Weißrussland ratifiziert ukrainisch-weißrussischen Grenzvertrag


Das offizielle Kiew und Minsk haben sich gestern auf die Lösung des Hauptproblemes der ukrainisch-weißrussischen Beziehungen geeinigt; der Präsident Weißrusslands, Alexander Lukaschenko, versprach seinem ukrainischen Kollegen Wiktor Juschtschenko, dass das weißrussische Parlament den bereits im Jahr 1997 unterzeichneten Vertrag zur Staatsgrenze ratifizieren wird. Wie dem “Kommersant-Ukraine“ bekannt wurde, stimmte die Ukraine im Gegenzug der Begleichung der Schulden der Staatsunternehmen zu, die sich gegenüber Minsk noch zu Zeiten der UdSSR angehäuft haben. Das Zahlungsschema sieht den Export ukrainischer Elektroenergie nach Weißrussland zu Vorzugstarifen vor. Für die Realisierung dessen müssen die energieerzeugenden Unternehmen mit Verlusten arbeiten, doch zukünftig könnte die Ukraine Hauptexporteur für Elektroenergie nach Weißrussland werden.

Der offizielle Besuch Alexander Lukaschenkos in der Ukraine begann am 4. November und zieht sich bis heute. Gestern fanden die Hauptveranstaltungen im Rahmen des Besuches statt: Lukaschenko traf sich mit Wiktor Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko.

Bleibt anzumerken, dass sich die bilateralen Beziehungen zwischen der Ukraine und Weißrussland in der letzten Zeit spürbar verbessert haben – seit Anfang des Jahres trafen sich die Präsidenten dreimal in Tschernigow, Mogiljow und Chisinau/Kischinjow. Dem ging eine mehr als zehnjährige Pause in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten voraus. Die Seiten versuchten erfolglos das Problem der Verbindlichkeiten der ukrainischen Staatsunternehmen gegenüber Weißrussland zu lösen, die sich bereits während der UdSSR Zeit angehäuft haben. Minsk erklärte, dass nach dem Zerfall der UdSSR diese Schulden sich in Staatsschulden der Ukraine umgewandelt haben, Kiew war seinerseits damit kategorisch nicht einverstanden. Im Gegenzug erklärte Lukaschenko in aller Schärfe, dass er den Vertrag über die Staatsgrenzen, der im Mai 1997 unterzeichnet wurde, dem Parlament solange nicht zur Ratifizierung vorlegen wird, wie die Frage der Schulden nicht gelöst wird.

Unklar war ebenfalls die Summe der vermutlichen Schulden. “Auf Regierungsebene erklangen bei den Verhandlungen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Zahlen. Zuerst wurden uns 228 Mio. $ vorgewiesen, danach waren es 135 Mio. $, 80 Mio. $ und 60 Mio. $”, erzählte dem “Kommersant-Ukraine“ ein Informant beim diplomatischen Korps, der seinerzeit an den Verhandlungen teilnahm. Den Worten des Gesprächspartners des “Kommersant-Ukraine“ nach, stimmte Kiew am Ende “50 mit ein paar Zerquetschten Millionen Dollar” unter der Bedingung zu, dass diese Summe nicht als Staatsschuld ausgewiesen wird, sondern als freiwillige Kompensation. Der gestrige Besuch von Lukaschenko war dafür geplant, um diese Vereinbarung zu legitimieren.

“Wir haben uns auf die Vorlage des Vertrages über die Staatsgrenzen bei der nationalen Versammlung Weißrusslands zur Ratifizierung geeinigt. Wir konnten jahrelang diese Frage nicht von der Stelle bewegen, doch heute haben wir uns darauf geeinigt”, verkündete Juschtschenko, zu den Journalisten nach dem Vieraugengespräch mit seinem weißrussischen Kollegen heraustretend.

Die Präsidenten entschieden sich die Vereinbarungen zu der strittigen Staatsschuld nicht zu erwähnen, doch dem “Kommersant-Ukraine“ gelang es die Details herauszufinden. Wie bekannt ist, hatte einer der Kreditgeber unter den Republiken der UdSSR – Kirgisien – im Jahre 2007 den Beitritt der Ukraine zur WTO blockiert, dabei die Tilgung einer analogen strittigen Schuld fordernd. Kiew stimmte Bischkek damals zu, die gefordert Summe in Form von humanitärer Hilfe im Austausch für die Abschreibung der nicht anerkannten Staatsschuld zu zahlen.

“Theoretisch hätte die Ukraine erneut zur kirgisischen Variante übergehen können, doch wie sollte das umgesetzt werden? Was passiert denn so schreckliches in Weißrussland, um ihm humanitäre Hilfe zu gewährleisten?, teilte der Gesprächspartner des “Kommersant-Ukraine“ mit. Seinen Worten nach, wurde im Verlaufe der Regierungsgespräche eine alternative Variante der Tilgung der Schulden mit Hilfe von Elektroenergielieferungen nach Weißrussland zu Vorzugstarifen abgestimmt. ??“Diese Ermäßigung, die sich in einiger Zeit ansammelt, beläuft sich auf eben jene 50 Mio. $”, erläuterte der Informant dem “Kommersant-Ukraine“.

