Buchmarkt: Zurück bleiben Skeptiker
Das ukrainische Verlagswesen haben immer nur unwahrscheinlich begeisterte Menschen vorangebracht. Die Wirklichkeit des Marktes ist überaus enttäuschend, die Verleger finden aber Wege, aus dem Teufelskreis herauszukommen. Es gewinnen diejenigen, die sich weigern, nach den alten Regeln zu spielen.
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Umfang der verlegten Bücher um 20 Prozent hinsichtlich der Titel verringert , um 50 Prozent hinsichtlich der Gesamtauflagen. Gleichzeitig ging der Umsatz um 35-40 Prozent zurück. Von den 1.200 ukrainischen Verlagen verlegen nur etwa hundert neue Titel und beschäftigen sich nicht mit Nachauflagen alter Bücher. Diese Statistik präsentierte der Direktor des Verbandes der Buchverlage und Barsortimenter Oleksandr Afonin.
Die Vertiefung der Wirtschaftskrise hat die bereits ohnehin niedrige Nachfrage nach dem Buch reduziert: Die Ukrainer haben begonnen weniger für lebenswichtige Güter auszugeben und noch weniger für Bücher. Darüber hinaus behindern die schwierigen Rahmenbedingungen und das Fehlen staatlicher Programme die Schaffung eines vernünftigen Angebots.
Erstaunlicherweise konstatieren die ukrainischen Verleger aber eine Erholung des Marktes und die Bildung von Wettbewerb, und manchmal ergeben sich neue Formen des Buchverlages. Es gewinnen vor allem diejenigen, die auf eine hohe Qualität der Ausgabe und seiner Förderung setzen, und ebenso versuchen, besser ihr Publikum zu kennen.
Der Rückgang der Kaufkraft der Ukrainer bedeutet nicht, dass sie bereit sind, viele billige Bücher zu kaufen. Deshalb lohnt es sich für den Verleger sicher nicht, am Papier, am Design und vor allem an der Qualität der Übersetzung und der Redaktion zu sparen.
„Die Leser sind anspruchsvoller geworden, sie kaufen weniger, wollen aber ein wirklich wertvolles Buchen haben, das man gerne in seiner eigenen Bibliothek haben möchte. Diese Verringerung des Abstandes zwischen dem Geschmack der Verleger und dem Geschmack des Publikums ist sehr erfreulich“, sagt die [frühere] Kuratorin des Buch-Arsenals Olha Schuk.
Selbst die größten Verlage, deren Auflagen den Markt am Laufen erhalten, versuchen nicht, auf die Umsatzahlen zu schauen, sondern achten sehr sorgfältig darauf, was sie drucken und was nicht. Oleksandr Krassowizky berichtete, dass obwohl die Auflagen von Folio um 20 Prozent gefallen seien, die Zahl der nennenswerten Neuerscheinungen gewachsen sei, und ebenso der Verkauf neuer Bücher insgesamt. Dieses Jahr gibt es bei ihnen ungefähr 400 Neuerscheinungen.
Aber darüber hinaus entstehen kleine Verlagsinitiativen, die dem bekannten Marktführer A-BA-BA-HA-LA-MA-HA die Stirn bieten. Nasch Format, Laurus, der Schupanskyj-Verlag, Dyskursus und andere versuchen nicht nur, die Maßstäbe zu halten, sondern auch zielsicher an der Geschmacksbildung des Publikums mitzuwirken.
Verlagsstrategien
Eine Krisenzeit gibt die Möglichkeit zu experimentieren und verschiedene Genres, Formate und Strategien auszuprobieren, um gleichzeitig mit unterschiedlichen Zielgruppen zu arbeiten. Das Beispiel einiger Verlage zeigt, dass man manchmal die Regeln des Marktes besser nicht beachten, sondern gegen den Strom schwimmen soll.
