Donbass: Das Leben nach der „sprachlichen Verbesserung“
Was hat sich in der Donezker Region nach der „Viel-Wirbel-Um-Nichts-Aktion“, die den Einwohnern der Region das Recht gegeben hat, das zu nutzen, was sie bisher ohnehin frei genutzt haben, wesentlich verändert? Wie erwartet, nichts. Das Gras ist nicht grüner geworden und die Sonne scheint nicht heller.
Für die Regierung, die eine Genrekrise erlebt, war jedoch das Hauptziel, erneut die Illusion eines Sprachproblems wiederherzustellen und die südöstlichen Wähler davon zu überzeugen, davon redend, dass man von der Partei der Regionen nicht enttäuscht sein braucht, da wir unsere Versprechen erfüllen …
Die Enttäuschungen sind aber da und das massenhaft. „Wir haben ihm vertraut, und er hat uns verraten“, hat mir neulich ein Offizier aus Donezk über Janukowytsch gesagt. Werden die Spekulationen über die russische Sprache helfen, den schmelzenden Eisberg der blau-weißen Wählerschaft zu retten? Die Präsidentenmannschaft braucht davon nicht einmal träumen. Die Bürger der linken Uferseite des Dnipro sind klüger, als man sie auf der Bankowa-Straße (Sitz des Präsidenten) einschätzt. Unter den Einwohnern der Krim und des Donbass ist man zunehmend weniger bereit, sich mit leeren Taschen über eine „sprachliche Verbesserung“ zu freuen. In der Partei der Regionen wird dies aber anders gesehen.
„Überall, wo ich war“, so das Mitglied der Partei der Regionen, Wolodymyr Olijnyk über seine Reise auf die Krim, „wird das Problem der Sprachen sachlich behandelt. Die Leute unterstützen rege die Regionalsprachen. Man muss aber der ukrainischen Amtssprache ebenfalls Schutz bieten. Man braucht Gesetze, sowohl für die regionalen Sprachen als auch für die Amtssprache.“
Es mag sein, dass die Menschen aktiver geworden sind, aber welchen Sinn ergibt diese Aufregung? Ist sie natürlich oder durch die Regierungspartei gepuscht? Ohne Grund einen künstlichen Konflikt erzeugen, durch manipulative Technologien der eigenen Wählerschaft die Idee aufzudrängen, dass es ein heiliger Krieg für das wunderbare Glück ist und dann in die Öffentlichkeit gehen und mit unverdeckter Hinterlist eine quasi natürliche Aufregung der Menschen verkünden.
In Donezk gab es übrigens Aktivisten, die versucht haben, juristisch gegen die Spekulationen mit der Sprache vorzugehen. Vertreter der regionalen Organisation „Allukrainisches Komitee für den Schutz der Menschrechte“ erhoben vor dem lokalen Gericht Klage dagegen, dass in der Oblast der russischen Sprache widerrechtlich der Status einer Regionalsprache erteilt wurde. Die Antwort des Gerichtes war vorhersehbar, nämlich der Verzicht auf die Annahme der Klage.
Der Gouverneur von Donezk, Andrij Schyschazkyj, beruhigt alle. Hinsichtlich der Implementierung des Sprachgesetzes betont er, dass es in der Oblast keine Ursache für Panik gibt. „Alles verläuft ruhig, sogar eine Zunahme des Schulunterrichts in ukrainischer Sprache im Vergleich zum letzten Jahr ist sowohl in den allgemeinen Schulen, als auch in den Grundschulen festzustellen. Das heißt, 50,5% der Erstklässler und 50,1% aller Schüler haben angefangen, auf Ukrainisch zu lernen. Damit ist ein Zuwachs der ukrainischen Sprache im Bildungsbereich der Donezker Oblast festzustellen“, so die Erklärung des Leiters der Donezker Gebietsverwaltung. Folgende Frage ist in diesem Fall provozierend: Wozu dann die „Regionalisierung“ der russischen Sprache?
Die lokale Regierung will hartnäckig durch die Organisation von Protestaktionen zur Unterstützung des Sprachgesetzes in der Bergbauhauptstadt, die Einwohner der Region von der Existenz des Problems überzeugen. Auch wenn es früher für die PR einfach war, die Sprachleidenschaft im Donbass massenweise anzufachen, sind heutzutage die armen Donezker Einwohner dazu gezwungen ihren Herdentrieb mit Hilfe zweifelhafter Maßnahmen zu befriedigen, um dann nicht einmal Tausend Personen versammeln zu können.
Unter anderem teilt die Pressestelle des Regionalrates in Luhansk mit, dass vier Kreise der Oblast Luhansk der russischen Sprache nicht den Status einer Regionalsprache geben werden. Die Ursache wird wahrscheinlich viele verwundern: Die Sprache von Achmatowa und Tschechow gilt nur für 10 Prozent der Einwohner als ihre Muttersprache.
VoxPopuli
Neulich war ich auf dem Puschkin Boulevard in Donezk, um mit Passanten über ihre Meinung zur „Regionalisierung“ der Sprache von Aleksandr Sergejewitsch zu sprechen.
Ich nähere mich einem Rentner, der sich als Walerij Wjatscheslawowytsch vorgestellt hat.