Gestern bestätigte Alexander Lukaschenko indirekt, dass die Ukraine Weißrussland im Bereich der Elektroenergielieferungen entgegen kommt. “Es gibt hier eine diskrete Komponente und wir haben vereinbart diese nicht zu verbreiten. Doch ich möchte sagen, dass dies für uns sehr eine sehr vorteilhafte Vereinbarung ist. Vorteilhafter sogar, als zwischen Weißrussland und Russland”, erklärte er.

Bleibt anzumerken, dass Minsk zum heutigen Tag bereits vertraglich Elektroenergie mit Kiew und Moskau zu ungefähr den gleichen Tarifen vereinbart hat. “Der heutige Tarif für Weißrussland deckt die Ausgaben für die Produktion, die Verteilung und den Transport der Elektroenergie, doch die Rendite ist eine minimale”, teilte dem “Kommersant-Ukraine“ der Pressesprecher des ukrainischen Energieministeriums, Fent Di (Фэнт Ди), mit. Aus den Äußerungen von Di folgt, dass die Ukraine beim Export mit Nachlässen gezwungen sein wird für Weißrussland einen Tarif unter den Selbstkosten festzulegen.

Bei der Umsetzung der Vereinbarungen zwischen Wiktor Juschtschenko und Alexander Lukaschenko könnte die Ukraine zum Hauptexporteur von Elektroenergie in das Land werden und den Platz des russischen Unternehmens RAO JeES besetzen, welche im Jahr 2008 nach Weißrussland 2,2 Mrd. kWh lieferte. Kiew, das die Elektroenergielieferungen an Minsk im Sommer dieses Jahres wieder aufnahm, kündigte die Bereitschaft noch größere Mengen zu liefern an. “Für heute belaufen sich die kommerziellen Lieferungen auf 205-210 Mio. kWh im Monat. Theoretisch kann man diese Menge erhöhen”, betonte Fent Di.

Der zweite Block der von den Präsidenten diskutierten Themen ist mit den Beziehungen Kiews und Minsks zur Europäischen Union verbunden. Wie der “Kommersant-Ukraine“ mitteilte (Ausgabe vom 21. Januar), hatte der Präsident der Ukraine beim Januartreffen in Tschernigow die Verpflichtung auf sich genommen “als Anwalt Weißrusslands in Brüssel aufzutreten”. Gestern demonstrierte Juschtschenko effektiv seinem weißrussischen Kollegen seine Möglichkeiten in diesem Bereich.

Bei den bilateralen Gesprächen waren Juschtschenko und Lukaschenko einer Meinung, dass die Ukraine und Weißrussland nach Ratifizierung des Vertrages über die Staatsgrenzen gemeinsam die Mittel nutzen könnten, die von der EU im Rahmen der “Östlichen Partnerschaft” bereitgestellt werden, um die Markierung der Grenzen und die Einrichtung/Ausrüstung der Grenzübergänge, die gemeinsam kontrolliert werden, vorzunehmen. Wiktor Juschtschenko schlug vor diese Initiative mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Jose Manuel Barroso, abzustimmen, jedoch konnte niemand ahnen, dass der ukrainische Präsident dies in einigen Minuten tun wird.

“Vor 15 Minuten habe ich mit Barroso geredet und von ihm ernsthafte Unterstützung erhalten. Die Ukraine und Weißrussland könnten Partner bei der Nutzbarmachung der Ressourcen der Europäischen Union werden”, erklärte Juschtschenko auf der Abschlusspressekonferenz.

“Ich möchte Wiktor für die Unterstützung danken, die er unserem Land bei der Regelung der gegenseitigen Beziehungen sowohl mit dem Westen (der EU), als auch mit den USA erwiesen hat. Diese Unterstützung ist sehr wertvoll”, schätzte der weißrussische Präsident die Geste Juschtschenkos.

Mit dem Umbau der Grenzen über das Geld der Europäischen Union hielten sich die Präsidenten nicht auf; sie sind bereit im Mechanismus der “Östlichen Partnerschaft” zusammenzuarbeiten und bei der Anwerbung für Kreditmitteln europäischer Finanzinstitute.

“Wir vereinbarten den gemeinsamen Ausbau der Transport- und Straßeninfrastruktur und beabsichtigen uns an europäische Finanzinstitute für die Finanzierung der Sanierung der Straße Minsk-Kiew zu wenden”, erklärte Wiktor Juschtschenko.

Die Kommunikation mit den Pressevertretern beendend, schaffte es Juschtschenko sogar die Diplomaten zu erstaunen, welche die Verhandlungen vorbereitet hatten, er informierte über eine weitere Vereinbarung, die im Vieraugengespräch mit Lukaschenko erreicht wurde.

“Sehr wichtig ist, dass wir heute von der Tagesordnung die Frage der Readmission/Rücküberführung von Personen genommen haben”, erklärte der Präsident mit stolz. “Wir haben mit Alexander Grigorjewitsch (Lukaschenko) diese Frage sehr eingängig diskutiert, bis zu den Details der menschlichen Ressourcen. Offensichtlich ist, das dies eine große Eröffnung für die Leiter unserer Außenministerien wird. Doch die Hauptsache ist, dass wir uns persönlich geeinigt haben”.

Sergej Sidorenko

Quelle: Kommersant-Ukraine

Übersetzer:   Andreas Stein  — Wörter: 1238

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