Geheimakten von Schuchewytsch: Die Frau des UPA-Kommandanten bekam Verpflegungszuteilung von den Deutschen und die Gestapo nahm sie als Geisel



„Strana“ hat die freigegebenen Akten über Roman Schuchewytsch gelesen.

Der Geheimdienst SBU hat anlässlich des 110-Jährigen Jubiläums von Roman Schuchewytsch, des Kommandanten der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA) und stellvertretenden Kommandeurs des Bataillons „Nachtigall“, das ein Teil der Hitler-Armee war, die die UdSSR übergriffen hatte, Archivakten freigegeben und im Internet veröffentlicht.

Unter anderem wurde das 26-seitige Verhörprotokoll seiner Frau Natalja Beresynska veröffentlicht, das nach dem Plan des Geheimdienstes die Zusammenarbeit von Schuchewytsch mit den Nazis widerlegen sollte. Aus den Akten folgt aber gerade das Gegenteil.

Der deutsche Hauptmann

Auf der Seite 21 des Protokolls gibt die Frau zu, dass Schuchewytsch im Jahr 1941 aus Deutschland in das besetzte Lwiw im Rang des deutschen Hauptmanns zurückkam und „zusammen mit der deutschen Armee in die östlichen Regionen der Ukraine ging“, danach „reiste er nach dem Befehl des deutschen Kommandos nach Belarus, um gegen die sowjetischen Partisanen zu kämpfen“. Beresynska selbst bekam während der deutschen Besatzung von Lwiw 1942 eine Verpflegungszuteilung als Frau eines deutschen Armeeangehörigen.

Nachdem Schuchewytsch den deutschen Militärdienst verlassen hatte, stellten die Faschisten die Ausgabe von Lebensmitteln an sie ein und die Gestapo nahm sie zwar für zwei Monate fest, aber ließ sie schließlich wieder frei. „Ein Gestapo-Offiziere sagte mir, dass ich als Geisel genommen wurde, bis Roman Schuchewytsch zu ihnen kommt. Da aber Letzterer innerhalb der zwei Monate nicht erschien, wurde ich freigelassen“, gab Natalja während des Verhörs an.

Wie Beresynska erzählte, bat sie Schuchewytsch seine politische Aktivität zu beenden, weil es „mich und den Sohn in den Abgrund treiben würde“. Der UPA-Kommandant erwiderte aber, dass „er die Idee mehr als sie und den Sohn liebt“.

Im Jahr 1943 ließ sie sich formal vom Ehemann scheiden und erklärte, dass sie keinen Kontakt zu ihm habe. Obwohl laut Erinnerungen von Mitkämpfern, trafen sie sich in konspirativen Wohnungen in Lwiw (Schuchewytsch war damals der Chef der Organisation Ukrainischer Nationalisten [OUN]). Im Jahr 1945 wurde Schuchewytsch-Beresynska für ihre Beteiligung an der nationalistischen Bewegung vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet.

In der Anklageakte steht, dass „sie eine enge Verbindung mit dem Ehemann bis zum Moment ihrer Verhaftung durch die Organe der sowjetischen Regierung behielt, und dabei nämlich: während sie mit der Mutter und den Kindern zusammenwohnte, wurde sie vom Mann unterstützt, indem sie Geld und Lebensmitteln von ihm bekam.“

Die Frau und die Schwiegermutter von Schuchewytsch wurden beschuldigt, dass sie den Verbleib von Schuchewytsch nicht an die Behörden meldeten. Sie wurden respektive zu zehn und fünf Jahren Lagerhaft verurteilt. Die Kinder von Schuchewytsch, Jurij und Maria, wurden zuerst in ein Kinderheim im Gebiet Kiewgeschickt und später in den Donbass. Wie aus anderen Archivakten folgt, trat der 13-jährige Jurij Schuchewytsch der Pionierorganisation bei und behauptete, dass sein Vater in der Roten Armee diente. Danach floh der 15-jährige Sohn des UPA-Kommandanten aus dem Kinderheim.

Im August 1947 trafen sich der Vater und der Sohn in der Westukraine und ihr letztes Treffen fand im Januar 1948 in Lwiw statt.