- „Ist Ihnen bekannt, dass die russische Sprache den Status der Regionalsprache bekommen hat?“
„Ja, ich weiß es.“ - „Hatten Sie persönlich irgendwelche Probleme hinsichtlich der Sprache vor dieser Entscheidung?“
„Keine…“ - „Was hat sich Ihrer Meinung nach, nach dem Erlass des Sprachgesetzes, geändert?“
„Wahrscheinlich nichts. Da, junge Leute… Sie können sowohl auf Russisch als auch auf Ukrainisch lernen… Bei uns in der Donezker Oblast’ gibt es über einhundert Nationalitäten.“ - „Was meinen Sie, was hinter diesem Gesetz steckt? Ist es ein aktuelles Problem oder berechnendes, politisches Interesse der Regierung?“
„Eher das Zweite.“
Nicht weit von Walerij Wjatscheslawowytsch sehe ich ein junges Paar. Ich gehe zu ihnen. Das sind Artem und Tetjana.
- „Was ist Ihre Meinung dazu, dass die russische Sprache den Status der Regionalsprache in der Donezker Oblast bekommen hat?“
„Oh, das habe ich gar nicht gewusst“, sagt Artem.
„Ich weiß es aber“, erwidert Tetjana lächelnd. - Was wird sich jetzt verändern? Was meinen Sie?
„Nichts“, antwortet Artem ohne zu überlegen. - „Was schätzen Sie, ist in diesem Fall der Sinn der Entscheidung?“
„Es gibt keinen… Ich bin der ukrainischen Sprache gegenüber positiv eingestellt, kann sie sprechen, wenn es darauf ankommt…“
Nach dem Gespräch mit den Vertretern der jungen Generation wollte ich mich noch ein mal an Leute wenden, die das Leben gesehen haben. Ich bemerke einen Rentner, der einsam auf einer Bank sitzt und tief in seinen Gedanken versunken ist. Seinen Namen hat er nicht verraten, hat aber meine Fragen direkt und konkret beantwortet.
„Das Gesetz wurde wild verabschiedet. So ein Gesetz muss man mit dem Volk besprechen, und nicht wie diese dort es gemacht haben, nämlich vor der Wahl durchgeboxt und fertig. So geht es nicht.“
Der Rentner aus Donezk ist ebenfalls der Meinung, dass das Gesetz nichts ändern wird.
„So wie es war, so bleibt es. Das war ein strategischer Zug vor den Wahlen. Es ist kein Halten des Versprechens. Man muss sich mit dem Volk konsultieren. In der Schweiz gibt es zum Beispiel eine Volksabstimmung zu jedem Problem.“
Hinsichtlich der ukrainischen Sprache hat sich der ältere Mann sehr respektvoll geäußert:
„Ich bin bereits ein Rentner, es ist für mich zu spät, Ukrainisch zu lernen. Ich kam hierher aus Russland wegen der Arbeit, ich war auf einer russischen Schule. Beruflich war ich öfters in Minen im Westen der Ukraine. Die ukrainische Sprache ist sehr schön, aber ich werde sie nicht mehr beherrschen können…“
Die Studenten Mykyta und Jewhen sehen die ukrainische Sprache als ihre Muttersprache an, wobei sie nichts davon gehört haben, dass die russische Sprache zur Regionalsprache geworden ist.
- „Jetzt wisst ihr das von mir. Was meint ihr dazu?“
„Wenn man diese Entscheidung bloß bis zum Ende verstehen könnte… Für einen einfachen Menschen haben diese Änderungen keine Auswirkungen. Bisher hatten wir keine Probleme mit der Sprache, und ich glaube nicht, dass diese Entscheidung irgend etwas ändern sollte. Es wäre aber nicht schlecht, wenn die Filme in den Kinos auf Russisch laufen würden,“ sagt Mykyta. - „Und wie ist eure Haltung zur ukrainischen Sprache im Großen und Ganzen?“
„Positiv! Es ist meine Muttersprache wie die russische Sprache auch. Ich habe eine patriotische Einstellung gegenüber der ukrainischen Sprache, wenn man so sagen kann.“
Fazit
Die Gespräche habe ich sicherlich nicht im Rahmen einer methodischen, soziologischen Untersuchung geführt. Das sind gängige Gespräche mit zufälligen Passanten. Die zitierten Meinungen sind aber veranschaulichend. Meiner Beobachtung nach sind sie typisch für manche Wählergruppen in Donezk. Das Fazit für die Partei der Regionen ist sicherlich enttäuschend:
- Die Partei hat bei der Informationsverbreitung zur Entscheidung über den Status der russischen Sprache als Regionalsprache in der Donezk Oblast versagt;
- Sogar wenn die Partei die PR des Sprachgesetzes im Donbass aktiver und kreativer gestalten würde, hätte es nicht mehr Nutzen, als der Versuch, einer betrunkenen Person ihre Nüchternheit zu beweisen, in dem sie einen seriösen Gesichtsausdruck macht.
- Mit ihren kulturell angehauchten Spekulationen quält die Partei der Regionen ihre Wählerschaft, die aber massenweise anfängt, dies zu erkennen.
- Die Einwohner des Donbass haben eine viel bessere Meinung von der ukrainischen Sprache und ihren Trägern, als es die Pro-Regierungsmedien und die aggressiven Nationalisten manchmal darstellen wollen (wobei die Ziele der beiden sicherlich unterschiedlich, die Methoden aber gleich sind).
23. Oktober 2012 // Jewhen Stratijewskyj, Donezk
Quelle: Zaxid.net