Es beginnen Gespräche über die mögliche Verkündigung einer Zahlungsunfähigkeit aus Katastrophengründen. Weshalb es nicht wert ist, das zu tun, und was kann mit dem Land im Falle eines solchen Szenarios passieren? Eine Erklärung von Ökonomen und Forschungszentren.
In einigen Kreisen wird über die Möglichkeit diskutiert, aus Katastrophengründen den Zahlungsausfall zu erklären, das heißt die Zahlung von Staatsschulden zu verweigern. Wir betonen aufs Schärfste die negativen Folgen solcher öffentlicher Diskussionen und die Realisierung eines solchen Schrittes für das Image des Staates in der Welt, das Wohlergehen der ukrainischen Bürger und folglich für die Beziehung der Bürger zur Staatsmacht.
Es ist möglich, den Bankrott des Landes zu verhindern, wenn in der schwierigen Phase die Mittel aus dem Programm des Internationalen Währungsfonds maximal genutzt werden, Mittel von der Europäischen Union für den Haushalt in Anspruch genommen werden, aber auch – wenn möglich – Verhandlungen über eine neue Kreditgarantie von den USA geführt werden.
Die wichtigsten Dinge, die man unbedingt über den Zahlungsausfall wissen muss:
- Wenn der Zahlungsunfähigkeit erklärt wird, verschwindet die Schuld nicht.
- Es ist politisch unmöglich, die Zahlungseinstellung für alle ausländischen Verpflichtungen zu erklären.
- Die Zahlungsunfähigkeit „gibt kein Geld frei“ für andere Zwecke.
- Die Zahlungseinstellung bremst die wirtschaftliche Erholung.
Wenn die Zahlungsunfähigkeit erklärt wird, verschwindet die Schuld nicht. Der Schuldner kann nicht sich selbst die Schulden erlassen. Indem er den Zahlungsausfall erklärt, räumt er einfach ein, dass er nicht zahlen kann, aber dann muss er dennoch mit den Gläubigern über einen Aufschub oder einen teilweisen Erlass der Schulden verhandeln.
Es ist politisch unmöglich, die Zahlungsunfähigkeit bei allen ausländischen Verpflichtungen zu erklären. Der Ukraine bleiben im Jahr 2020 Auslandsschulden in Höhe von 3,8 Milliarden US-Dollar zurückzuzahlen. Von diesem Betrag sind nur 1,3 Milliarden US-Dollar Schulden gegenüber privaten Kreditnehmern –eine Nichtzahlung gegenüber ihnen wird keine politischen Folgen haben. Doch der Rest der Schulden hier sind Verbindlichkeiten gegenüber offiziellen Gläubigern, einschließlich einer Milliarde US-Dollar garantierter Verbindlichkeiten gegenüber der Regierung der USA.
Wenn man sich einfach weigert zu zahlen, werden die Beziehungen zu allen internationalen Partnern ruiniert und die Ukraine wird sich in internationaler Isolation befinden – unter den Umständen der Ausbreitung des Coronavirus, des Krieges im Osten und einer globalen Wirtschaftskrise. Gegen die Ukraine können sogar Sanktionen verhängt werden. Eine Einsparung von 1,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 bei Zentralbankreserven von 26 Milliarden US-Dollar (Anfang März) sind das definitiv nicht wert.
Der Zahlungsausfall „gibt kein Geld frei“ für andere Zwecke. Das geplante Haushaltsdefizit für 2020 beträgt 96 Milliarden Hrywnja. [Aktuell etwa 3,2 Milliarden Euro] Eben so viel fehlen im Budget, um planmäßige Ausgaben zu tätigen. Ein größerer Teil des Defizits soll durch die Aufnahme neuer Schulden gedeckt werden. Angesichts des hohen Risikos, keine zwölf Milliarden Hrywnja aus Privatisierungen zu erhalten, könnten diese auch durch Kredite ersetzt werden, wenn der Zugang zu Krediten erhalten bleibt. Im Falle einer Zahlungseinstellung wird dieses Geld jedoch nicht verfügbar sein.
Wenn sich die Ukraine theoretisch weigert, Zinsen für alle Auslandsschulden zu zahlen (was unmöglich ist), bleibt im Budget dennoch ein „Loch“ in der Höhe von 50 Milliarden Hrywnja.
Wenn sich die Ukraine theoretisch weigert, alle Auslandsschulden zurückzuzahlen (was unmöglich ist), wird es weiterhin notwendig sein, Inlandsschulden in der Höhe von 110 Milliarden Hrywnja zurückzuzahlen.
