiew gekommen war, sondern „nur“ den Leiter seiner Administartion, Sergej Naryškin geschickt hat.
54 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), 17.03.2010, unter Hinweis auf den Pressedienst des Präsidenten der Ukraine.
55 Ukrainskaja Pravda (russ. Version), Janukovyč nahm sich des pro-europäischen Elektorats an. 19.01.2010.
Bisher erschienen:
Die Wahl von Viktor Janukovyč zum Präsidenten der Ukraine – Teil II: Machtwechsel in der Ukraine