So nennt Swjatoslaw Pomeranzew die Buchprojekte des Meridian Czernowitz sein Hobby und sagt, dass sein Verlagsprojekt eher eher wie ein literarischer Agent wirkt: „Der Verleger soll den Bedürfnissen der Leser gerecht werden, wir aber befriedigen die Bedürfnisse des Autors. In unserem Fall ist unser Kunde unsere Freunde, die Schriftsteller.“
Dieser Ansatz ermöglichte dem Meridian Czernowitz, die bekanntesten ukrainischen Autoren um sich zu scharen, Juri Andruchowytsch, Serhij Zhadan, Juri Izdryk, Taras Prochasko, Kateryna Babkina, Andrij Ljubka und andere. Gleichwohl sollte man erwähnen, dass die Möglichkeit, die Starautoren in der Ukraine zu verlegen, kein super Geschäft ist: eine Gesamtauflage von 10-20.000 ist die Obergrenze, und das für ein Volk von 40 Millionen.
Der Verlag des Alten Löwen (VSL) hat dieses Jahr fast 100 Neuerscheinungen herausgebracht. In den vergangenen Jahren wuchs er von einem Kinderbuchverlag zu einem richtigen Verlag für die ganze Familie heran. Der Verlag ist imstande, eine Massenproduktion zu schaffen, die sich für weitere wichtige Projekte der Gründer auszahlen wird.
„Die auflagenstärksten Bücher des Verlags des Alten Löwen sind die Ausmalbücher von Johanna Basford. Für uns ist es aber besonders wichtig, dass die ukrainische Belletristik ihren Leser erreicht. Anhand der Beispiele von Sophia Andruchowytsch, Romana Romanyschyn und Andrij Lesiw, Taras und Marjana Prochasko, Jurko Izdryk und vielen anderen kann man sagen, dass die ukrainischen Autoren durchaus erfolgreich sein können“??, sagt Marjana Sawka.
Der Kiewer Verlag Osnovy ist ein weiteres Beispiel eines Verlages, der versucht, die leeren Nischen der Literatur zu füllen. Und dieses Jahr ist es ihm geglückt, nicht nur in der Zahl der Neuerscheinungen – 40 –, sondern auch in den Auflagen zu wachsen. Dana Pawlytschko, die den Verlag für intellektuelle und fachliche Literatur geerbt hat, hat beschlossen, seine thematischen Schwerpunkte deutlich auszubauen und für das ukrainische Publikum untypische Bücher zu fördern: So den englischsprachigen Führer „Awesome Ukraine“, die kulturwissenschaftliche Untersuchung „Kunst der Sechziger“, die alternativen Schulbuchreihen „Die erschossene Erneuerung“ und „Familie Kajdasch“, einen dokumentierenden Bildband über den Majdan und Comics über die Mumin-Trolle.
In diesem Jahr druckte Osnovy als erstes den Koran auf Ukrainisch, außerdem veröffentlichte der Verlag die App „Awesome Kiew“, einen Reiseführer für diejenigen, die ein nichttouristisches Kiew kennenlernen wollen. Bald werden ähnliche Apps für Odessa und Lwiw herauskommen.
Das, was dieses vielfältige und für den ukrainischen Markt völlig unstandardgemäße Programm von Osnovy verbindet, ist ein konzeptioneller Ansatz zur Gestaltung eines jeden Buches und zum Entwurf einer Verkaufsstrategie für den Titel.
Ungefüllte Nischen
Angesichts des Rückgangs der Veröffentlichungen versuchen die ukrainischen Verlage, ihr Angebot zu erweitern. Eine der gefragtesten Nischen wurde die Literatur zu aktuellen Themen: Euromajdan, Krieg im Donbass. Die Aufregung um das Buch „Flughafen“ von Serhij Lojka ist eine klare Bestätigung. Und obgleich die mit schneller Feder ausgedachten und widerspruchsvollen Vorgänge oft keine Literatur von hoher Qualität sind, so sind 6 von 20 der meistverkauften Bücher auf der Seite Yakaboo gerade den jüngsten Geschichten gewidmet.
