Die Hure meiner Träume: Warum die Legalisierung der Prostitution nicht an der Zeit ist



Die Legalisierung der Prostitution ist eines der umstrittensten Themen, vor allem, wenn Politiker darauf Einfluss nehmen. Indes erfreut sie sich dieses Jahr bei den einheimischen Parlamentariern großer Nachfrage. Im Mai sprach sich Mychajlo Hawryljuk für die Unterstützung der Legalisierung von sexuellen Dienstleistungen aus, im August Jurij Luzenko und im September wurde in der Werchowna Rada ein entsprechender Gesetzentwurf vonseiten Andrij Nemyrowskys registriert, der zur Fraktion „Wolja Narodu/Wille des Volkes“ gehört.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Prostitution an sich bereits 2006 de facto entkriminalisiert worden ist, als man aus dem Strafgesetzbuch der Ukraine den Artikel für individuelle bezahlte Sex-Dienstleistungen entfernte. Die maximale Verwaltungsstrafe dafür ist eine Geldstrafe von 15 steuerfreien Mindestlebenskosten, also etwa 10.000 Hrywnja (ca. 400 €). Kunden von Prostituierten tragen keinerlei Verantwortung, umgekehrt wird Zwangsprostitution mit einer Freiheitsstrafe von drei bis fünf Jahren belegt.

Wie üblich bei den Befürwortern der Legalisierung der Prostitution, verweist Nemyrowskyj auf die Erfahrung westlicher Länder. „In dem weltberühmten „Rotlicht-Viertel“ in Amsterdam können Sie ruhig jedes beliebige Mädchen wählen und sich mit ihr zurückziehen“, heißt es im Erläuterungstext, der für die Anwesenden mehr wie ein Fremdenführer wirkt. Dabei ist der freie Zugang zu Sex-Dienstleistungen nicht das einzige Argument des Gesetzgebers.

„Die Rechtsunsicherheit im Bereich der Prostitution und der Tätigkeit von Sex-Centern ist heute ein schwerkriminelles Geschäft“, meint Nemyrowskyj. Der Chef der Kyjiwer Polizei Oleksandr Tereschtschuk ist bereit, ihm zuzustimmen, er erkennt an, dass die Prostitution in der Ukraine von seinen Untergebenen „gedeckt“ wird, die Zuhälter aber machen gewaltige Gewinne. Von ihnen zahlt, wie man verstehen wird, keiner Steuern, was noch ein Argument für den Nutzen der Legalisierung des Marktes für Sex-Dienstleistungen ist.

Nach Ansicht Nemyrowskyjs wird die Legalisierung der Prostitution einen Beitrag zur Bekämpfung von Menschenhandel, sexueller Sklaverei und Ausbeutung von Minderjährigen leisten. Und es wird sogar helfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, um nicht andere Vorteile zu nennen, „wenn sexuelle Dienste rechtlich abgesichert angeboten werden“. Kurz gesagt, es ist sowohl angenehm als auch nützlich. Übrigens hat Herr Nemyrowskyj sich zuvor für die Initiative zur Legalisierung des Glücksspiels ausgesprochen, wobei er analoge Argumente nutzte.

Es ist klar, dass sich Kritiker auf den Autor des Gesetzesprojekts gestürzt haben, angefangen bei den üblichen Skeptikern bis hin zu den glühenden Verteidigern traditioneller moralischer Werte. Das Problem der Prostitution ist freilich wirklich wichtig. Nach Angaben der internationalen Organisation für Migration stellten die Ukrainerinnen im Jahr 2009 ein Viertel der Prostituierten in den Ländern Osteuropas. Über diesen „unaufhörlichen ukrainischen Export“ schrieb sogar das amerikanische Time Magazin.

Und die Ukraine ist seit langem ein sehr beliebtes Land für Sex-Tourismus. Man muss still sein, allein in Kyjiw warben während der Fußball-Europameisterschaften 2012 ungefähr 50.000 Prostituierte um Klienten. Zum Vergleich: In Holland, wo die Prostitution völlig legal ist, beträgt die Gesamtzahl der Sexarbeiterinnen zweimal weniger. Die Popularität des „ältesten Gewerbes“ hat eine Schattenseite. Die die Arbeiterinnen der Sex-Industrie gehören zu einer der am meisten gefährdeten sozialen Gruppen, denn jede sechste Prostituierte in der Ukraine ist minderjährig.