Im Jahr 1949 kamen die Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes Schuchewytsch auf die Spur, der ihnen unter dem Pseudonym „Wolf“ oder Taras Tschuprynka bekannt war. Er wurde im Dorf Bilohorscha in der Nähe von Lwiw eingeholt. Um sich nicht lebendig ergeben zu müssen, erschoss sich Schuchewytsch mit seiner „Walter“. Sein Sohn Jurij wurde zu mehr als 30 Jahre sowjetischer Lagerhaft für seine Verbindung zu Nationalisten verurteilt.

„Verbündeter konnte nur Deutschland sein, wenn auch unter Hitler“

Zurzeit ist Jurij Schuchewytsch 84 Jahre alt, er ist Parlamentsabgeordnete von der „Radikalen Partei“. Schuchewytsch jun. bestreitet nicht, dass der Vater mit den Deutschen zusammengearbeitet hatte.

„Wer sollte denn sonst der Verbündete eines versklavten Volkes sein? Es ist klar, dass weder die Sowjetunion, noch Polen, das ein Teil unseres Territoriums erobert hatte, noch die Verbündeten Polens, Großbritannien und Frankreich, es sein können. Wir konnten nur von Deutschland unterstützt werden. Es ist nicht wichtig, ob vom Kaiserreich, der Weimarer Republik oder Hitler-Deutschland. Deswegen wurden die Deutschen in Lwiw zuerst willkommen geheißen, da man glaubte, dass sie vorm Bolschewismus retten würden“, erzählt Schuchewytsch „Strana“. „Niemand verurteilt doch Aung San, der in den 1940ern den Kampf Birmas gegen Großbritannien mithilfe der Japaner führte. Genauso wie man den Irakern Rashid Ali al-Gaylani nicht verurteilt, der mit der Unterstützung von Nazi-Deutschland den Aufstand im Irak leitete. Außerdem, als die Deutschen sich weigerten die ukrainische Staatlichkeit wieder herzustellen, begann die OUN ihnen Widerstand zu leisten.“

Nazis zeichneten Freund von Schuchewytsch aus dem Bataillon „Nachtigall“ mit einem Orden aus

Eine Lüge nennt Schuchewytsch auch die Gerüchte, dass UPA-Kommandant sich persönlich mit Hitler getroffen hätte und vom Führer eine Auszeichnung bekam. „In den Wehrmachtarchiven steht nichts davon“, sagt er. „Und „das Eiserne Kreuz“ bekam nur ein Ukrainer von „Nachtigall“, Jurij Lopatynskyj (der gebürtige Ternopiler war ein enger Freund von Roman Schuchewytsch, ein Mitglied der OUN unter dem Pseudonym Kalyna und Oberleutnant der Abwehr, nach dem Krieg war er erst in München, dann in den USA, wo er im Jahr 1982 im Alter von 76 Jahren gestorben ist – Anmerkung von Strana).“

Schuchewytsch-Tschuprynka wurde auch der Beteiligung an der Massenvernichtung der Juden und ihren Pogromen in Lwiw beschuldigt (wie „Strana“ geschrieben hat, fanden in Lwiw einige antisemitische Aktionen mit dem Angriff auf eine Synagoge und Bemalen von Gebäuden jüdischer Organisationen mit Droh-Parolen während des Feierns anlässlich seines 110-Jubiläums statt).

Sein Sohn weist auch zurück, dass Schuchewytsch Juden ermordete. „Das ist Lüge, es gibt keine Beweise“, versichert er und fügt hinzu, dass seine Mutter in den Kriegsjahren ein jüdisches Mädchen versteckte. Übrigens findet Jurij Schuchewytsch, es sei korrekt Juden „Schydy“ zu nennen, es sei ein historischer Begriff.

Von den Verwandten des UPA-Kommandanten war noch bis vor kurzem seine Schwester Natalja am Leben. Die Frau starb vor sieben Jahren in Russland im Alter von 88 Jahren. Sie war mit einem Einwohner von Naltschik verheiratet und wurde mit großen Ehren in Lwiw in der Familiengruft begraben.

Wie die Tochter von Roman Schuchewytsch Maria Trylewska dem Korrespondenten von „Strana“ mitteilte, kam ihre Tante in den 1990er nach Lwiw, ging aber danach nach Russland zurück. Einer der Gründe war, dass ihre Rente da höher als in der Ukraine war.

5. Juli 2017 // Dmitrij Mizkewitsch

Quelle: Strana.ua

Übersetzerin:   Daria Shalygina  — Wörter: 1023

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