Einige Veröffentlichungen legen Wert auf eine dokumentierende Wiedergabe der Vorgänge: Fotoalben oder ausgewählte Texte von Journalisten (die Sammlung der Reportagen von Artem Tschapaj, Kateryna Sergazkowa und Wolodymyr Maksakow „Der Krieg mit drei Buchstaben“ von Folio oder „Der Krieg mit den Augen der Massenmedien“ von Osnovy).
Nach Einschätzung von Oksana Hmeljowska, Redakteurin des Buchportals Chytomo erschienen dieses Jahr über 40 Bücher zu diesen Themen. Eine Wiederbelebung kann man aber auch in anderen Nischen verspüren, ist ihre feste Ansicht: „Das Überwiegen historischer Literatur hat abgenommen (Ljuta Sprava, Folio, KSD, Vivat), es gibt eine wachsende Zahl von Büchern für Jugendliche, Übersetzungen von Weltbestsellern, die Management und Geschäftswelt betreffen (Nasch Format, VSL); auf dem Markt gibt es vermehrt schön gestaltete Bücher, Bilder und Malbücher für jeden Geschmack und jede Stimmung.“
Natürlich gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Die ukrainischen Verlage sind immer noch nicht in der Lage, den Leser in den aktuellen Welt-Kontext der Literatur eintauchen zu lassen. Hierfür gibt es objektive Gründe. Wie der Direktor von Folio Oleksandr Krassowyzkyj bemerkt, muss man sehr viel Geld in Autorenrechte und Übersetzungen investieren. „Ein ukrainischer Verlag ist ohne eine standardisierte Bibliotheks-Order für die gesamte Welt nicht imstande, das Bild des Übersetzungsmarktes grundsätzlich zu ändern“, konstatiert er.
Deshalb kann man aus der Liste der Weltbestseller in den Bücherregalen nur Einzelnes sehen, und oft ist ihre Übersetzung von konkreten Initiatoren veranlasst, wie beispielsweise die Übersetzung der Biografie des Gründers von Tesla Elon Musk, dessen Veröffentlichungsrecht Oksana Forostyna erworben hat. Das Buch von Ashley Vance „Elon Musk. Tesla, Space X und der Weg in eine fantastische Zukunft“ in der Übersetzung von Myroslawa Lusin ist kürzlich erschienen.
Marjana Sawka konstatiert gleichwohl eine Markterholung beim Kauf ausländischer Rechte bereits für das kommende Jahr. „Einige Player auf dem ukrainischen Markt konkurrieren miteinander, versuchen Rechte für Schlüsselwerke ausländischer Autoren zu erwerben. Das ein Hinweis, dass bei uns bald viel neue Übersetzungsliteratur erscheinen wird.“
Verlage wie VSL, Schupanskyj, Nasch Format und andere haben bereits das Erscheinen mehrerer bekannter Non-Fiction-Bücher und literarischer Werke der Gegenwart angekündigt.
Alternative Verlage
Um den leeren Raum ukrainischer Übersetzungen von Belletristik zu füllen, sind einige zu untypischen verlegerischen Modellen übergegangen. Die Initiative Bibliothek von Babel stöbert nach den Übersetzungen der Weltklassiker in den Heften der Literaturzeitschrift Vsesvit und macht aus ihnen beispielhaft hochwertige Ausgaben mit einem besonderen Schwerpunkt auf die optische Gestaltung. Die Bibliothek von Babel existiert auf der Grundlage einer Stiftung mit Unterstützung von Verlagspartnern, das Hauptziel der Initiative besteht nicht in Gewinn, sondern in der Verbreitung ukrainischer Übersetzungen von anspruchsvoller Literatur.
