Droht der Ukraine die Zahlungsunfähigkeit?
In letzter Zeit ertönen öfter und öfter Vorhersagen zu den Perspektiven der ukrainischen Wirtschaft. Das jüngste Beispiel ist die Prognose des Präsidenten der Assoziation der ukrainischen Banken, Alexander Sugonjako. Seinen Worten nach könnte das Land, wenn es der Ukraine nicht gelingt sich auf den Erhalt eines neuen Kredites vom IWF zu einigen, in den Zustand der Zahlungsunfähigkeit geraten.
Anlass für diese traurige Prognose ist die Rekordhöhe der Kredite, welche die Ukraine 2013 zurückzahlen soll. Den Angaben des Finanzministeriums nach beträgt ihre Gesamtsumme beinahe 14 Milliarden Dollar (2012 lag der Wert bei etwa zwölf Milliarden Dollar). Eben 2013 müssen dem IWF Kredite zurückgezahlt werden, die in der Nachkrisenzeit aufgenommen wurden (etwa sechs Milliarden Dollar). Dabei wurden dem Haushalt 2013 optimistische Werte bei den Einnahmen zugrunde gelegt, die höchstwahrscheinlich nicht eintreffen werden. Das betrifft in erster Linie die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus Privatisierungen.
Schlussendlich sollte man auch die Möglichkeit unangenehmer Überraschungen nicht vergessen, beispielsweise einen Anstieg der Ausgaben der NAK (Staatlichen Aktiengesellschaft) „Naftogas Ukrainy“ für den Kauf von russischen Erdgas, der sich im Ergebnis im Staatshaushalt niederschlägt. Hier müssen auch die kürzlich von den Russen aufgestellten Forderungen über sieben Milliarden Dollar hinzugezählt werden, die aus den angeblich nicht erfüllten Verpflichtungen der Ukraine aus dem laufenden Gasvertrag resultieren.
Insgesamt sieht die Situation äußerst besorgniserregend aus. Die Regierung muss Wege zu ihrer Lösung suchen, faktisch Quellen zur zusätzlichen Finanzierung.
Finanzierungsquellen
Die erste Möglichkeit zur Klärung der Situation ist die Wiederaufnahme des IWF-Programmes. Der Fonds könnte zumindest die bereits ausgegebenen Kredite refinanzieren, das würde bereits zur Stabilisierung der ukrainischen Staatsfinanzen reichen. Zumal sich die Erneuerung der Zusammenarbeit mit dem IWF wahrscheinlich auch positiv auf die Positionen der Ukraine auf den äußeren und inneren Kreditmärkten auswirken würde, sowohl über die Senkung des Ausfallrisikos als auch über bestimmte Garantien, welche die Umsetzung des IWF-Programmes den Investoren geben würde. Diese Variante wäre ideal aus der Sicht der langfristigen Interessen der Ukraine. Einerseits würde die Erfüllung der Forderungen des IWF zusammen mit der Finanzierung zu einer makroökonomischen Stabilisierung führen (mit der Ausnahme, dass starke Einbrüche in der Weltwirtschaft das verhindern könnten) und zur Wiederaufnahme eines mehr oder weniger stabilen wirtschaftlichen Wachstums. Außerdem enthalten die IWF-Forderungen eine Reihe von Punkten, die äußerst wichtig für die langfristige Entwicklung des Landes sind. Das ist auch der Verzicht auf die Subventionierung des Energieverbrauches und der Übergang zu einem gleitenden Kurs und zum Inflation Targeting und die Rentenreform. Die Umsetzung dieser Forderungen würde den Grundstein für ein äußerst wichtiges langfristiges Wachstum der Wirtschaft des Landes legen.
Die zweite der Möglichkeiten zur Lösung der Haushaltsprobleme ist das Erreichen einer Vereinbarung mit Russland bezüglich einer Gaspreissenkung und möglicherweise einer Kreditvergabe russischer Banken zu relativ niedrigen Zinsen. In diesem Falle wird die Reaktion der Finanzmärkte, wie auch bei der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit dem IWF, positiv sein.
Die russische Finanzierung ist unter der Bedingung eines langfristigen Gaspreisnachlasses ebenfalls geeignet, eine makroökonomische Stabilisierung herbeizuführen. Übrigens sind hier unsichtbare Hindernisse möglich, zusammen mit einem Preisnachlass streben die Russen an der Ukraine größere Abnahmemengen aufzuzwingen, was an einen Kuhhandel erinnert, da die Gesamtgrößen der Gaszahlungen sich im Ergebnis nicht besonders stark verringern würden. Die bei der Russischen Föderation zugänglichen Ressourcen sind ebenfalls im Vergleich mit denen des IWF beschränkt. Letztendlich werden die Russen bestimmt versuchen ihre Ausgaben mithilfe des einen oder anderen politischen oder wirtschaftlichen Vorteils wieder hereinzuholen, wo zur gleichen Zeit der IWF in der Ukraine nur ein besonderes Interesse an einer Stabilisierung der Wirtschaft hat. Das alles macht die russische Variante der Lösung der Probleme weniger attraktiv sogar in kurzfristiger Perspektive.