Eine solche theoretische Weigerung würde die Möglichkeit jedweder Auslandsfinanzierung gänzlich ausschließen, sodass die Regierung 170 Milliarden Hrywnja auf dem inländischen Markt suchen müsste.
Wenn die Regierung die Zahlungsunfähigkeit erklären wird, wird ihr keine Privatbank oder Fonds Kredite geben. Die einzige Finanzierungsquelle bleibt eine immense Emission von Hrywnja vonseiten der Nationalbank. Diese wird zu einer unkontrollierten Inflation und Abwertung führen, was zwangsläufig eine weit verbreitete Unzufriedenheit der Bevölkerung zur Folge haben wird.
Ein Zahlungsausfall bedeutet Panik auf dem Devisenmarkt. Schon das Wort „Zahlungsausfall“ wird in der Bevölkerung sehr negativ wahrgenommen. Es wird mit den Ereignissen von 1998 in Verbindung gebracht, als sich der Dollarkurs innerhalb eines Jahres verdoppelte. Die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit wird Panik nach sich ziehen, die Bevölkerung wird rennen, um Hrywnja von den Festgeldkonten abzuziehen und diese in Dollar anzulegen. Das wird das Bankensystem in Gefahr bringen und eine unkontrollierte Abwertung noch verstärken.
Der Zahlungsausfall bremst die wirtschaftliche Erholung. Auch wenn die Ukraine ihre Schulden im Jahr 2020 nicht bezahlen wird, muss sie diese später zurückzahlen. Hiermit wird durch den jüngsten Zahlungsausfall der Zugang zu neuen Krediten jedoch sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Sektor gesperrt. Das heißt, die Erholung der Wirtschaft wird durch den Mangel an Mitteln für Infrastruktur- und Investitionsprojekte erheblich verlangsamt. Die Länder, welche die Krise ohne Zahlungseinstellung überstanden haben, werden sich schneller erholen und genau sie werden in erster Linie sowohl neue Investitionen als auch neue Märkte erhalten.
Fazit
Der Regierung wird empfohlen, die Zusammenarbeit mit dem IWF und alle möglichen Arbeitsprogramme mit offiziellen internationalen Kreditgebern wieder aufzunehmen. Dies ist die einzige finanzielle Ressource, welche die Ukraine für den Kampf gegen das Coronavirus und für die Auszahlung der Renten und Gehälter angesichts einer harten ökonomischen Krise, die sich auf der Welt entwickelt, in Anspruch nehmen und nutzen kann. Es wird nicht möglich sein, diese Mittel aufzubringen, wenn die Ukraine die Zahlungsunfähigkeit erklärt. Im Falle des Zahlungsausfalls bleibt die Ukraine mit der Krise alleine zurück und die möglichen Verluste aus einer solchen Situation können schwerlich überschätzt werden. Daher muss der Staat all seine Verpflichtungen erfüllen und alle Möglichkeiten für eine internationale Zusammenarbeit nutzen.
Es unterzeichneten:
Redaktion der Ekonomitschna Prawda
Zentrum für Wirtschaftsstrategie
Anatolij Amelin, Mitbegründer, Direktor für Wirtschaftsprogramme des Ukrainischen Zukunftsinstituts
Ihor Liski, Mitbegründer, Ukrainisches Zukunftsinstitut
Jurij Horodnitschenko, University of California, Berkeley & VoxUkraine
Olena Bilan, Dragon Capital, VoxUkraine
Olexij Blinow, „Alfa-Bank Ukrajina“
Olexandr Scholud, VoxUkraine
Andrij Dlihatsch, Bürgerplattform „Nowa krajina“
Walerij Pekar, Bürgerplattform „Nowa krajina“
Olexandr Paraschtschij, IK Concorde Capital
Olexij Muschak, Parlamentsabgeordneter der der VIII. Legislaturperiode
Ilona Solohub, VoxUkraine
Wladyslaw Holub, Parlamentsabgeordneter der VIII. Legislaturperiode
Mychajlo Rebryk, Raiffeisen Bank Aval
Taras Kosak, Präsident der Investment Group UNIVER
Natalija Mykolska, Mitbegründerin der Plattform „SheExports“, „TechUkraine“ und des Zentrums „Trade+“ der Kyjiwskoji schkoly ekonomiky
Jewhen Dubohrys, Finanzanalyst
Die Erklärung steht zur Unterzeichnung offen. Sie können sich daran beteiligen, indem Sie das Formular im beigefügten Dokument ausfüllen.
17. März 2020
Quelle: Ekonomitschna Prawda
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