Die ersten beiden Bücher des Projekts – „Slaughterhouse-Five“ von Kurt Vonnegut und „Pornographie“ von Witold Gombrowicz machte die Bibliothek von Babel gemeinsam mit dem Verlag des Alten Löwen. Zusammen mit Knyhy XXI bereiteten sie „Lord of the flies“ von William Golding vor, das Ende 2015 erscheint, gemeinsam mit A-BA-BA-HA-LA-MA-HA veröffentlichen sie Samuel Becketts „Watt“.
Die Initiatoren der Crowdfounding Platform Komubook warben für Übersetzungen der besten Werke von Kult-Autoren um die finanzielle Unterstützung der Leser. Die Organisatoren schlagen ein bestimmtes Werk vor und schätzen die Kosten seiner Veröffentlichung, anschließend verkünden sie die hierfür notwendige Summe, schließlich wird das Buch gedruckt und an alle Sponsoren geschickt.
Zu den laufenden Projekten gehören die Bücher von Hunter S. Thompson, Philipp Dick, Virginia Woolf, William Burroughs und Joseph Conrad. Obgleich Komubook sogleich eine hervorragende Resonanz in den Medien erfuhr, erhielten die ersten fünf Übersetzungen von den notwendigen 90.000 Hrywnja im Durchschnitt nur 10-20 Prozent. Gleichwohl kündigten die Organisatoren bereits ihre Veröffentlichung an, den Rest der Kosten werden sie selbst vorstrecken, gleichzeitig wird die Sammlung von Geld auf der Webseite fortgesetzt. Man hofft sehr, die Summe zu erzielen, da sie notwendig ist, um sie in die folgenden Projekte zu investieren.
„Die größte Gefahr heute ist der Fall der Hrywnja, da ein bedeutender Teil unserer Fixkosten in Valuta berechnet wird, wir aber eine Preiserhöhung für die Bücher entsprechend dem Anstieg des Dollarkurses nicht machen können, denn die ukrainischen Käufer haben nicht mehr Geld. Dennoch sind wir bereit, Risiken einzugehen, denn wir sind sehr daran interessiert, dass diese Bücher in ukrainischer Übersetzung erscheinen“, berichtet der Gründer und Hauptdenker des Projekts Pawlo Schwed.
Vertrieb
Im Jahr 2015 hat sich der Buchvertrieb weiter verschlechtert. Nach Angaben der Verleger- und Barsortimenter-Assoziation ist die Zahl der Buchhandlungen um 350 zurückgegangen. Man merkt, dass die staatliche Förderung nur Bibliotheken betrifft (obgleich in diesem Jahr nur neun Millionen Hrywnja für die Finanzierung von 18.000 Bibliotheken zugebilligt wurden).
Erhebliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der Buchhandlungen hatte der starke Rückgang der Einfuhr von Büchern aus Russland: wenn im Jahr 2012 der Gesamtwert der legal eingeführten Ausgaben etwa 30 Millionen Dollar betrug, so lag er dieses Jahr bei nur 2,7 Millionen. Durch den kleinen Umfang des ukrainischen Verlagsprogramms hatten die Buchhandlungen nicht genug Einkünfte.
„Zum ukrainischen Buch muss man sagen, das bei uns ein Vertriebssystem fehlt, weshalb jeder Verlag versucht, seine eigenen Bücher zu vertreiben. 80 Prozent der in der Ukraine verlegten Bücher überqueren nicht ihre Oblast- oder Landesgrenze, und nur die größten Verlage wie Folio oder KSD oder Schulbuch Bohdan vertreiben dank ihres großen Sortiments und eigener Kontakte ihre Ausgaben im ganzen Land“, sagt Oleksandr Afonin.