Doch sind die langfristigen Folgen einer solchen Zusammenarbeit gefährlicher. Die Erhöhung der Gaseinkaufsmengen bei einer Gaspreissenkung und die fortgesetzte Subventionierung des Energieverbrauches (unwahrscheinlich, dass der populistische Ansatz der Ukrainer bei dieser Frage ohne äußeren Druck überwunden wird) bedeutet, dass die fantastisch niedrige Energieeffizienz der Wirtschaft, die eines ihrer Hauptstrukturprobleme darstellt, sich nicht erhöhen wird. Wahrscheinlich ist das bereits ausreichend, um die langfristige Entwicklung des Landes abzuschreiben und beim Erhalt russischer Finanzmittel sinken auch die Anreize zur Durchführung anderer Reformen.
Im Fall dass es weder zu einer Einigung mit dem IWF noch mit Russland kommt, könnte die Regierung schlussendlich versuchen, eigenständig die notwendigen Mittel aufzutreiben. Wahrscheinlich müssen alle möglichen Einnahmequellen in Anspruch genommen werden. In dieser Situation muss eine Erhöhung des fiskalischen Drucks auf die Wirtschaft (wahrscheinlich nicht über eine Erhöhung der Steuern, wie es in weniger korrupten Ländern stattfindet, sondern über eine Verschärfung des Drucks der Steuer- und der Zollbehörde), der Haushaltsfinanzierung über die Geldpresse – die in versteckter Form auch 2012 stattfand -, der Bekämpfung von Verrechnungspreisen und Kapitalabflüssen in Steueroasen sowie ebenfalls Versuche zusätzliche Mittel auf Auslandsmärkten zu bekommen erwartet werden. Möglich sind auch außergewöhnliche Maßnahmen, wie „finanzielle Repressionen“, wenn Banken auf administrative Weise gezwungen werden mehr Staatsanleihen zu kaufen, die in Verruf geratene Steuer auf den Devisenverkauf und anderes in dieser Art.
Sogar wenn es der Regierung gelingen sollte, auf diese Weise ihre finanziellen Bedürfnisse zu befriedigen, schiebt dieses Szenario das Problem nur auf und löst es nicht. Die Schlüsselfrage bleibt das Missverhältnis zwischen den Einnahmen, welche die Wirtschaft des Landes leisten kann, und dem aktuellen Niveau der Staatsausgaben. Außerordentliche Eintreibungen können im Erfolgsfall zeitweilig ersteres mit letzterem in Übereinstimmung bringen, doch lediglich auf kurze Zeit. Damit sich die Situation der Staatsfinanzen normalisiert und es zu einem beständigen Wachstum kommt, sind Reformen analog zu denen notwendig, die der IWF vorschlägt. Jedoch zu diesen Reformen eigenständig überzugehen macht keinen Sinn, denn in dem Fall ist uns die Unterstützung des IWF sicher. Dementsprechend wird sogar eine erfolgreiche Suche nach Binnenfinanzierungsquellen nur eine kurze Atempause bringen. Unter Berücksichtigung der politischen Ambitionen der derzeitigen Machthaber für 2015, werden sie sich, wenn sie diesen Weg beschreiten, ihr eigenes Grab schaufeln.
Wird es zum Zahlungsausfall kommen?
Im Falle dessen, dass alle Verhandlungen mit ausländischen Kreditgebern scheitern, wie auch die Versuche das Problem eigenständig zu lösen, erwartet das Land eine Rezession und eine Wirtschaftskrise. Doch wird es zu einem Zahlungsausfall kommen? Wenn man diese Erscheinung weit auffasst, als Unfähigkeit des Staates irgendeiner seiner Verpflichtungen nachzukommen, dann führt die Nichtfinanzierung der Haushaltsausgaben der Definition nach zum Zahlungsausfall. Jedoch wird ein Zahlungsausfall weitaus öfter enger gefasst: als Weigerung des Staates seine Schulden zu zahlen.
Letzteres ist für die Ukraine nicht unvermeidlich und die Regierung wird wahrscheinlich mit allen Mitteln versuchen dieses Szenario zu vermeiden, das uns eindeutig auf einige Jahre von den Auslandsmärkten abschneidet und die Suche nach einem ausländischen „offiziellen“ Kreditgeber unvermeidlich macht. Wahrscheinlich kann man eine Beschneidung der staatlichen Investitionen auf ein Minimum erwarten, einschließlich die Nichtumsetzung des einen oder anderen geplanten Programms. Wahrscheinlich sind auch die Verspätung der einen oder anderen Zahlung von Haushaltsmitteln zur Kompensation der Ausgaben der kommunalen Dienste bis zu den Gehältern der Staatsangestellten und ebenfalls die Unterfinanzierung vieler aus der Sicht der Regierung zweitrangiger Haushaltspositionen.
Außerdem könnte die Regierung damit beginnen den Emissionskanal zur Finanzierung zu nutzen, was zu einem Inflationssprung führt. Im Hinblick auf den ohnehin bereits bereits betrüblichen Zustand der Leistungsbilanz, wird es wahrscheinlich zu einer Abwertung kommen. Letztendlich werden sowohl der Staat als auch der Privatsektor der Wirtschaft Probleme bei der Refinanzierung ihrer Schulden auf den Auslandsmärkten haben.
Fraglos könnten die negativen ökonomischen Faktoren dazu führen, dass die Regierung die Schulden nicht bedienen kann und dann wird es in der Ukraine tatsächlich zum Zahlungsausfall kommen. Jedoch sogar, wenn es im Land zu einer Wirtschaftskrise kommt, ist ein Zahlungsausfall bei den Kreditverbindlichkeiten nicht unvermeidlich. Übrigens, würde ich gern daran glauben, dass es auch gelingt eine Krise zu vermeiden.
20. Februar 2013 // Pawel Kuchta
Quelle: Lewyj Bereg