Allerdings ist die Legalisierung der Prostitution kein Allheilmittel. Erstens garantiert die gesetzliche Legalisierung der Sexindustrie keineswegs ihre faktische Legalisierung. Im erwähnten Holland ist die Zahl der illegalen Sexarbeiterinnen ebenso hoch wie die der legalen. Blicken wir auch auf die Wirtschaft. Allein nach offiziellen Berechnungen vollzieht sich die Hälfte der ukrainischen Wirtschaft im Schatten, sie aus diesem herauszulocken, gelingt weder mit Zauberei noch mit süßen Hefezöpfen. Selbst der Markt für Mietwohnungen ist zu 90 Prozent schwarz. Was soll man dann sagen über diejenigen, die nicht Großmutters Wohnung vermieten, sondern den eigenen Körper?

Angesichts des aktuellen Niveaus der Korruption sollte man nicht auf die Ausmerzung der Ausbeutung von Frauen hoffen. Man sollte sehen, dass die Prostitution ein „Handwerk der Verzweiflung“ ist. Nur wenige beschäftigen sich damit aus innerer Berufung der Seele, für den Rest aber ist das Geschäft mit dem Körper eine relativ effektive Möglichkeit, materielle Schwierigkeiten zu überwinden. So besteht die Mehrheit der Prostituierten aus Repräsentanten sozial benachteiligter Gruppen, für die andere Einkünfte schwer zugänglich sind. Genau deshalb haben Zuhälter so großen Einfluss auf die Prostituierten. Und sie werden ihn auch weiterhin haben, mit schweigender Zustimmung der bestechlichen Behördeninstitutionen.

Darüber hinaus dient die Legalisierung der Prostitution de facto der Macht der Zuhälter über die Sexarbeiterinnen. Aus Vermittlern und Aufpassern verwandeln sie sich in Unternehmer, von denen das Einkommen und die Karriere der Prostituierten völlig abhängen. Diese Tatsache bekräftigt eine Reihe westlicher Experten, insbesondere Janice Raymond. Der einfache Zugang zu Sex-Dienstleistungen führt zu einer Legitimierung der sexuellen Ausbeutung von Frauen, und damit zu einer Entmenschlichung der Arbeit der Prostituierten, denen offiziell der Status einer Ware zugeteilt wird.

Selbst wenn man an jeder Straße auf legale Weise Bordelle öffnet, hört der Handel mit Menschen nicht auf. Denn gewöhnliche Prostitution ist nur die Spitze eines Eisberges der Sex-Industrie. Die größten Gewinne werden in den Bereichen eingefahren, die man niemals je legalisieren wird, sexuelle Sklaverei, Ausnutzung von Minderjährigen, Kinderpornografie, sexuelle Gewalt usw. Die Legalisierung von Prostitution gibt nur den Akteuren mehr Möglichkeiten zur Kommunikation mit potenziellen Kunden und rechtliche Absicherung.

Ein weiterer beliebter Mythos ist, dass die Legalisierung der Prostitution die Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten stoppt. Theoretisch ist die Prostituierte ein lebender Kindergarten von Krankheiten, aber in der Praxis aber sind sie hinsichtlich möglicher Gefahren viel kundiger als der Rest der Mitbürger. Natürlich schadet nie eine zusätzliche ärztliche Untersuchung. Doch unter den gegenwärtigen Umständen mag der reale Effekt erneut angesichts der Korruption bei null liegen. Wenn heute jeder in der Poliklinik ein Untersuchungsergebnis kaufen kann, warum sollten das dann nicht auch die Sex-Arbeiterinnen tun?

Wenn es um den geistlichen Aspekt der Frage geht, so werden hier Ursache und Wirkung auf den Kopf gestellt. Es heißt, die Legalisierung der Prostitution trägt zum Niedergang der Familie und christlicher Werte insgesamt bei. Werden legale Bordelle eröffnet, leeren sich die Kirchen. In Wirklichkeit verhält es sich aber umgekehrt. In einer idealen christlichen Gesellschaft werden die Bordelle leer dastehen, unabhängig davon, ob sie eine offizielle Erlaubnis zur Tätigkeit haben. Wenn die Priester fürchten, sie könnten die Herde ohne Hilfe der Polizei nicht halten, dann zeugt das nur vom Niedergang der Religiosität.

Durch all das ist die gesellschaftliche Diskussion hinsichtlich der Legalisierung der Prostitution vergebens. Eine gesellschaftliche Diskussion über die Prostitution kann man nur sinnvoll machen, wenn man zu ihr eben die Sex-Arbeiterinnen einlädt. Nur im Gesprächsaustausch mit ihnen kann man die wahren Gründe der Prostitution verstehen und wirksame Maßnahmen für den Schutz dieser Frauen entwickeln. Solange der ukrainische Staat zu einem solchen Dialog nicht reif ist, kann von irgendwelchen Gesetzen gar keine Rede sein.

8. Oktober 2015 // Hryhorij Schwez

Quelle: Zaxid.net

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