Ein möglicher Ausweg für die Verlage besteht darin, stärker über das Internet aktiv zu werden. Und nicht nur mit Internet-Buchläden wie Yakaboo zusammenzuarbeiten, sondern auch den Verkauf über die eigene Webseite zu intensivieren. Dana Pawlytschko zufolge werden ungefähr 50 Prozent der Ausgaben von Osnovy genau auf diese Weise verkauft. Eine praktische und gut bedienbare Webseite mit der Möglichkeit, Bücher zu bestellen, gehört zu den unabdingbaren Instrumenten eines Verlages. Dennoch kann sich nicht jeder ihrer rühmen.
„Nur wenige haben eine gut bedienbare Webseite, mit aktuellen Kontakten, nur bei wenigen finden sich zusätzlich zu den Informationen zu den Neuerscheinungen auch ausschnittsweise Einblicke in sie“, sagt Oksana Hmelyovska. Doch diejenigen Verlage, die das Netz aktiv nutzen, verzeichnen ein signifikantes Umsatzwachstum.
Werbung
Ein moderner Buchverlag bedeutet nicht nur die Veröffentlichung von Büchern und ein hieraus resultierender Gewinn. Um ein erfolgreiches Geschäft zu machen, muss man das Buch bis zum Augenblick seines Kaufes an der Kasse zu begleiten.
„Alles, was wir machen, ist Kommunikation“, sagt Dana Pawlytschko. „Wir verwenden viel Mühe auf das Gespräch mit den Lesern, damit sie von unseren Büchern erfahren, die Notwendigkeit anspruchsvoller Literatur verstehen. Ohne solche Anstrengungen im Bereich von Marketing, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit wird es sehr schwierig.”
Osnovy wie auch der Verlag des Alten Löwen sind die Verlage, die am regelmäßigsten ihre Webseiten und Seiten in den sozialen Medien aktualisieren, die jede Buchvorstellung kreativ angehen. Für den Verlag des Alten Löwen ist das Mitmachen in den sozialen Medien außerordentlich wichtig.
Die Buchvorstellung ist ein Schlüsselgeheimnis der Werbung für die Bücher von Meridian Czernowitz. „Positive Publicity erfordert persönliche Präsenz“ – teilt Swjatoslaw Pomeranzew die Geheimnisse der Werbung.
In diesem Jahr hat der Verlag die neue Gedichtsammlung von Serhij Zhadan „Leben Marias“ veröffentlicht, und dieses Ereignis wurde mit einer Lesereise des Schriftstellers durch 33 Städte der Ukraine begleitet, bei denen Pressekonferenzen und Diskussionen stattfanden. Im Herbst fand die poetische Tour Meridian Czernowitz durch Länder Europas statt. Das alljährliche Festival in Czernowitz ist für Swjatoslaw vor allem ein Fest, dank guter Werbeaktionen dauert es das ganze Jahr und nicht nur in der Ukraine.
Marketingstrategien und Werbeaktionen haben aufgehört zweitrangige Spielereien für Verlage zu sein, sondern haben sich zu einem Schwerpunkt der Tätigkeit entwickelt.
Die Utopie, wo alle lesen
Trotz der Zunahme des Publikums für die führenden Verlage ist die Lese-Statistik und mehr noch der Kauf von Büchern in der Ukraine sehr enttäuschend. Der Statistik von 2014 zufolge gestehen nur 58 Prozent der Ukrainer, dass sie einen langen Text von mehr als 100 Seiten im vergangenen Jahr gelesen haben, nur zehn Prozent von ihnen erinnern sich an das zuletzt gelesene Buch.
„Bildung und Lesen sind nicht in Mode, und das ist ein Problem. Aber in einem Land, in dem Kultur nie staatlicherseits entwickelt wurde, ist das kaum verwunderlich“, sagt Dana Pawlytschko.
Angesichts des Fehlens einer stringenten staatlichen Politik zur Förderung des Lesens beschäftigen sich damit voneinander getrennte Institutionen, Verlage und Medien. Außerordentliche Verdienste haben hier das Lemberger Buchforum und das Kiewer Bucharsenal, deren Publikum jedes Jahr wächst. Halb ernst wird gescherzt, dass Ukrainer nur zweimal im Jahr Bücher kaufen.
Die beiden wichtigsten Buchveranstaltungen versuchen ihren Schwerpunkt von Orten des Marktgeschehens zu Plätzen in einem neuen Sinn zu verschieben. „Ich hoffe, dass der Erfolg der Diskussionen über verschiedene soziale, politische, philosophische, psychologische und state building Themen, ohne den üblichen literarisch-kulturellen Themenbereich zu erwähnen, die Verleger stimuliert, neue Autoren und Ideen zu suchen“, sagt die Direktorin des Lemberger Buchforums Oleksandra Kowal.
Das Lemberger Buchforum hat außerdem damit begonnen, nichtkommerzielle Veranstaltungsformen zu entwickeln, um das Lesen für unterschiedliche Altersgruppen und soziale Schichten, nicht nur für Kinder, sondern auch für Menschen im Erwachsenenalter populär zu machen.
Der Kuratorin des Kiewer Buch-Arsenals Olha Schuk zufolge hat man in Kiew beschlossen, das Projekt strukturell neu zu organisieren: „Ich habe die Erfahrungen auswärtiger Kollegen studiert und beschlossen, das Steigern der Zahlen aufzugeben und stattdessen stärker kuratorisch zu wirken und die Qualität der inhaltlichen Füllung zu verbessern.“
Man sollte auch die Aktionen einiger Nischenmedien nicht geringschätzen: den Marathon Bookchallenge.ua vom buro24/7 , bei dem Kateryna Babkina und Mark Liwin den Lesern 400 Bücher im Jahr vorstellen und beschreiben sollen. Kürzlich hat der Verlag Artmisto ein Spezialprojekt begonnen. Hier werden ukrainische Bücher durch Vermittlung von Verlagen von geistigen Größen, Leitern von Festivals, Vortragsveranstaltungen, Hilfsfonds und Restaurants vorgestellt.
Gleichzeitig müssen die ukrainischen Verlage aktiver mit den Medien zusammenarbeiten, nicht nur mit auf Literatur spezialisierten Zeitschriften. Sie müssen für ihre Produkte auch die gesellschaftlich-politischen Massenmedien interessieren.
Das Volumen des Buchmarktes wird sich verringern, in seinem Inneren aber beginnen positive Prozesse. In der Ukraine gibt es kein großes Lesepublikum, dieses ist aber sehr loyal und für alles Neue offen. Deshalb wachsen momentan diejenigen Verlage, die versuchen, ihr Interesse zu wecken und die alle Anstrengung auf Kommunikation setzen. Hinter sich gelassen haben sie vor allem Konservative und Skeptiker. So ist es ja doch immer.
23. Dezember 2015 // Jewhen Hryzenko
Quelle: Korydor
Ergänzungen des Übersetzers
Hingewiesen sei auch auf die von Oksana Hmelyovska, der jetzigen Kuratorin des Kiewer Bucharsenals, erstellte Broschüre „New books from Ukraine“, die ähnliche Aktivitäten des Polnischen Buch-Instituts – New Books from Poland – aufgreift, allerdings zahlreiche Internet-Links zu Verlagen usw. enthält.
Bereits 2013 wurden mehrere Analysen des ukrainischen Buch- und Übersetzermarktes vorgelegt. Diese finden sich auf der Webseite www.bookplatform.org
Zu Umsatzzahlen und Bestsellern (nicht immer vollständig) vgl. beispielsweise bei chytomo den Artikel http://www.chytomo.com/news/ukraiinski-bestseleri-2015-versiya-vidavciv
Olha Schuk (Olia Zhuk) besuchte im Februar 2016 zwecks Zusammenarbeit mit der Frankfurter Buchmesse nach ihrem letzten Besuch im Oktober erneut Frankfurt.